Das selbstfahrende Auto ist längst kein futuristisches Hirngespinst mehr. Im Silicon Valley arbeitet man stetig an dieser Technologie weiter. Selbst in deutschen Städten testet man das automatisierte Fahren bereits. Doch ist diese Fortbewegungsart überhaupt wünschenswert?

Oft wird in der Diskussion über selbstfahrende Autos nicht vom automatisierten, sondern vom autonomen Fahren gesprochen. Dies entbehrt nicht einer gewissen Komik. Denn der Mensch gibt in dem Moment, in dem er ein solches Fahrzeug nutzt, seine Autonomie ab. Er wird fremdgesteuert befördert. In Wahrheit bedeutet das autonome Fahren also eigentlich, gänzlich abhängig von seinem eigenen Auto und einer funktionierenden Technik zu sein.
Der Begriff ist andererseits natürlich insofern richtig, als dass das Fahrzeug sich autonom – also selbstständig – bewegt. Im Mittelpunkt steht bei dieser Wortwahl aber folglich nicht der Mensch, sondern die Maschine. Nur aus Sicht des Fahrzeugs ist der Begriff „autonomes Fahren“ zutreffend. Eine merkwürdige Wahl der Perspektive.
Ist die Programmierung autonomer Autos ethisch vertretbar?
Man stelle sich vor: Auf einer zweispurigen Straße befänden sich Personen – links ein älteres Ehepaar, rechts ein spielendes Kind. Neben der Straße geht es einen tiefen Abhang hinab. Da sich die Personen hinter einer Kurve befinden, erkennt das selbstfahrende Auto sie erst spät und bemerkt sofort, dass es nicht mehr rechtzeitig bremsen kann, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Wie soll es nun reagieren? Nach links ausweichen und die beiden Senioren überfahren? Geradeaus das Kind erfassen? Oder einfach den Fahrer opfern und den Abhang hinunterfahren?
Käme ein Autofahrer heute in eine solche Situation, könnte er womöglich gar nicht schnell genug reagieren, um sich derartige Fragen zu stellen. Wenn doch, würde wohl niemand gerne in seiner Haut stecken. Noch abwegiger wird es aber, wenn nun das Auto, also eine Maschine, buchstäblich über Leben und Tod entscheiden soll. Im Silicon Valley denkt man über eine solche Programmierung von selbstfahrenden Autos nach. Im konkreten Beispiel würde möglicherweise der Insasse geopfert, da das Ehepaar zu zweit und das Kind selbstverständlich viel zu jung ist.
Das Fahrzeug sollte aber eigentlich gar keine ethischen Entscheidungen fällen. Es sollte bestenfalls ausweichen und wenn dies nicht möglich sein sollte, eine Vollbremsung durchführen. Das wäre eine Programmierung, die keinen Unterschied zwischen den gefährdeten Verkehrsteilnehmern zuließe. Eine ethische Entscheidung steht der Maschine, aus meiner Sicht, nicht zu. Schließlich ist sie auch gar nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar, das jedem Menschen eine unveräußerliche Würde zugedenkt. Diese Würde ist in ihrem Wert weder relativierbar noch quantifizierbar. Zwei Würden sind nicht mehr als eine und jede einzelne besitzt den gleichen unermesslichen Wert.
Die Herrschaft der Fahrradfahrer
Schon jetzt stellen Fahrradfahrer in vielen Städten die größten Verkehrs-Rowdys dar. Das gilt natürlich nicht für alle Fahrradfahrer, aber es gibt ziemlich Waghalsige unter ihnen. Sie wechseln zwischen Straße und Gehweg hin und her und benutzen Zebrastreifen oder Fußgängerampeln nach Lust und Laune. Ganz nach dem Motto: Grünes Licht gewinnt, wer bremst, verliert. Wie soll das erst werden, wenn ein Fahrradfahrer durch die neue Technologie nicht einmal mehr fürchten muss, bei seinen riskanten Aktionen übersehen zu werden? Das selbstfahrende Auto registriert alles und bremst zuverlässig. Es ist toll, dass zumindest im Stadtverkehr niemand mehr Angst haben müsste, überfahren zu werden, aber ein Missbrauch dieser Sicherheit ist dabei vorprogrammiert.
Ein weiteres Szenario könnte folgendermaßen aussehen: Ein paar Fußgänger könnten mit einer Sitzblockade eine ganze Kreuzung lahmlegen. Niemand würde etwas unternehmen. Oder bist du schon einmal aus einem Taxi oder einer Straßenbahn ausgestiegen, um anderen Verkehrsteilnehmern mit einer Strafe zu drohen, sollten diese nicht bereit sein, die Straße frei zu machen? Wer nicht selbst fährt, fühlt sich auch nicht für das Verkehrsgeschehen zuständig. Ein reibungsloser Straßenverkehr könnte angesichts dieser Probleme nur durch ständige Überwachung sichergestellt werden. Es würden dann ähnliche Zustände, wie in China herrschen, wo moderne Technik jede Bewegung registriert und auf diese Weise jedes Vergehen geahndet wird. In einem solchen Überwachungsstaat würden wir uns peinlich genau an alle Verkehrsregeln halten. Doch mit jeglichem Datenschutz wäre es dann vorbei.
Wofür eigentlich weiterhin Autos?
Man muss sich fragen, ob das Auto auf lange Sicht nicht insgesamt ein Auslaufmodell ist. In der Stadt ersetzt es die Straßen- oder U-Bahnen, um dann acht Stunden nutzlos vor der Arbeitsstelle herumzustehen. Carsharing ist da eine echte Alternative zum Privatwagen. Auch längere Distanzen sind mit dem Zug oft sogar schneller zu bewältigen als mit dem Pkw. Wozu sollte ich dann überhaupt ein selbstfahrendes Auto nutzen, wenn ich im Zug doch sogar befördert werde, ohne selbst fahren zu müssen?
Mit einem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel lässt sich eine Menge Autoverkehr einsparen. Kranken- und Feuerwehrwägen wird es weiterhin geben, genauso wie Polizeiautos. Hier geht es um Flexibilität. Aber müssen sie selbstfahrend sein? Wozu ein Fortbewegungsmittel revolutionieren, dass – auch angesichts des Klimawandels – keine rosige Zukunft haben dürfte? Das selbstfahrende Auto schafft statt großen Vorteilen leider nur viele neue Probleme. So wird die einstige Utopie zur Dystopie.
Nehmen wir dein Beispiel zu Beginn. Warum gehen wir der Entscheidung aus dem Weg? Weil es leichter ist? Es muss doch jeweils aus Sicht der Gesellschaft als Gesamtes und des Staates eine richtige Entscheidung in diesem Fall geben, auch wenn es schwierig. Warum sollten wir diese – für die jeweilige Einheit – richtige Entscheidung nicht vorprogrammieren? Das Ergebnis wird doch besser sein, als die Realität, die sicherlich in diesem Fall eher durch Reflexe bestimmt ist.
Die weiteren Bedenken kann ich durchaus verstehen.
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich bin keinesfalls der Meinung, dass wir – gesetzt, das selbstfahrende Auto komme doch im großen Stil – uns vor dem Dilemma der ethischen Programmierung drücken sollten. Ich gebe im Artikel an, eine sinnvolle Programmierung sei für mich das Ausweichen nach links, wenn das nicht möglich ist, nach rechts und ansonsten eine Vollbremsung. Dabei ist es egal, wer sich auf der Fahrbahn befindet. In gewisser Weise ist auch diese Programmierung eine ethische. Sie folgt der sogenannten Deontologie. Sie geht im weitesten Sinne auf Kant zurück, der den Menschen als Zweck seiner selbst (nie bloß als Mittel!) ansieht. Daraus folgt der Begriff unserer Menschenwürde. Dabei besitzen zwei Leben nicht mehr Wert als eines. Die Regel lautet hier: Man darf Menschenleben nicht gegeneinander aufwiegen. Im angloamerikanischen Raum ist allerdings geschichtlich eher der Utilitarismus in Mode. Dabei wird – vereinfacht gesagt – das größtmögliche Glück für möglichst viele betrachtet. Müssen zwei Menschen sterben, ist das Unglück doch viel größer, als stürbe einer. Hier beginnt aber auch die Schwäche dieser Ethik: Was ist, wenn die zwei Personen gar keine Angehörigen haben, die eine Person aber eine riesige Familie? Womöglich haben dafür die zwei Personen aber viel mehr Freunde. Wie hole ich aus dieser Situation jetzt das größtmögliche Glück heraus? Auch das Überfahren des Kindes stellt ein Problem dar: Wenn es womöglich eine Erbkrankheit hat und sowieso bald sterben wird, darf man es dann opfern? Diese Hintergründe sind für das Auto, ja selbst für einen Menschen nicht abschätzbar. Die Diskussion überhaupt über eine solche ethische Programmierung, die Todesurteile fällt, ist hochgradig pervers. Daher nochmals: erst rechts, sonst links, ansonsten Vollbremsung.
Von Utopie zur Dystopie, am schönsten fährt sich´s im VW-Bully.
Der Spaßfaktor beim Autofahren wird auch in Zukunft die Innovationsfähigkeit des Menschen befeuern und für alternative Antriebslösungen sorgen. Selbstbestimmt fast überall hinfahren zu können ist ein Urtraum der Menschheit und hat direkt mit dem Gefühl der persönlichen Freiheit zu tun und die wird auch im Zeitalter von Digitalisierung und KI für aufgeklärte Bürger wichtig sein. Sicherlich braucht es neue Verkehrskonzepte, aber die Konsumenten werden im Zweifel darüber entscheiden.