Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, durfte sich bei der Vorstellung der Unternehmenszahlen für das zweite Quartal 2013 freuen, trotz seiner Ankündigung am 25. Juli einige Regionalzeitungen und Zeitschriften zu verkaufen. Seine Pläne, im digitalen Markt zu expandieren, scheinen die Verluste wieder wettzumachen. Und die Digitalisierung ist bereits in vollem Gange; schon seit einiger Zeit werden Nutzer von welt.de ab einer bestimmten Anzahl von angeklickten Artikeln zur Kasse gebeten. Die Strategie des Konzerns dürfte aufgehen, denn jüngst hat auch bild.de nachgezogen.
Ähnlich reagieren derzeit auch die Bücherverlage, die sich viel stärker als Lokalredakteure vom Internet bedroht fühlen dürfen. Denn neben illegalem Filesharing sind es vor allem Großkonzerne wie Google, die ihre Bücher digitalisieren und (zumindest in Auszügen) online einsehbar machen. Hier ist das Internet noch ein Stück weit rechtlich unberührtes Neuland. Daher greifen die Verlage die längst überfällige Digitalisierung nun in Eigenregie selbst an. Mit digitalen Lesegeräten wie Kindle oder PocketBook können die Kunden dann ganz einfach und bequem ihre Lieblingsbücher herunterladen und sofort mit dem Schmökern beginnen, ohne lange Versandwege oder einen anstrengenden Aufenthalt im Bücherladen auf sich zu nehmen. Meistens sind diese elektronischen Bücher, E-Books genannt, auch noch um ein, zwei Euro günstiger als die gedruckte Variante. Bedeutet das das Ende des Buches? Sicherlich nicht, aber ein radikaler Umbau ist doch deutlich erkennbar.
Warum man kein E-Book auf meinem Nachttisch finden wird
Bisher weigere ich mich, mir einen E-Book-Reader zu besorgen. Zwar lese ich auch Texte online oder als PDF, doch meine ich, dass ich nicht zur Jüngerschaft dieses Medienhypes berufen bin. Mag sein, dass ich so länger auf aktuelle Bücher warten muss, bis ich sie dann im Laden oder in der Bibliothek entdecke. Und manchmal dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis Neuerscheinungen in der Bücherei zu finden sind! Aber ich möchte nicht auf mein gedrucktes Buch verzichten, denn wo sonst bin ich noch so altmodisch und mache es mir in großväterlicher Art im Sessel bequem und lese einfach drauf los? Das Geräusch beim Umblättern erinnert mich immer ein bisschen an das Rauschen des Waldes. Weil ich weiß, dass mir spätestens an dieser Stelle Kritik entgegenschallen wird, sei sie hier zwischengeschaltet: „Ganze Regenwälder müssen gefällt werden, nur damit du dich am Geräusch eines Buches ergötzt?“ Gelassen sitze ich aber weiterhin auf meinem Sessel und denke mir nur: Und den Strom, den ihr fürs Gerät braucht, erzeugt ihr natürlich selbst oder?
Nun aber Schluss mit der Polemik, ich werde wieder ästhetisch. Bücher wollen nicht nur mit den Augen wahrgenommen werden, sondern auch mit den Ohren, wie ich gerade ansprach und sogar mit der Nase, denn in ihnen ist der Mief der Zeit gefangen. Alte Bücher atmen, sie stoßen förmlich einen fernen, fremden Duft aus. Egal, ob ich beim Öffnen Zigarettengeruch vernehme (eine unnachahmliche Präzision der Achtundsechziger-Revolte) oder einen Fettfleck in einer Feldpost-Lektüre (nicht nur Nahrung war zum Überleben im Krieg notwendig) finde: Bücher erzählen nicht nur Geschichte(n), sie leben sie. Das wird meine Kritiker wenig überzeugen, darum wieder technisch-nüchtern. Vorteile bieten E-Books sicherlich, denn mit ihnen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches, eine bestimmte Passage im weiten Ozean eines Schmökers aufzuspüren. Einfach nur den Begriff in die Suchmaske eingeben und schon durchforstet mir das Gerät den Text. Für wissenschaftliches Arbeiten äußerst praktisch. Was aber, wenn ich mich beim Wortlaut täusche und stattdessen paraphrasiere? Dann scheitert womöglich auch das modernste Gerät. Anzeichen einer „digitalen Demenz“ sind dann zu konstatieren, wenn nicht mehr der eigene Geist arbeitet, sondern der Verstand durch eine Verarbeitungsmaschine ersetzt wird. So gesehen lohnt es sich, seine Bücher in die Hand zu nehmen und zu durchkämmen. Vielleicht stößt man ja nebenbei noch auf bedeutungsvollere Stellen, die man andernfalls glatt übersähe.
Weltuntergang war vorgestern
Interessieren würde mich auch, wer denn eigentlich von E-Books profitiert. Die Preise bewegen sich nur marginal unter denen der gedruckten Bücher im Laden. Weil man hier normalerweise nur an Logistik und an Druckkosten sparen kann, nicht jedoch am Lektorat oder am Marketing, sind die Herstellungskosten auch nur minimal tiefer anzusetzen. Der Autor verdient wohl nicht mehr. Abschließend werfe ich mal keinen Blick in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit. Mich interessiert, wann überhaupt das erste E-Book veröffentlicht wurde. Nach kurzem Recherchieren erfahre ich, dass 1988 ein amerikanischer Sciencefiction-Roman in diesem Format erschien. In der dargestellten Welt befinden sich die Menschen übrigens in einem futuristischen Cyberspace, wo sie nur noch virtuell existieren, während ihre Körper dahin siechen. Nein, ich bin kein Kulturpessimist, aber ich finde, das klingt irgendwie prophetisch.
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