Eine Frage, die so alt ist wie der Gottesglaube: Warum tut Gott nichts gegen das Leid in der Welt? Diese Frage stellt sich auch Benedikt Bögle.
Mose befindet sich an einem Wendepunkt seiner Biografie, die Lesung des dritten Fastensonntags erzählt davon (Exodus 3,1-8a.10.13-15). Außergewöhnlich war schon der bisherige Lebenslauf: Als Sohn einer jüdischen Familie wurde Mose vor dem durch den Pharao verordneten Exekutionskommando gerettet und gelangte in die Hände der Tochter eben jenes Pharaos. Sie zieht das kleine Baby als ihr eigenes Kind groß. Irgendwann erfährt Mose dann doch von seiner wahren Herkunft: Er gehört zum Volk Israel. Einst waren sie vor dem Hunger im eigenen Land nach Ägypten geflohen, dort auch geachtet gewesen. Dann aber schlägt die Stimmung um. Die Fremden werden ausgegrenzt und zur Sklavenarbeit gezwungen.
Gott begegnet dem Mörder
Eines Tages sieht Mose, wie ein Ägypter einen Juden schlägt – und gerät in Rage. Er schlägt den Ägypter tot, wird zum Mörder und muss fliehen. Er heiratet und dient seinem Schwiegervater als Schafshirte. Bei der täglichen Arbeit sieht er einen Dornbusch, der zwar brennt, aber nicht verbrennt. Mose wundert sich, kommt näher und hört die Stimme Gottes aus dem Dornbusch. Gott sagt. „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid.“
Was folgt, ist eine der spektakulärsten Geschichten der Weltliteratur, wie zahlreiche Verfilmungen beweisen: Zehn Plagen kommen über das ägyptische Volk, bis der Pharao die Israeliten gehen lässt. Nur kurz später besinnt er sich und setzt mit seinem Heer dem fliehenden Volk nach. Die Israeliten sind eingekesselt: vor ihnen das Meer, hinter ihnen die Armee. Da teilt Got das Meer, lässt die Israeliten trockenen Fußes durch das Meer ziehen und die Ägypter ertrinken. 40 Jahre später gelangen die Israeliten dann endlich in das von Gott versprochene Land.
Was tut Gott gegen das Leid?
Gott also hat geholfen. Er hat eingegriffen, als er das Leid seines Volkes sah. Und heute? Wie viele Menschen hungern und verhungern, sterben unschuldig durch Krieg, Terror und Naturkatastrophen. Wie viele Menschen leben noch heute in der Sklaverei, werden wegen ihrer Religion oder Meinung verfolgt? Und Gott tut nichts. Er schweigt und greift nicht ein. Wie kann das sein? Diese Frage ist Jahrtausende alt, explizit wurde sie schon in der Antike formuliert: Wie kann Gott gut und allmächtig sein, aber nichts gegen das Leid tun? „Theodizee“ heißt diese Frage im Fachjargon. Wenn Gott gut ist, aber nichts gegen das Leid unternimmt, scheint er doch nicht allmächtig zu sein. Der gute Wille scheitert an seinen Grenzen. Wenn er aber allmächtig ist und nichts gegen das Leid tut, ist er wohl nicht gut. Er will einfach nicht. Beide Varianten zerstören das Bild, das wir von Gott haben.
Gott: Gut und allmächtig?
In der Philosophie- und Religionsgeschichte wurden schon viele Lösungsansätze entworfen. Vielleicht am überzeugendsten: Gott respektiert den freien Willen aller Menschen. Man kennt da ja auch von Kindern: Wer seinem Kind ein Fahrrad schenkt, muss mit der sehr wahrscheinlichen Möglichkeit rechnen, dass das Kind einmal stürzt, sich verletzt und weint. Es leidet. Vor diesem Leid zu bewahren, würde aber für die Eltern bedeuten, das Kind in einen goldenen Wattekäfig zu sperren. Es wäre nicht mehr frei. So sei es auch mit Gott: Er achtet den freien Willen des Menschen. Im Ergebnis verletzt der sich selbst und andere.
Da ist etwas Wahres dran. Aber gleichzeitig: Müsste das nicht irgendwo eine Grenze haben? Müssten nicht Holocaust, Völker- und Massenmorde Grenzen dieser menschlichen Freiheit sein? Wie kann Gott das mit ansehen? Die Antwort kann nicht einfach ausfallen. Die Botschaft des brennenden Dornbusches: Gott sieht das Leid nicht nur, sondern hat auch Mitleid. Wenn Jesus Christus, Sohn Gottes, am Kreuz stirbt, leidet er selbst mit und für die Menschheit. Vielleicht ist das die Antwort.
Schreibe einen Kommentar