Dieses Jahr habe ich mich dazu entschlossen, meinen Sommer in Griechenland zu verbringen. Naja meinen ganzen Sommer nicht, aber immerhin knappe drei Wochen – so viel Zeit in etwa so viel, wie wir hier in Deutschland Sonne und 25°+ das Jahr über haben. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen und Eindrücke von dem Land am Rande Europas teilen, das von vielen doch sehr unterschätzt wird. Ein sonniger Sommer, voll mit langen Nächten, Souvlaki und Frappes.
Warum Griechenland?
Über die NRO, für die ich regelmäßig an Projekten teilnehme, gab es ein Projekt im Osten Griechenlands, in Thrakien, für das ich beworben hatte und letztendlich auch genommen wurde. Zum einen gefiel mir das Konzept des Projektes – es sollte in drei Städten stattfinden, und so hatte ich die Möglichkeit, nicht nur die Städte Alexandroupouli, Komotini und Xanthi besser kennenzulernen, sondern konnte auch die Erfahrung machen, in einem echten griechischen Camp zu zelten sowie ein Konzert in einem von UNESCO geschützten antiken Amphitheater so besuchen. Nach dem Projekt habe ich dann noch jeweils einige Tage in Thessaloniki und Athen verbracht, bevor ich mit dem Schiff von Patras nach Bari übersetzte. Nachdem ich bereits einige griechische Inseln besucht hatte, fand ich es unglaublich spannend, endlich einmal das Festland besser kennenzulernen.
Die griechische Kultur hat mich schon immer sehr fasziniert – angefangen von den Mythen in der Antike und Alexander dem Großen, über die Zeit, in der Griechenland Ägypten beherrschte und die größte Seemacht im Mittelmeer war, über das Römische Reich und dann fast ein Jahrtausend, indem Griechenland unter osmanischer Herrschaft verbrachte bis hin zur griechischen Revolution und ihrer Unabhängigkeit – auch wenn anfangs ein bayrischer König auf ihrem Thron saß. Es ist unglaublich viel aus diesen Zeiten übergeblieben, es gibt so gut wie überall Ruinen und der Grund, wieso Thessaloniki immer noch keine U-Bahn hat, ist, weil sie in regelmäßigen Abständen auf noch mehr Ruinen stoßen und die dann erst mal ausgegraben werden müssen.
Thessaloniki – über die Finanzkrise und Religion
In Thessaloniki blieb ich etwa vier Tage lang bei einem guten Freund – Nikos. Während die ersten paar Tage recht träge verliefen – teils unser eigenen Müdigkeit zuzuschreiben, andererseits verläuft griechische Zeit irgendwie ganz anders als in Deutschland. Gefrühstückt wurde um 12, zu Mittag gegessen um 16 Uhr und zu Abend um 22 Uhr. Frühstücken mit Nikos waren für mich jedes Mal lustig und unterhaltsam. Zum einen, weil wir uns dabei noch stundenlang über Gott und die Welt unterhalten konnten, aber auch, weil eines Morgens seine Mutter kam und ihn auf Griechisch anschrie und er mich kleinlaut anschaute und sagte: „Kannst du bitte mehr essen? Meine Mutter sagt, du bekommst nicht genug zu essen, also iss bitte noch etwas.“ – Nachdem ich schon gefühlt so viel gegessen hatte, dass ich fast am Platzen war. Er setzte mir dann noch etwas süßes Gebäck vor, welches ich unter den wachsamen Augen seiner Mutter aß.
Als Deutsche muss ich ganz ehrlich sagen, habe ich die Finanzkrise in Griechenland nie so richtig verstanden. So richtig darüber gesprochen wird darüber auch mittlerweile nicht mehr. „Die faulen Griechen“ – das liest man mal ab und zu in einer Schlagzeile oder „Die Griechen können nicht mit Geld umgehen“. Viel darüber nachgedacht habe ich nicht. Ich hatte allerdings auch erwartet, dass man mir als Deutsche vielleicht etwas skeptischer begegnet – darüber lachte Nikos nur und meinte: „Merkel und Schäuble sind hier nicht allzu beliebt, und die Deutschen die Socken in Sandalen tragen, aber ansonsten seid ihr doch ganz okay“. Für mich war es erstaunlich interessant zu sehen, inwiefern es tatsächlich doch ein Land von elf Millionen betrifft. Als ich mich beschwerte, dass ich nur knapp über dem Mindestlohn als Kellner verdiene, erklärte mir Nikos, dass der Mindestlohn für Kellner in Griechenland bei ca. drei Euro liegt. Er meinte, dass Griechen andere Dinge priorisieren, so sei es zum Beispiel, dass man sich häufiger mit Freunden auf einen Kaffee trifft – oder Frappe, den die Griechen so lieben – als ein teures Auto zu fahren.
Thessaloniki selbst als Stadt ist wunderschön. Wenn man durch die engen Gassen der Altstadt spaziert, kann man einen Blick über die ganze Stadt erhaschen und die vielen Ruinen alter Tempel in der Stadt geben Thessaloniki eine besonders geschichtsträchtige Atmosphäre.
Athen – Balkan oder Europa?
In Athen blieb ich drei Tage bei einem Freund (auch Nikos), mit dem ich hauptsächlich etwas pflichtmäßig Kultur machte. Die Akropolis, das archäologische Museum und das Akropolis-Museum, so wie ein Besuch bei dem Kulturzentrum der Stavros Niarchos Foundation, bei der wir ein Open Air Kinobesuch (umsonst!) machte. Das ist ja auch irgendwie Pflicht, wenn man schon in Athen ist. Griechenland selbst ist so ein geschichtsträchtiges Land, von dem sehr viel erhalten geblieben ist, und in Athen findet man viele solcher Schätze. Allerdings sind auch viele dieser Schätze im Britischen Museum in London aufzufinden, etwas, dass meinem Gastgeber Nikos gar nicht gefällt. „Es ist unsere Vergangenheit, es ist unser kulturelles Erbe, und das alles hat nichts in einem britischen Museum verloren.“ Für ihn ein sehr sensibles Thema.
Stefanos, bei dem ich weitere drei Tage bleibe, sieht das ganze nicht so eng. Ihn habe ich letztes Jahr auf Zypern kennengelernt, während er mich nachts durch „urban Athens“ führte, vorbei an beeindruckendem Graffiti und durch so enge Gassen und nah aneinander stehende Häuser, so dass man in die Wohnungen der Menschen hineinschauen konnte und hoch zur Akropolis. Er meint vielmehr, dass viele der archäologischen Funde von der griechischen Regierung an die Briten verkauft wurden zu den Zeiten, als Griechenland frisch als unabhängiges Land um seine Existenz kämpfte. „Wenn wir jetzt anfangen, alle Schätze zurück an ihr Ursprungsland zu geben: Weißt du was für ein Durcheinander das gäbe? Und wie langweilig Museen werden würden, wenn man nicht mehr die Vielfalt verschiedener Kulturen nebeneinander darstellen könnte?“
Mit ihm habe ich auch ein langes Gespräch über Griechenlands kulturelles Erbe als ein Balkanland. Zwar eins der wenigen Balkanländer, die tatsächlich teil der EU sind und das einzige, das den Euro hat, liegt es doch gänzlich am Rande Europas, ein bisschen verloren und vergessen, außer ein bisschen Tourismus. Abgeschnitten von dem ganzen Kuddelmuddel der europäischen Politik, die fortwährend in den von Griechenland weit entfernten Benelux-Ländern stattfindet, bleibt es doch interessant zu beobachten, wie Griechenland sich letztendlich macht. Auch Stefanos meint, dass Griechenland zu gleichen Teilen Europa und Balkan ist – der Balkan hat eben ein kulturelles Erbe in Griechenland gelassen.
In meiner letzten Nacht in Griechenland fahren wir mit Panos in die Berge. Es ist in etwa zwei Uhr morgens und mit einem (oder auch zwei) kalten Bieren setzen wir uns auf Klappstühle und schauen auf das nächtliche Athen. Es ist unglaublich groß, und man sieht wie weitläufig die Stadt ist. Und so hell – ich finde die Lichter wunderschön, auch wenn man dadurch keine Sterne sehen kann.
Griechenland – und nun?
Mir hat meine Reise nach Griechenland unglaublich gut gefallen und ich vermisse das Land und seine Ruhe sowie seine Einwohner augenblicklich als ich in Köln in ein recht kaltes Deutschland zurückkehre. Mein Dank gilt besonders Nikos, Nikos und Stefanos, die sich so viel Zeit für mich genommen haben, um mir die Städte zu zeigen und sich mit mir über so viele Themen auseinanderzusetzen.
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