Bisher stand IOC-Präsident Thomas Bach einer Integration von E-Sports in den olympischen Sport scheinbar positiv gegenüber. In seinem jüngsten Interview nahm er überraschend großen Abstand von dieser Idee – und lässt damit kurz den eigentlichen Sinn der Strategie aufblitzen.

„Wir können bei Olympia keine Spiele haben, die Gewalt oder Diskriminierung fördern.“ Mit diesem Satz hat der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Thomas Bach in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP einem großen Projekt wohl vorerst den Riegel vorgeschoben: E-Sports bei den Olympischen Spielen. Genau dieses Projekt fand bei den Asian Games dieses Jahr das erste Mal demonstrativ statt. In vier Jahren, also bei den Spielen in Hangzhou, China, sollte es in das olympische Programm aufgenommen werden – bis jetzt.
Die Hauptargumente Bachs sind die sogenannten „Killerspiele“. Sie seien mit den olympischen Werten nicht vereinbar und deswegen inakzeptabel. Dass am 27. August ein Mann in Jacksonville, USA, zwei Menschen und sich selbst auf einem E-Sports-Turnier erschoss, hatte Bach bei dieser Aussage sicher nicht vergessen. Kleine Anmerkung: Bei diesem Turnier handelte es sich um das Spiel „Madden NFL“, eine Football-Simulation also.
Dass Gewalt einen wesentlichen Teil der Olympischen Spiele ausmacht, ist nicht abzustreiten. Thomas Bach, selbst jahrelanger Sportler, dürfte das sehr gut verstehen. Immerhin ist er olympischer Goldmedaillen-Gewinner im Florett-Fechten – eine Sportart, in der es darum geht, seinen Kontrahenten mit einem Schwertstich zu treffen. „Natürlich hat jede Kampfsportart seinen Ursprung in der echten Welt“, sagt er. „Aber wenn es um E-Sport-Spiele geht, in denen Menschen erschossen werden, können wir das nicht mit unseren Olympischen Werten vertreten.“
Damit wären also Spiele wie „Counter-Strike“ ausgeschlossen, andere populäre Games wie „League of Legends“ ständen auf der Kippe. Das hätte Thomas Bach aber doch schon vorher ahnen können, oder? Warum dann überhaupt versuchen, E-Sport für Olympia zu begeistern? Na wegen dem „Sport“ natürlich.
Bereits vergangenes Jahr war Bach sehr euphorisch, wenn es um den „richtigen“ Sport ging, nur eben auf dem Bildschirm. „Wenn jemand virtuell Fußball oder Basketball spielt, dann finden wir das sehr interessant“, sagte der IOC-Präsident. „Wenn die Fans dann den Sport auch noch in Wirklichkeit spielen, wären wir noch glücklicher“. In diesem Satz steckt wahrscheinlich mehr Wahrheit, als Bach überhaupt lieb ist. Dass das Olympische Komitee seit Jahren versucht, ein breiteres und vor allem jüngeres Publikum zu erreichen, lässt sich an den neuen Disziplinen klar ablesen: Freestyle-Snowboarding und -Skiing, 3×3-Basketball oder auch Bouldern. Und eben E-Sports.
Es ging von Anfang an nicht darum, E-Sports in das olympische Programm zu integrieren, sondern darum, jüngere Zuschauer für den olympischen Zirkus zu begeistern. Es war nie die Absicht Bachs, der immer stetig anwachsenden E-Sport-Branche Respekt zu zollen, für das was sie ist. Er wollte sie als Mittel zum Zweck. Und nun biegt er sich diese Disziplin so hin, wie es ihm gefällt. Virtuelle Spiele? Nein! Virtueller Sport? Ja!
Videospiele sind nur dann vorzeigefähig, wenn sie „richtigen“ Sport simulieren. Nicht, wenn sie eigene Welten und Regeln erschaffen, um sich darin zu messen.
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