Scheitert eine Beziehung, bevor sie richtig begonnen hat, bleiben viele Fragen offen: Wurde etwas Gutes verschenkt? Haben wir vorschnell entschieden? Hätten wir miteinander glücklich werden können? Wie soll jemand nach vorne blicken können, wenn noch so viele Fragen aus der Vergangenheit unbeantwortet sind?

„Ich möchte gerade keine Beziehung“, „Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich mich noch ausleben“, „Sorry, das wird mir alles zu eng. Momentan muss ich mich auf meine Karriere konzentrieren.“ Als Frau mit einem überwiegend weiblichen Freundeskreis sind diese Sätze kein Einzelfall. Sie gehören zu fast jedem Mädelsabend genauso dazu wie das Schirmchen im Cocktailglas. Mit Sicherheit geht es den Männern der Schöpfung oft nicht anders, doch darüber sollten auch lieber Männer urteilen. An sich könnte gesagt werden, dass der Zustand „Fastbeziehung“ eine ganz normale Entwicklung sei und was zusammen gehört, schon noch zusammen finden wird. Doch was, wenn genau das nicht der Fall ist? Wenn die schönsten Beziehungen gar nicht erst zu Stande kommen, weil immer nach etwas Größerem, nach „mehr“ gesucht wird? Nach einer Perfektion, die vielleicht gar nicht existiert?
Besser, schneller, weiter: Bloß nichts verpassen!
Dating in einem Zeitalter, in dem Personen durch Apps wie in einem Katalog zur Schau gestellt und neue potenzielle Sexual- und Lebenspartner schneller und einfacher kennengelernt werden können als jemals zuvor, bringen automatisch auch Nachteile mit sich. Viel Auswahl ist eben nicht immer besser. Sie verleitet eher zu immer steigenden Ansprüchen und dem Gefühl, etwas verpassen zu können. Die Langzeitstudie Pairfam ermittelte, dass viele Beziehungen vor allem an zu hohen Erwartungen an den Partner und die gemeinsame Beziehung scheitern. Anstatt sich an all den Faktoren zu erfreuen, die mit dem Anderen harmonieren, wird sich lieber auf die paar negativen Aspekte fokussiert. In der großen, weiten Welt könnte schließlich eine Person warten, die noch einen Funken besser zu einem passt. Dass es vielleicht schon ein großes Glück war, jemanden zu finden, mit dem es viele Überschneidungspunkte gibt, kommt einigen wohl gar nicht mehr in den Sinn.
Früher ließ die Frau ein Taschentuch fallen, der Mann hob es auf und schon wurde zeitnah geheiratet. Mittlerweile fühlt es sich mehr nach „Wir benehmen uns jahrelang wie ein Paar, sehen uns regelmäßig, adoptieren drei Hunde, fahren in den Urlaub, sind verrückt nacheinander, aber natürlich trotzdem nicht zusammen“ an. Immerhin würde eine Beziehung Verpflichtung bedeuten sowie das Risiko, verletzt zu werden, und wer will das schon? Also wird lieber eine meterhohe Mauer aufgebaut, gegen die nicht mal der beste Presslufthammer eine Chance hat. Geschweige denn eine Person, die es doch eigentlich wirklich ernst meint und nichts Böses im Sinn hat.
Wir hatten doch noch so viele Pläne …
Wird eine Beziehung zu früh beendet, oder kommt aus den unterschiedlichsten Gründen gar nicht erst zu Stande, obwohl zwischen beiden Personen eindeutig Gefühle im Spiel sind, tut das weh. Besonders für die Person, die diese Entscheidung nicht getroffen hat. Was bleibt sind viele Erinnerungen und vor allem auch die Vorstellungen einer Zukunft, die nun nie realisiert wird. Gemeinsame Trips, die eigentlich schon geplant und für immer mit Person X in Verbindung gebracht werden, werden nie zustandekommen. Geschenke, die für bestimmte Anlässe geplant waren, werden plötzlich nicht mehr benötigt und alle noch so kleine Ideen für die Zukunft stehen plötzlich auf dem Abstellgleis. Ihr wolltet eigentlich nochmal in das leckere spanische Restaurant, oder noch eine Therme, ein Land oder ein Konzert besuchen? All das wird nie geschehen. Stattdessen treffen einen die kleinsten Erinnerungen. Ein Pulli, den ihr mit der Person verbindet, ein Getränk, bei dem ihr wisst, dass er es gerne getrunken hat, oder eine simple Musikrichtung, die ihr ganz schrecklich findet und X aber geliebt hat. Die kleinste Kleinigkeit zerrt einen plötzlich wieder in die Vergangenheit. Einen Ort, an den man auf der einen Seite gar nicht mehr sein möchte und auf der anderen Seite aber der einzige ist, an dem noch alles in Ordnung war.
Illusionen
Wir tendieren auch oft dazu, eine Person oder eine Beziehung im Nachhinein zu verherrlichen und besser zu reden, als sie wirklich war. Vielleicht müssen wir uns auch eingestehen, dass die andere Person uns nicht die Gefühle entgegen gebracht hat, wie wir es uns wünschen, oder das sie zumindest schlichtweg nicht reichen. Genauso sollten wir uns auch die Eigenschaften ins Gedächtnis rufen, die uns gestört und nicht gut gepasst haben. Person X auf einen Sockel zu stellen hilft nichts.
Love should never be just fine
„Es war doch alles okay zwischen uns“, ist eine sehr häufig getätigte Aussage nach einem Beziehungsende, die sich im ersten Moment positiv anhört und es doch gar nicht ist. Sollte Liebe nur „okay“ sein? In einem Song der Sängerin Michelle Poole heißt es „Love is never what you think, but it should be this incredible thing. Love should never feel just fine.” Und vielleicht ist genau das die Wahrheit. Vielleicht geben wir uns mit intensiven Gefühlen der falschen Beziehung hin, beziehungsweise stellen uns mit zu wenig zufrieden. Nicht, weil wir immer etwas Besseres wollen, sondern, weil wir gar nicht so glücklich waren, wie wir es uns gerne einreden. Vielleicht liegt es auch manchmal wirklich nur am falschen Zeitpunkt. In Pooles Lied heißt es weiter: „See there is nothing right about the story. We meet in a confusing time. Maybe there is something missing to the glory, but well, I thought we could be doing fine. I could change my point of view and than I ll see. You were never mine.” Neben dem Aspekt, dass Liebe weitaus mehr als “okay” sein sollte, müssen wir uns vielleicht auch mit der traurigen Wahrheit anfreunden, dass es der falsche Zeitpunkt gewesen sein könnte, die Gefühle nicht groß genug waren, oder aber der Andere nie wirklich zu uns gehört hat und wir das nur zu sehr wollten.
Sei kein Polarbär!
Vielleicht ist das Gefühl, nie zu wissen, was man hätte sein können, fast schlimmer als das Wissen, woran es gescheitert ist. So wird sich die Frage, ob zwei Menschen als Paar hätten funktionieren können, schließlich nie beantworten lassen. Sollten wir manchmal mehr wagen? Einfach ins kalte Wasser springen und es probieren, anstatt aus Zweifeln und Ängsten eine Chance verstreichen zu lassen, die uns die Möglichkeit hätte geben können, wirklich glücklich zu sein? Oder sollten wir dem Ganzen gar eine zweite Chance geben?
Nie die Gelegenheit bekommen zu haben, sich als Paar zu entdecken, tut weh und es ist völlig in Ordnung, darüber traurig zu sein. Genauer genommen zeigt es nur, dass wir Menschen mit Gefühlen und keine eiskalten Polarbären sind, die nur an sich denken. Vor allem sollte sich eins bewusst gemacht werden: Jeder von uns hat eine Person verdient, die uns liebt und jemand, der sich gegen uns entscheidet oder aus den verschiedensten Gründen keine feste Beziehung eingehen möchte, hat uns schlichtweg nicht verdient. Das klingt vielleicht einfach gedacht, aber es ist genau so.
Wer vermisst, der meldet sich
Denn sind wir mal ehrlich: Würde dich die andere Person genauso vermissen wie du sie, dann würde sie sich melden. Sofern du nicht deine Adresse und deine Handynummer gewechselt sowie alle sozialen Netzwerke gelöscht hast, ist es im heutigen Zeitalter ein Kinderspiel, jemanden zu kontaktieren. Während du dir Gedanken darüber machst, ob der Abstand zwischen euch ihm vielleicht gezeigt hat, dass die „ Trennung“ doch ein Fehler war, ist er vielleicht schon munter auf Dating-Apps unterwegs oder hat dich einfach ausgetauscht. Und während du dich unfassbar zusammenreißen musst, um ihm nicht zu schreiben, verschwendet er keine Sekunde an dich. Es hört sich hart an und in seltenen Fällen mag es andere Gründe geben, aber oft ist es einfach der Fakt, dass er sich nicht melden will. Er will dich nicht zurück und er empfindet nicht wie du. Würde er das, dann würde sein Klingelton aus deinem Handy ertönen und sein Name dort stehen und sei es nur, um nach ein paar Monaten zu erfahren, wie es dir geht. Nicht schreiben ist leider sehr eindeutig. Und würde er dich als Mensch schätzen, würde nach einiger Zeit vielleicht zumindest einmal eine Nachricht kommen, wie es dir geht und dein Leben verläuft. Einfach aus Interesse, weil du ihm trotz allem nicht egal bist.
Die richtige Person zur falschen Zeit?
Spätestens nach Dornröschen, die in einen hundertjährigen Schlaf fallen kann und doch in genau dem richtigen Moment vom Prinzen wachgeküsst wird, hat wohl jedes junge Mädchen die romantische Vorstellung, dass es den falschen Zeitpunkt gar nicht geben kann. Doch vielleicht gibt es ihn leider doch. Das richtige Timing macht wohl mehr aus, als wir oft einsehen wollen. Vielleicht treffen Menschen die Liebe ihres Lebens und hängen in dem Moment noch an einer anderen Person. Beide befinden sich an ganz anderen Punkten in ihren Leben, stellen sich das Leben zu unterschiedlich vor, konzentrieren sich in erster Linie auf die Karriere oder wollen sich nicht fest binden. Oft heißt es, dass große Gefühle alles bewirken können, aber in der Realität sieht es wohl doch anders aus.
Manchmal brauchen Beziehungen einfach Zeit, um sich zu entwickeln. Auch ohne den Anderen. Vielleicht zeigt diese Zeit, dass der Schlussstrich das Beste war, was einem passieren konnte, oder aber auch, dass es damals einfach wirklich nur der falsche Zeitpunkt war. Leider können ein schlechtes Timing und falsche Entscheidungen etwas Wunderbares zerstören oder im Keim ersticken, bevor es wachsen kann. Doch wenn es wirklich sein soll, findet ihr eines Tages wieder zusammen und werdet glücklich.Unabhängig davon, was zwischen euch passiert ist oder ob zwischenzeitlich andere Partner eine Rolle gespielt haben. Vielleicht zeigt die Zeit aber auch, dass eine andere Person viel besser passt.
Schau nach vorn und zeig der Welt, wer du bist
Lebe dein Leben und schau mit offenen Augen, was und wen die Welt dir langfristig noch zu bieten hat. Sollten sich eure Wege noch einmal kreuzen oder er sich melden, kannst du dann immer noch entscheiden, ob du euch noch eine Chance geben möchtest. Warte aber nicht darauf. Trauern ist richtig und verständlich, aber langfristig ist es wichtig, wieder nach vorne zu blicken. Es geht um dich! Es geht um dein Leben und da draußen wartet bestimmt ein toller Mann auf dich, bei dem du dich nicht fragen musst, was ihr hättet sein können, weil er es dir zeigen wird. Also sei nicht traurig, reiß dich zusammen und zeig der Welt, was du zu bieten hast und wer du bist!
Vielen Dank für den wertvollen Artikel. Es ist traurig, wenn zwei Menschen zu früh auseinander gehen, die eigentlich echte Gefühle für einander empfinden. Mir fällt immer wieder auf, dass viele junge Menschen vorschnell eine noch junge Beziehung abbrechen. Ganz generell ist das Vertrauen in einer gestörten Beziehung sehr schwer wieder neu aufzubauen. Vorausgegangen sind meist schwerwiegende Vertrauensbrüche, und die wieder aus der Welt zu schaffen ist nicht so einfach. Beispiele für das zerstörerische Verhalten in Beziehungen ist das Fremdgehen oder das Verheimlichen von Schulden oder anderen gravierenden negativen Umständen. Diese Dinge empfindet der betrogene Partner als sehr schmerzlich. Betroffen sind ja meist sehr sensible Bereiche im Miteinander von zwei Menschen. In meinem Umfeld gibt es dennoch Paare, die trotz jahrelangen und dramatischen Fehlschritten durch einen der beiden Partner einen Neuanfang wagen wollen. Sie trauen sich, diesen Schritt zu gehen. Und das bedeutet, viel Mut dazu aufzubringen. Sich und dem anderen eine zweite und neue Chance zu geben bedeutet, wieder von vorne anzufangen. Dafür muss man aber das Alte hinter sich lassen. Neues Vertrauen entsteht nur, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind. Die alten Fehler sollen sich schließlich nicht wiederholen. Man will nicht dasselbe nochmals erleben. Das wäre eine komplette Niederlage für beide. Aber so leicht lässt es sich nicht vergeben und vergessen. Viele Gespräche und die Vermittlung der eigenen Erlebnisse und Verletzungen, Verständnis für entstandene Emotionen, machen es erst möglich, das Geschehene zu verarbeiten. Oft kann ein Therapeut helfen, die richtigen Worte und Formulierungen zu finden, die beiden im Gespräch sich wieder näher zu bringen. Beide Partner können danach langsam wieder beginnen, sich vertrauensvoll zu begegnen. Die Sensibilität gegenüber möglichen neuerlichen Fehltritten bleibt oft noch einige Zeit bestehen. Es ist aber wichtig, dem anderen nicht ständig wieder neues Misstrauen bei allen möglichen Anlässen entgegenzubringen. Das erfordert eine gewisse Disziplin. Denn es kommen mit Sicherheit immer wieder mal wieder die alten Emotionen hoch, die dann wieder zu Vorwürfen etc. verleiten. Neues Vertrauen in einer Partnerschaft kann nur entstehen, wenn die Vorbehalte gegenüber dem anderen keine Rolle mehr spielen. Das ist eine wichtige Basis für einen neuen harmonischen und liebevollen Umgang miteinander. Ist das gelungen, steht der zweiten Chance in einer Beziehung kaum noch etwas im Wege.