Bekannt ist der heilige Martin vor allem für seinen Mantel, den er mit einem Bettler teilte. Dabei hat der Heilige noch mehr zu bieten. Über Jahrhunderte hinweg war und ist sein Gedenktag einer der wichtigsten Tage des Jahres.
Die Geschichte kennt auch heute noch beinahe jedes Kind: Der heilige Martin begegnet einem Bettler, der nichts zum Anziehen hat. Kurzerhand teilt der Soldat seinen Mantel und gibt eine der Hälften dem Bettler. Diese Geschichte wird immer wieder am 11. November, dem Gedenktag des Heiligen Martin, inszeniert: Da reitet Martin auf einem Pferd zwischen den Kindern, teilt den Mantel, gibt ihm den Bettler. Ein schönes Fest für die Kinder: Tagelang, manchmal auch über Wochen, werden Laternen gebastelt, die mit zu diesem Martinszug gebracht werden. Die Moral von der Geschichte: Man soll teilen, an andere, besonders aber an Arme denken.
Viele Heilige der Nächstenliebe
Interessant aber ist, dass gerade dieses Fest so stark gefeiert wird. Es gäbe sicherlich viele andere Personen und Heilige, an denen man kleinen Kindern den Wert des Teilens beibringen könnte: Etwa mit der heiligen Elisabeth von Thüringen. Die adlige Frau widmete sich der Krankenpflege. Das tat sie so intensiv, dass sie nach nur drei Jahren so ausgezehrt war, dass sie starb. Angeblich wollte sie den Kranken einmal Brot bringen, ihr Ehemann sah diese Wohltätigkeiten aber eher skeptisch. Er zwang sie, den Inhalt ihres Korbes vorzuzeigen – und der Legende nach verwandelten sich die Brote in Rosen. Gelebte Nächstenliebe also könnte auch an Elisabeth lernbar sein. Oder mit Franz von Assisi, oder gar mit der erst kürzlich heiliggesprochenen Mutter Teresa aus Kalkutta.
Martinstag: Gänse, Wein, Gebäck
Dass sich in Deutschland aber besondere Martinszüge durchgesetzt und bis heute gehalten haben, hat einen historischen Grund. Früher war es üblich, dass Christen nicht nur während der Fastenzeit fasteten, sondern auch in der Adventszeit vor Weihnachten. Diese begann dann nicht knappe vier Wochen vor Weihnachten, sondern bereits mit dem Martinsfest. Bis heute ist es üblich, vor dem Beginn der Fastenzeit noch einmal so richtig zu feiern: im Karneval, Fasching oder in der Fastnacht. Bevor mehrere Wochen der Enthaltsamkeit bevorstehen, isst man sich noch einmal richtig satt, feiert, trinkt Alkohol. Und genau so muss man sich im Mittelalter den Martinstag vorstellen: Da wurden Gänse und Gebäck gegessen, neuer Wein getrunken, Lieder gesungen.
Zusätzlich hatte der Martinstag eine große Bedeutung für das Leben der Menschen: An diesem Tag wurden Zinszahlungen fällig, Pachtverträge wurden geregelt, das Wirtschaftsjahr endete. Nicht zuletzt deshalb hat sich der Martinstag bis heute in Deutschland gehalten. Dazu dürfte auch die protestantische Praxis beigetragen haben. Während bei den evangelischen Christen im Vergleich zu den Katholiken die Heiligenverehrung eine untergeordnete Rolle spielt, war für sie der Martinstag auch wichtig: An diesem Tag wurde Martin Luther getauft. Zumindest beim Feiern des heiligen Martin war Deutschland konfessionell nicht so gespalten wie in anderen religiösen Fragen.
Erst Soldat, dann Bischof
Wer aber war nun dieser Martin? Martin wurde zu Beginn des vierten Jahrhunderts in Ungarn geboren, später wurde er Soldat und kam in das Gebiet des heutigen Frankreich. Dort trat er aus der Armee aus, um sich taufen zu lassen – Soldat und Christ sein war für die frühen Christen in den ersten Jahrhunderten äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich. In Frankreich wurde er Mönch, später auch Bischof der Stadt Tours. Für die Geschichte der Kirche ist besonders wichtig, dass Martin mehrere Klöster gegründet hatte. In der damaligen Zeit war das keine Selbstverständlichkeit, Mönche lebten meistens als Asketen oder Einsiedler und nicht in einer Gemeinschaft.
Über Jahrhunderte hinweg, bis heute, wird die Kirche wesentlich von Klöstern geprägt – eine Entwicklung, die so auch dem Martin zu verdanken ist. Das zeigt: Martin auf den netten Mann zu reduzieren, der seinen Mantel teil, wird ihm wohl nicht ganz gerecht. Und doch ist diese Geschichte beeindruckend. Mal ehrlich: Wer würde einem Obdachlosen mitten im Winter seine eigene Jacke geben? Oder heute vielleicht eher sein Smartphone? Teilen mag in einem gewissen Rahmen eine Selbstverständlichkeit sein. Martin aber hat nicht etwas geteilt, von dem er genug hatte. Er hat seinen Mantel geteilt, vermutlich den einzigen, den er hatte, an einem kalten Tag, in einer kalten Nacht. Teilen, wenn man selbst nicht genug hat, ist also keine Selbstverständlichkeit. Und kann wohl auch von niemandem verlangt werden. Aber dann trotzdem zu teilen, von dem Wenigen zu geben, das man hat – das ist vielleicht ein Zeichen von Heiligkeit.
Dieser Beitrag wurde finanziell möglich gemacht durch das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg. Schaut Euch auch die Homepage an: http://institut-walberberg.de/index.php?cID=1
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