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Aktuelle Seite: Startseite / Liebe & Sexualität / Berühren verboten! Überlegungen zur Liebe

Berühren verboten! Überlegungen zur Liebe

29. Januar 2015 von Tim Huyeng Kommentar verfassen

Nun, um es klar zu sagen: Es geht um die Verbindung zwischen freiem Willen, Schmetterlingen, Liebe und Papierblättern. Darf man die Liebe sezieren? Sie auseinandernehmen und definieren, vielleicht gar beanspruchen. Einem anderen erklären, man würde lieben – ist das nicht gefährlich? Gedanken von Tim Huyeng.

© f1rstlife / Tim Huyeng

Die Zündung meines philosophischen Motors war ein kleines Zitat. „Freier Wille ist wie ein Schmetterlingsflügel: einmal berührt, taugen sie nicht mehr zum Fliegen.“ Diese rätselhafte Aussage checkte ich im Internet. Und ja es stimmt wohl: Schon durch einmalige Berührung wird die Funktion der Flügel, die den Schmetterling zum Fliegen befähigen, unwiederbringlich zerstört. Mit schönem Schmetterling ist dann nicht mehr viel, übrig bleibt eine Art langsamer Käfer mit überproportionalen Fächern. Einmaligkeit, das war also heute mein Patient. Ich fing an, am offenen Herzen zu operieren. Jeder Handgriff musste sitzen, denn es ging und geht um das ganz große. Wird der freie Wille wirklich zerstört, sobald man nach ihm fragt? Und ist die Welt unwiederbringlich? Können sich Welten auflösen, nur weil man sie beim Namen nennt?

Verliebtsein bis zum Brechen
Mein Patient, die Einmaligkeit, liegt vor mir auf dem Seziertisch und erinnert mich doch stark an meine Liebe. Das aufkeimende Gefühl des Verliebtseins – leicht und unbeschwert; wie eine Blume, die im Frühling langsam aus der aufgetauten Erde erwächst. Das lebende Zentrum der Welt, das Herz des Lebens, die Pumpe für alles. Alles scheint auf Wolken zu schweben – bis die Frage „Was ist das eigentlich mit uns?“ die Illusion von selbstverständlicher Leichtigkeit wie eine rosarote Seifenblase zerplatzen lässt. In diesem Moment hat man das Gefühl, es würde etwas zerbrechen bzw. als hätte jemand die inneren Schmetterlingsflügel mit brutalster Sanftmütigkeit berührt.

Aber mal von Anfang an: Es scheint so, als hätten die beiden Verliebten vor diesem Bruch eine unmittelbare Verbindung gelebt, die in ein ungetrübt reines, durchströmendes Gefühl mündet. Um auch mal den Hegel zu Wort kommen zu lassen: „Die Verbindung ist die höchste ästhetische Vollkommenheit!“ Es sieht so aus, als sei die Verbindung so eng und innig, dass die einzelnen Teile nicht mehr alleine gedacht werden können. Doch dieser eine Guss durch etwas Äußeres – ein Zwischenruf, eine brutale Sanftmütigkeit – zerschnitten und aufgetrennt. Die schmerzliche Erinnerung an das „war“ lässt das „ist“, welches nur als verschwommenes Abbild – schwachem Schatten gleich – seine Zeit zu fristen droht, in noch radikalerem Kontrast verblassen. Mein Patient ist also vollkommen blass und schon zerschnitten. Jetzt ist erhöhte Vorsicht zu gewähren. Wenn ich jetzt durch philosophisch-pedantischer Neugierde in eine Hybris verfalle, wird der Schnitt nicht sauber und eine Tragödie droht.

Die Frage
Kann man sich trotz dieser Trennung nicht doch eine Vereinigung vorstellen? Für mich ist es schwer vorstellbar, dass die Verliebten alleine durch die Fragestellung unwiederbringlich den Bezug zueinander verloren haben. Ich glaube, mit dieser Einsicht stehe ich nicht alleine da. Ein paar solcher ungetrennter getrennter Paare sind bestimmt auch in deiner Lebenswelt zu finden. Doch was ist das nach der Auflösung der Entzweiung wiederhergestellte Eine? Denn es scheint auch schwer vorstellbar, dass die Verliebten jemals wieder auf dieselbe, anfängliche reine Art empfinden. Zu allem Überdruss und Überfluss bringe ich jetzt noch das Papier mit ein. Das Blatt lässt sich auf falten und nach Belieben auch wieder entfalten, aber die Stelle des Knicks, der Unterbrechung, der „Entzweiung“ bleibt. Ist das entfaltete Blatt denn danach noch dasselbe Blatt?

Vielleicht ist damit die höchste ästhetische Vollkommenheit eigentlich immer nur ein Moment, der in und gerade durch seine unwiederbringliche Einmaligkeit eben nur ein Moment des Lebens ist. Jener Moment der Entzweiung, dem Leben entnommen, hat alleine keinen Wert, gleichsam ein Moment des Lebens nicht über das gesamte Leben entscheidet. Erst im Zusammenspiel mit allem anderem erhält der Moment wirklich Sinn und Bedeutung. Es ist bezogen auf das Blatt also wohl wenig sinnvoll, den Moment des Knickens herauszugreifen und ihn als den Moment schlechthin herauszugreifen, in der das Papier eine andere Seinsstufe erklimmt. Das geknickte Papier ist nicht mehr dasselbe Papier, aber es ist immer noch dasselbe. Der Knick ist ein Moment, ein Zustand, eine Eigenschaft – aber nicht der Moment, der Zustand oder die Eigenschaft. Und doch ist dieser Moment eine Entscheidung. So wie die Entscheidung eines der Liebenden nach einer Definition bzw. Beschreibung der Seinsstufe zu fragen.

„Was ist das hier eigentlich mit uns zwei?“
Es ist der Moment, in dem auf einmal die Schmetterlinge im Bauch aufhören herumzutoben und langsam in den Teil nahe der Unterhose herabsinken. Sie nehmen eine andere Seinsstufe ein – sie heißt Angst. Alles was so unbeschwert und leicht über die Bühne ging, wirkt nun geplant und starr. Regisseur, wie Souffleusen, sprechen unbeirrt auf dein Herz ein. Betrachten wir den Moment mit einer Lupe, so sind da diese wenigen Sekunden, in denen das Schweigen nicht laut genug ist, um den Bruch zu überdecken. Ein kalter Wind umströmt das Paradies und scheinbar zerfällt das, was wir gerade noch mit der Überzeugung der Liebe eines unbewussten Realisten festhielten in sokratischen Staub und Schutt. Im Nebel und Rauch tasten wir nach der richtigen Brille, die rosarote muss wohl heruntergefallen sein. Es ist plötzlich alles etwas anderes. Etwas anderes, nur weil wir es in Worte zu fassen versuchen?

Das ist wohl das Leiden all der Schreiber und Künstler dieser Welt. Der Gedanke ist zumeist doch noch ein wenig schöner, als die Realität. In meinem Kopf klingt eine Melodie jedes Mal noch ein wenig schöner, als auf der Gitarre. In meiner Vorstellung war dieser Text sehr viel schöner, als er mir jetzt erscheint. In meiner Überzeugung ist meine Freundin etwas sehr viel größeres, als bloß ein „Schatz“. Doch man kommt um diese grässliche Reduktion der Gedankenwelt nicht herum. Uns fehlen die Mittel, andere in uns hineinschauen zu lassen (und zumal wer wollte das schon). Kommunikation muss in dem Fahrwasser der Sprache herumschiffern.

Schäfchen ins Trockene bringen
Gehen wir den Versuch ein, das Fahrwasser zu verlassen und an Land zu gehen, so wird mir dies mit meinen geschriebenen Worten nicht möglich sein. Aber doch streben wir nicht nur Versprachlichung, sondern Verstehen und Verständnis an. Wir wollen wissen, was in dem anderen vorgeht und ob er denn auch dasselbe empfindet. Damit bleibt die gespenstische Frage von weiter oben häufig einfach nicht aus. Und selbst wenn sie jahrelang aufgeschoben wird, wird sie in einem „Willst du mich heiraten“ vielleicht mit sanftmütigster Brutalität zurückschlagen. Ich will nun fragen, ob man dem ganzen nicht seinen Schrecken nehmen kann. Ist dieser Bruch in der Verbindung (eine Beziehung ist es wohl ausgesprochen noch nicht) zwischen zwei Menschen vielleicht gar nicht so tragisch, belastend und liebestötend?

Wir sprechen über Gefühle. Und sind Gefühle wirklich mit einer umgrenzten, starren Entität vergleichbar, wie sie uns das Papier oder die Schmetterlinge suggerieren ließen? Ich denke nein. Gefühle erreichen niemals den Punkt der Endgültigkeit, der unveränderlichen „Reife“ oder dem letztendlichen „Ist“-Zustand. Gefühle verweilen im Zustand des „Werdens“. Genau dasselbe an zwei verschiedenen Zeitpunkten zu empfinden, scheint für mich unmöglich, wenn nicht sogar paradox. Und so kann auch die neue Seinsstufe der Verbindung eine vielleicht völlig unzureichend, aber treffend definierte „Beziehung“ sein, die beiden das Gefühl einer erwachsenen Sicherheit gibt. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, scheint das Gegenteil von Vertrauen zu sein. Aber ist nicht häufig das erste „Ich liebe dich“, der verzweifelte Versuch, das eigene Gefühlschaos zu ordnen und endlich auch zu wissen, ob die geliebte Person die Liebe mit Liebe und in Liebe zurückstrahlt? Worte zerstören keine Gefühle. Worte haben die Kraft die Schmetterlinge mit Sicherheit fliegen zu lassen, Blätter zu knicken und damit aus zwei Hälften eins zu machen und vor allem sind es Worte, die „JA“ sagen zu Liebe, Verantwortung und Vertrauen.


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Tim Huyeng

Tim Huyeng

wurde 1994 geboren in Koblenz und studierte in München und in Koblenz unter anderem, aber besonders Soziologie. Heute arbeitet er sowohl am Institut für Soziologie und politische Wissenschaften der Universität Bonn wie auch am Forschungskolleg für normative Gesellschaftsgrundlagen. Seine angestrebte Promotion beschäftigt sich mit Europäisierungsprozessen auf dem Balkan.
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Kategorie: Liebe & Sexualität Stichworte: Liebe, Verliebtheit

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Über Tim Huyeng

wurde 1994 geboren in Koblenz und studierte in München und in Koblenz unter anderem, aber besonders Soziologie. Heute arbeitet er sowohl am Institut für Soziologie und politische Wissenschaften der Universität Bonn wie auch am Forschungskolleg für normative Gesellschaftsgrundlagen. Seine angestrebte Promotion beschäftigt sich mit Europäisierungsprozessen auf dem Balkan.

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