Im Vorfeld war viel über die Wahl des Austragungsortes diskutiert worden – über Putins Wahl des Austragungsortes. Der russische Staatschef hatte die Spiele zu seinem Baby erklärt, ließ sich viel ablichten und war immer für ein Loblied auf die teuersten Olympischen Winterspiele aller Zeiten zu haben. Ganze 50 Milliarden (!!!) Dollar sollen ausgegeben worden sein, 32 Milliarden davon für Korruptionszwecke. Sotschi steht für Geld, für Macht und leider auch für Homophobie.
Die ganze Welt beschäftigt sich mit der freien Partnerwahl
Nie zuvor ist das Thema der Homosexuellen-Feindlichkeit medial dermaßen präsent gewesen, niemals zuvor hat die Öffentlichkeit so sehr darüber diskutiert, nie war sie so gespalten. Seit dem Erlass des Gesetzes gegen „homosexuelle Propaganda“ schaut die ganze Welt auf Russland – die meisten sind empört. Prominente wie Stephen Fry (britischer Intellektueller und Fernsehmoderator) oder die Schauspielerin Tilda Swinton ließen öffentlich ihre Abneigung gegenüber der Hetzjagd auf Schwule und Lesben verlauten, doch viel bewirkt hat dies nicht. Kein Sportler hat seine Teilnahme abgesagt, wie es das Bauchgefühl vielleicht erwarten würde. Denn wie kann der „Olympische Geist“ der gemeinsamen Spiele authentisch vermittelt, wie gelebt werden, wenn Menschen für einen natürlichen Teil ihrer Persönlichkeit bestraft werden? Wie muss sich ein homosexueller Teilnehmer der Spiele fühlen, wenn seine sportliche Leistung zwar geschätzt, seine sexuelle Orientierung aber im staatlichen Fernsehen als „ekelhaft“ und schlimmer bezeichnet wird?
Das moralische Dilemma der Teilnehmer
Die Rolle der Repräsentanten eines Landes auf solchen Events, wie der Teilnehmer oder Politiker, ist interessant bei der Suche nach moralisch richtigem Verhalten. Denn wenn jemand jahrelang auf den weltweit größten und wichtigsten Wettkampf hinarbeitet, seinen Körper schändet, private Einschränkungen in Kauf nehmen muss – ist es dann zu viel verlangt, eine Absage gegenüber dem menschenrechtsverletzenden Organisator dieses Wettkampfs von ihm zu erwarten? Vom Schreibtisch zu Hause aus ist die Antwort leicht: ja! Am besten sollte niemand teilnehmen, kein einziges Land. Doch die Angelegenheit ist wohl doch etwas komplizierter, schließlich hängen Lebensträume, internationale Anerkennung und Geld, für die Nachwuchsförderung zum Beispiel, von der Teilnahme an solchen Events ab. Und ist es nicht möglich, Sport und Politik voneinander zu trennen? Das Unangenehme einfach auszublenden? Tut er dies, so verliert ein Sportler allerdings ein Stück weit seine Glaubwürdigkeit, denn er hat eine Vorbildfunktion. Und wie oft werden die Helden der Spiele als Botschafter des Respekts und der (sportlichen) Fairness hochstilisiert.
Die Olympischen Winterspiele von Sotschi sind von schizophrener Natur: auf der einen Seite wird das Miteinander zelebriert, auf der anderen Seite sind Diskriminierung und Degradierung jener, die durch ihren sportlichen Einsatz, ihren Ticketkauf oder die Unterstützung der Spiele vom Fernseher aus, das Event so erfolgreich machen, an der Tagesordnung. Die Heuchlerei ist grenzenlos, allerdings nicht nur dieses Jahr in Russland. Eigentlich müsste jedes Mal, wenn ein Event dieses Ausmaßes an autokratische bzw. undemokratische Länder geht, vehement Einspruch erhoben werden. Man dürfte die Vergabe an solche Regimes gar nicht erst zulassen. Sotschi ist nur einer von vielen moralisch fragwürdigen Austragungsorten internationaler Wettkämpfe und das ist kein Geheimnis. In Katar sterben Menschen auf den Baustellen, obwohl die Scheichs in Geld baden. Ähnlich ist die Situation in der zwar präsidentiellen Demokratie Brasilien, wo allerdings teure Stadien aus dem Boden gestampft werden, obwohl die Bevölkerung weiß Gott andere Probleme hat, die mit den Abermillionen bekämpft werden könnten.
Die Welt ist das, was wir aus ihr machen und moralisch machen wir etwas falsch. Wir können den „Olympischen Geist“ in Sotschi nicht heraufbeschwören; das wäre als bäte man den Teufel um Vergebung. Mit Sicherheit sind die allermeisten Teilnehmer der Winterspiele, jeder Events mit dieser Art von politischem Hintergrund, gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und gegen die Verletzung von Menschenrechten durch die Ausrichtenden. Aber wir befinden uns im 21. Jahrhundert und Homophobie hat keinen Platz mehr, denn wir sind so aufgeklärt und tolerant wie nie zuvor. Wer in dieser Gesellschaft Homosexualität als Krankheit propagiert, sollte wirklich nicht Gemeinschaft preisende Wettkämpfe ausrichten dürfen. Das einzig Positive an der Austragung in anti-demokratisch regierten Ländern ist die mediale Aufmerksamkeit, die der Ungerechtigkeit zuteil wird und junge Menschen wie mich dazu inspiriert, mehr dagegen zu tun!
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