Die Corona-Pandemie hält tausende Skifahrer von ihrem Wintersporterlebnis ab. Der Skitourenboom erfährt hingegen eine neue Hochphase. Allerdings ist die Natur in Gefahr, wenn sich unerfahrene Skibergsteiger querfeldein bergauf schleppen.
Schritt für Schritt schiebt sich die Karawane bergan. Ein Skibergsteiger nach dem anderen stößt kleine Wölkchen beim Atmen aus, die von der Talstation des Hausberglifts in Garmisch-Partenkirchen zu erkennen sind. Dort aber ist alles ruhig: Die Gondeln stehen still, die Après-Ski-Bar ist verlassen. Trotzdem ist die Piste voll. Statt mit der Seilbahn zur Abfahrt, kraxeln viele Skisportler jetzt selbst auf die Berge.
„Gerade im Winter kann man sonst ja nicht viel machen“, meint Pierre Krenn. Er steht noch unten. Es ist eine seiner ersten Touren. Krenn ist einer von vielen, die wegen der Corona-Pandemie auf das Skitourengehen umgestiegen sind und die Nachfrage nach Skitouren-Ausrüstung in die Höhe getrieben haben.
Skitourengehen kann gefährlich für die Tiere werden
Von einer hohen Nachfrage spricht auch Patrick Jost, Inhaber des Hindelanger Bergführerbüros und selbst Skiführer: „Viele sagen: Das probiere ich jetzt mal aus.“ Im letzten Jahrzehnt sei das Interesse an geführten Skitouren im Bergführerbüro schon gestiegen. Bisher war die Gefahr für die winterliche Tierwelt aber noch gering, darum sei die Natur nicht auf die plötzlichen Massen an Skitourengehern eingestellt.
„Flora und Fauna sind im Winter empfindlicher als im Sommer“, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein DAV, „Wald-Wild-Schongebiete und Schutzzonen müssen gemieden werden.“ Wintersportler sollten vor allem Touren zu Dämmerungs- und Nachtzeiten unbedingt unterlassen: „Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich Tiere aufscheuche.“
Besonders bedroht ist die Unterfamilie der Raufußhühner, da einige Tiere ohnehin auf der Roten Liste der Brutvögel Bayerns stehen. Skitourengeher stören Auerhuhn, Schneehuhn und Birkhuhn meist bei der lauten Abfahrt zurück ins Tal. Die Vögel flüchten und verbrauchen dabei wertvolle Energiereserven. Zudem verlassen sie ihre überlebenswichtigen Winterhöhlen und Futterplätze. „Mehrere Fluchten hintereinander reduzieren die Lebenschance für die Tiere“, unterstreicht Bucher.
Die Maßnahmen des DAV reichen nicht
Die Gegenmaßnahme: Lenkungskonzepte in Form von Informationstafeln und Internetangeboten. Im Rahmen des Projekts „Natürlich auf Tour“ versucht der DAV die Skitourengeher umzuleiten. Hierfür errichtete der Alpenverein Hinweis- und Lenkungsschilder auf den besonders beliebten Routen. Zusätzlich können Wintersportler auf den Internetseiten des DAV „Natürlich auf Tour“ und „natursport.info“ alles über Naturschutz beim Skitourengehen nachlesen.
Naturschützer zweifeln hingegen an der Effektivität des Konzepts. Michael Schödl vom Landesbund für Vogelschutz LBV reicht das Projekt nicht: „Das Problem ist die Freiwilligkeit. Da kann man niemanden zur Verantwortung ziehen.“ Das Bundesamt für Naturschutz BfN teilt Schödls Bedenken: „Die Lenkungsmaßnahmen sind nicht ausreichend“, betont Beate Job-Hoben, „Man muss die Kommunikation auf jeden Fall noch ausbauen.“
Bei tiefgreifenderen Eingriffen, in Form von Verboten, sind dem DAV aber die Hände gebunden. Laut Bundesnaturschutzgesetz dürfen alle freien Landschaften zur Erholung genutzt werden. Dieses Recht kann der DAV nicht einschränken. Trotzdem fordern die Naturschützer mehr Schutz für die Bergwelt.
„Dieses Jahr ist nicht geeignet“
Begeisterte Skifahrer, die wegen Corona zum Skitourengehen konvertieren, müssen einiges beachten. DAV-Mann Bucher rät allerdings nicht zum Neueinstieg: „Dieses Jahr ist nicht geeignet fürs Einsteigen ins Skitourengehen.“ Zu groß sei die Gefahr für die Tierwelt, wenn sich unerfahrene Skibergsteiger abseits der Piste auf den Berg wagen.
Wintersportlern, wie Pierre Krenn, kann er das Skitourengehen aber nicht verbieten. Was den Naturschützern bleibt, sind Internetseiten, Infotafeln und die Hoffnung auf die Vernunft der Skitourenanfänger.
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