Es ist 7.00 Uhr morgens, wir sitzen im Auto und vertreiben uns die Zeit mit Kniffel-Spielen, bis das Tor der Fähre aufgemacht wird. Das Meer ist an diesem Tag ruhiger als sonst und es verspricht eine gemütliche Überfahrt zu werden. Innerhalb von drei Stunden Fahrt wechselt Neuseeland wie so oft seine Szenerie, als sei man in einem anderen Land. Traumhafte Strände und imposante Berge im Süden, Vulkane und felsige Küsten im Norden. Von den letzten Wochen in Wellington waren wir Wind und Regen gewöhnt, hier werden wir mit sommerlichen 30 Grad Celsius empfangen. Ein guter Start für den zweiten Teil unserer Reise und den zweiten Teil unserer Jobsuche.
Wenn Drähte zum Albtraum werden
Arbeit zu finden gestaltet sich wie immer schwierig, so viel Glück wie in Auckland hatten wir dieses Mal nicht und so telefonieren wir uns am Morgen durch zahlreiche Anzeigen, bei strömendem Regen und furchtbarer Internetverbindung. Ich wollte schon aufgeben, als wir von Martin, einem Hostelbesitzer, die Zusage bekommen. Euphorisch, dass es doch so schnell geklappt hat, stimmen wir zu. Dass das vielleicht ein Fehler war, wurde uns zwei Tage später bewusst. Wir fahren zum Hostel und bekommen unseren ersten Job – Drähte ziehen in den Reben. Da die Pflanzen an den Drähten der Sonne entgegen wachsen, muss der Draht von Zeit zu Zeit nach oben versetzt werden, das so genannte „wire lifting“. Wir sind für den „top lift“, also für die letze Stufe des Drahtziehens verantwortlich, der schwierigste Teil der Arbeit. Der Draht wird aus der Halterung genommen, abstehende Äste wieder eingeklemmt und von Brusthöhe auf Kopfhöhe angehoben. Es geht stets hinauf. Morgens um 6.30 Uhr geht es los. Wir arbeiten auf Vertrag, je mehr Reihen wir bearbeiten desto mehr Geld. Schaffen wir innerhalb eines Tages nicht den Mindestlohn von NZ $13,75, werden wir gefeuert. Mit dementsprechend weichen Knien starten wir, hören aber wegen Unwetter nach einer Stunde schon auf.
Für den zweiten Tag gelten die gleichen Regeln und das Wetter ist heute nicht auf unserer Seite. Es ist einer der heißesten Tagen in Blenheim, was die Arbeit im Freien nicht einfacher macht. Wir sind gefangen in der grünen Hölle. Irgendwie klappt es, wir testen unsere Grenzen immer weiter und kämpfen mit dem Gewicht der Pflanzen, aber es funktioniert. Wir beißen uns weiter durch, als Silas am Nachmittag unsere Chefin nach seiner Reihenzahl fragt, um sicher zu gehen, dass der Mindestlohn erreicht ist. Ich bin gerade in einer meiner Reihen und beobachte die Szene vom Weiten, als ich das Wort „gefeuert“ höre. Das man wegen einer berechtigen Frage gefeuert wird, hatten wir nicht gewusst. Anstandshalber mache ich meine Reihe zu Ende, komme ihr zuvor und kündige. Trotz Bitten und Betteln, ich solle doch bleiben, verlassen wir unseren ersten Arbeitsplatz.
Chance zwei bis vier
Wir fahren zum Hostel und bekommen unseren zweiten Job – Äpfelbäume auf einer Obstplantage ausdünnen. Die Arbeitsbedingungen hier sind um einiges besser, am ersten Tag wird uns ein Vertrag vorgelegt und das Anwesen gezeigt, unser „wire lifting“ Team durfte illegalerweise erst nach einer Woche den Vertrag unterschreiben – sie hatte nicht mehr genügend Kopien für alle. Eine Woche lang arbeiten wir mit tollen Leuten auf der Plantage, als ein Hagelsturm die Ernte zerstört und damit auch unsere Arbeitspläne. Wir laufen zurück zum Hostel und bekommen unseren dritten Job – Blätter rupfen in den Reben. Dieses Mal sind wir bei einem privaten Ehepaar zu Gast, sie ist Neuseeländerin, er Schweizer aus dem französischsprachigen Teil. Wegen eines Pilzbefalls müssen wir viele Früchte abnehmen und Blätter rupfen. Die Woche vergeht viel zu schnell und zwischenzeitlich sitzen wir auf der Terrasse ihres mediterranen Hauses und grillen. Es ist die neuseeländische Gastfreundlichkeit, die wir so lieben.
Irgendwann sind wir bei Peggy und JP, wie wir sie nennen durften, fertig, fahren zum Hostel und bekommen unseren vierten Job – Blätter rupfen bei Andrew, ihren Nachbarn. Andrew hatte uns während der einen Woche beobachtet und da er selbst einen Pilzbefall bei seinen Reben hat, wurden wir engagiert. Neun bis elf Stunden in der Sonne sind Standard, deshalb fangen wir schon um 6.00 Uhr an, um der größten Mittagshitze zu umgehen, doch zusammen mit Freunden macht die Arbeit umso mehr Spaß. Nach einem Monat beenden wir unsere Arbeit in Blenheim und fangen schnell wieder an zu reisen, in der Hoffnung, dass wir in Deutschland unsere Jobs nicht innerhalb von 30 Tagen vier Mal wechseln müssen. Herzlich willkommen im Arbeitsleben!
Schreibe einen Kommentar