Nach Jahren der Transferrekorde in den großen Fußballligen Europas droht vielen Vereinen ein finanzieller Kollaps und damit ein Ausverkauf ihrer besten Spieler. Mithilfe dieser fünf Transfer-Tipps können Vereine auch in der nächsten Saison, trotz Corona, ein starkes Team aufstellen!

Im Sommer 2017 wechselte der brasilianische Nationalspieler Neymar Jr. für die bis dato unvorstellbare Ablösesumme von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain. Nicht nur für Experten stellte dies einen Wendepunkt im Weltfußball dar. Freiburgs Trainer, Christian Streich, gab als Reaktion darauf eine legendäre Pressekonferenz, in welcher er philosophierte: “Der Gott des Geldes wird immer größer und irgendwann verschlingt er alles. Aber die meisten werden es erst merken, wenn alles verschlungen ist.“
Dabei ist Neymar nur die Spitze des Eisbergs, denn die ehemals magische 100-Millionen-Grenze wurde bis 2013 nicht überschritten. Doch seit dem historischen Transfer des Walisers Gareth Bale, von Tottenham Hotspur zu den Königlichen aus Madrid, wurde die Grenze ganze acht (!) Mal überschritten. Gerade Vereine, die alter Größe und Glanz nachtrauern, neigen oft dazu astronomische Summen zu bezahlen, etwa Manchester United oder der FC Barcelona. Die Superstars der Post-Messi-Ronaldo-Ära stehen bereits in den Startlöchern für neue Rekordsummen. Welcher Verein würde nicht an seine finanziellen Grenzen gehen, wenn der Transfer eines Jadon Sancho, Erling Haaland oder Kylian Mbappé den Sieg in der Königsklasse zu versprechen scheint?
Durch die Corona-Krise sind nicht nur kleinere Vereine, sondern auch namhafte Klubs wie der FC Schalke 04 in große finanzielle Schwierigkeiten gekommen. In der nächsten Saison müssen viele Verantwortliche daher neue, z.T. unkonventionelle Wege finden, um die sportliche Leistungsfähigkeit ihrer Mannschaft zu sichern, ohne auf Beträge wie in den Vorjahren zurückgreifen zu können. Um Hasan Salihamidžić, Fredi Bobic, Jochen Schneider und Co. ein paar Inspirationen zu geben, werden in diesem Artikel fünf Tipps für den „Corona-Transfermarkt“ vorgestellt.
1. Der Königsweg: Talente fördern!
Der beste Weg für alle Vereine ist einfach und kompliziert zugleich. Die Förderung der Jugend ist für manche Vereine wie den SC Freiburg oder den 1. FSV Mainz 05 ein Geschäftsmodell und damit überlebenswichtig. Junge, talentierte Spieler selbst ausbilden oder einkaufen und fördern, um sie anschließend mit Gewinn an größere Clubs zu verkaufen, gehört zum Alltag der Clubs. In manchen Fällen sogar zu deren Identität wie im Falle der sog. „Knappenschmiede“ auf Schalke. In den vergangenen drei Jahren spülten alleine die Spieler Jean-Philippe Gbamin, Abdou Diallo und Jhon Cordoba über 70 Millionen Euro in die Mainzer Kassen – genug Geld für einen soliden Etat und Investition in neue Toptalente. Das Ausbildungsmodell trägt auch in Dortmund reife Früchte, mit dem Unterschied, dass der BVB in Ausgaben und Einnahmen mindestens eine Stufe über den oben genannten Clubs agiert.
Die Abstufung zu einem „Ausbildungsverein“ trifft bei vielen Anhängern auf taube Ohren. Wie erfolgreich Mannschaften sind, die Talenten mehr Chancen geben und auf langfristigen statt kurzfristigen Erfolg setzen, zeigt das Beispiel des FC Chelsea. Aufgrund mehrerer Verstöße gegen die Regelungen zur Verpflichtung jugendlicher Spieler wurden die Londoner für eine Transferperiode gesperrt. Der Verein war also gezwungen, statt der üblichen Superstars junge Spieler aus der eigenen Jugend spielen zu lassen – mit großem Erfolg! Unter dem neuen Trainer, der Vereinsikone Frank Lampard, spielte die mit den Toptalenten Mason Mount, Tammy Abraham, Callum Hudson-Odoi und Reece James bestückte Mannschaft deutlich besser als in den vergangenen Jahren. Viele Spieler hätten die Chance unter normalen Umständen womöglich nie erhalten.
2. Kein Tafelsilber verscherbeln!
Die Transfersummen werden in diesem Sommer sinken, wodurch einige hochgehandelte Spieler zu deutlich verringerten Ablösesummen wechseln können. Kleineren Teams droht so ein Ausverkauf ihres Tafelsilbers, welches ihnen in normalen Zeiten große Erlöse gebracht hätten. Sollten die Vereine nicht in akuter Finanznot sein oder der Spieler sich im letzten Vertragsjahr befinden, sollten sie einen Abgang des Spielers vermeiden. Es kann davon ausgegangen werden, dass Transfersummen jenseits der 100 Millionen für Spieler wie Jadon Sancho, Ansu Fati oder Kai Havertz in den nächsten Transferperioden wieder bezahlt werden (können). Doch auch eine Kategorie darunter können Transfers derzeit mit 15 bis 30 Prozent günstiger verbucht werden. Einnahmen, die an andere Stelle fehlen.
Wie ein klassischer Ausverkauf auch ohne Corona aussieht, musste Eintracht Frankfurt auf sehr bittere Weise feststellen. Die „Büffelherde“ alias Sebastian Haller, Luka Jovic und Ante Rebic wurden nach einer beeindruckenden Saison inklusiver wilder Euroleague-Tour, für mindestens 110 Millionen Euro verkauft (durch mögliche Bonuszahlungen kann die Summe sogar noch steigen). Die Summe bescherte Frankfurt zwar einen Geldsegen, dennoch konnten die Verantwortlichen die drei Stars kaum ersetzen, sodass die gerade abgelaufene Saison eher einer Achterbahnfahrt glich.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich andererseits für große Clubs auch lohnen kann, sich jetzt günstig zu verstärken. Der FC Bayern München machte Anfang Juli den Transfer von Leroy Sané von Manchester City zu deutlich besseren Konditionen klar. Im vergangenen Jahr hätten die Münchener sicher eine Summe über 100 Millionen Euro zahlen müssen, doch Sanés Verletzung, die geringe Restlaufzeit des Vertrages und schließlich Corona senkten die Ablöse auf unter 50 Mio. Auch manche große Clubs brauchen unbedingt Einnahmen, sodass möglicherweise Spieler, wie Antoine Griezmann, Kalidou Koulibaly oder Saul Niguez, mit deutlichem Corona-Rabatt wechseln könnten.
3. Fressen und gefressen werden: Ligue 1, Eredivisie und Jupiler League „brandschatzen“
In der Natur überlebt nach Darwin derjenige, der mit den gegebenen, äußeren Verhältnissen am besten zurechtkommt. Beim klassischen Überlebenskampf lautet das Motto „Fressen und gefressen werden“. Dabei zeichnet sich der Sieger nicht durch besondere Empathie oder Hilfe gegenüber dem Schwächeren aus, sondern durch die Fähigkeit, Vorteile zu erkennen und zu nutzen.
In markwirtschaftlichen Systemen gewinnt letztlich das Unternehmen, welches seine Ressourcen am effektivsten bündelt, auch wenn dies heißt, Ressourcen des Mitbewerbers aufzukaufen oder abzuwerben. Wenn ein Fußballmanager die finanzielle Schieflage eines anderen Vereins zu seinem Vorteil ausnutzt, mag dies moralisch schlecht sein, doch es ist ein natürlicher Prozess in der Marktwirtschaft. Unternehmen haben ständig mit sich verändernden externen Effekten zu tun: die Zentralbank erhöht den Leitzins, der Staat senkt die Steuern, warme Sommer erhöhen die Nachfrage für Sonnenbrillen. Wozu also diese Erklärung?
Diese Herleitung soll den moralisch verwerflichen, aber ökonomisch absolut sinnvollen Transfer-Tipp, „abgebrochene Ligen zu brandschatzen“, untermauern. Ja, es ist ethisch mindestens fragwürdig, die schwierige finanzielle Situation von Clubs u. a. aus Frankreich, Belgien oder den Niederlanden auszunutzen. Durch den von den Regierungen befohlenen Saisonabbruch stehen sie vor noch größeren Herausforderungen als jene Mannschaften, deren Ligen durch Geisterspiele ein geregeltes Ende finden. Spieler aus Marseille, Eindhoven oder Brügge werden preisgünstig auf den Markt kommen und bieten gerade Mannschaften mit etwas größerem finanziellen Spielraum (z.B. Hertha BSC, RB Leipzig oder Borussia Dortmund) unerwartete Chancen auf preiswertere Topspieler.
4. Alt, ablösefrei und dennoch ambitioniert
Auch in diesem Jahr wird es wieder ablösefreie Spieler geben, für welche statt einer Ablöse „nur“ ein Handgeld fällig sein wird. Der große Unterschied liegt in der Bereitschaft der Clubs, neue, teure Verträge abzuschließen. Für manche Spieler kann dadurch ein ablösefreier Wechsel mit einem großen finanziellen Abstieg verbunden sein. Auf der anderen Seite stellt dies wiederrum eine Chance für kleinere Teams dar, Stars billiger zu erhalten, da die Nachfrage fehlt. Mario Götze ist dafür ein gutes Beispiel. In guten Zeiten hätte der Finaltorschütze von 2014 sicher eine ganze Reihe von Angeboten aus Italien, Spanien oder der Bundesliga gehabt. Nun überlegen es sich die Teams aber zweimal, ob sie dem Spieler einen gut-dotierten Vertrag geben. Vereinen, wie etwa Bayer Leverkusen oder Hertha BSC könnte dies in die Karten spielen, weil das Interesse von Napoli, Atletico Madrid oder Inter Mailand schwindet.
Außerdem strömen viele Spieler auf den Transfermarkt, die ihren Zenit bereits überschritten haben. Für viele Clubs könnten diese Altstars ein Segen zur rechten Zeit sein, um sie für wenige Jahre an sich zu binden. Warum sollten Clubs also nicht einen erfahrenen Edison Cavani, David, Silva, Willian, Pedro oder Adam Lallana holen, um dann in ein bis zwei Jahren deutlich mehr Geld in einen kommenden Star zu investieren?
5. Ruhe bewahren: das Team zusammenhalten
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass viele Teams trotz des Ausbleibens großer Transfers im Sommer deutlich besser spielten als in der Vorsaison. Die Gründe dafür mögen gänzlich verschieden sein – vielleicht braucht es einfach mehr Zeit, um Abläufe besser zu trainieren oder sich besser persönlich kennenzulernen. Im modernen Profifußball gibt es diese Zeit aufgrund der Schnelllebigkeit des Geschäfts nur sehr selten. Ein gutes Beispiel dafür bewiesen die Verantwortlichen von Tottenham Hotspur, die sich über mehrere Jahre stark dafür einsetzten, das Team zusammenzuhalten und punktuell mit geschickten, meist preisgünstigen Transfers zu verbessern – mit großem Erfolg. Währenddessen erzielten die Londoner Stadtrivalen, Arsenal, Chelsea, Chrystal Palace und West Ham United jährlich neue Transferrekorde ohne den erhofften Erfolg.
Dieser letzte Transfer-Tipp soll somit aus der Kombination einiger vorheriger Tipps bestehen. Die Manager sollten also jungen Spielern eine Chance geben, ihr Tafelsilber nicht verscherbeln, Altstars neue, kurzfristige Verträge geben und abwanderungswillige Spieler halten. Dies könnte zumindest mittelfristig zu einer Stabilisation der finanziellen Situation ohne sportliche Talfahrt oder totalem Ausverkauf führen. Außerdem gibt diese Strategie den Verantwortlichen deutlich mehr Zeit, um große, risikoreiche Transfers in die Zukunft zu verschieben und genau abzuwägen, welcher Spieler Sinn ergibt.
In jeder Krise gibt es jene, die davon kräftig profitieren. Mit diesen fünf Transfer-Tipps könnten die Vereine nicht nur die Krise überleben, sondern womöglich besser dastehen als zuvor.
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