Der Erfolg eines Schülers steigt und fällt mit seiner Selbsteinschätzung. Häufigster Grund für dauerhaft schlechte Noten ist weniger das viel zu schnell ausgesprochene Urteil der Faulheit, sondern schlichtweg Ängste – zumeist Leistungsängste. Leistungsangst ist eine Form der Angst aufgrund potentieller Selbstwertbedrohung. Sie entsteht in Situationen, in denen man zeigen muss, was man kann. In der Schule wird man oft mit solchen Situationen konfrontiert, etwa bei Tests und mündlichen Prüfungen. Wenn sich der Schüler jetzt sehr unsicher fühlt und sich schon vor einer Überprüfung seine von ihm völlig überbewertete Unfähigkeit einredet, wird es kommen, wie es kommen muss.
Die so häufig zitierte „selbsterfüllende Prophezeiung“ tritt ein und im Folgenden wird der Schüler durch die schlechte Note frustriert sein und seine negative Einschätzung noch mal als bestätigt ansehen. Diese Schüler wählen in vielen Fällen die falsche Bezugsnorm. Das heißt, sie vergleichen nicht ihre Leistung mit der Leistung, die sie vorher erbracht haben (individuelle Bezugsnorm), sondern suchen den Vergleich mit den Mitschülern (soziale Bezugsnorm). So wird sich ein und derselbe Schüler in zwei verschiedenen Klassen eventuell auch völlig verschieden einschätzen.
Dem Phönix gleich
Um einen Schüler aus diesem Teufelskreis zu ziehen, muss man Methoden zur Selbstregulation anwenden (s. Stützstrategien). Zudem muss der nicht gelernte Stoff nachgeholt werden, denn eine Wissenslücke ist nie zu unterschätzen. Wenn in einem Fach durch anfängliche Lernschwierigkeiten das Grundlagenwissen nicht erworben wird, fehlt die notwendige Voraussetzung zur Aneignung der Inhalte der darauf aufbauenden Themenfelder. Der Schüler wird dann noch einmal in seiner negativen Selbsteinschätzung bestätigt, was nichts anderes als eine selbsterfüllende Prophezeiung darstellt.
Des Weiteren können emotionale Probleme besonders in der Zeit der Pubertät das Lernen behindern. Falls der Schüler zum Beispiel gemobbt wird, er gerade die Trennung von der ersten großen Liebe hinter sich gelassen hat oder wegen anderer seelischer Krisen die Schule außer Acht lässt, kann das soziale Umfeld (Freunde, Familie), sofern es intakt ist, eine starke Stütze sein. Ansonsten ist alles erlaubt was die mangelnde Lernmotivation, sei sie bloßer Entmutigung, mangelnder Begeisterungsfähigkeit oder konkurrierendem Interesse entwachsen, aufhebt. Manchmal genügt ein „einfaches“ Aha-Erlebnis, um einen Menschen wieder auf Kurs zu bringen und sein gesamtes Leben zu verändern.
Meine Damen und Herren, die Genies…
Der Sprachpsychologe Karl Bühler definiert ein solches „Aha-Erlebnis“ als ein „eigenartiges im Denkverlauf auftretendes-lustbetontes Erlebnis, das sich bei plötzlicher Einsicht in einen zuerst undurchsichtigen Zusammenhang einstellt.“ Derartige Aha-Erlebnisse kommen und kamen keineswegs nur in der Schule vor. Im Gegenteil: Fast scheint es so, als ob große Zeitgenossen von der Schule und ihren Lehrern in ihrem Genie völlig verkannt wurden (und vielleicht auch immer noch werden?). Albert Einstein konnte wegen schulisch bedingter nervlicher Zerrüttung an seiner Schule das Abitur nicht machen und deswegen nur das Polytechnikum besuchen. Weil er dessen Aufnahmeprüfung im ersten Anlauf nicht schaffte, nahm er am Unterricht der obersten Klasse der Kantonsschule in Aarau teil. Dort verstand er zum ersten Mal etwas…
Den Eltern des späteren Chemikers Justus von Liebig bescheinigte der Rektor, er sei „die Plage aller Pädagogen“. Der Vater nahm ihn daher von der Schule und steckte ihn in eine Apothekerlehre. Als er mit seinem Hobby Chemie den Dachstuhl des Apothekers in die Luft gesprengt hatte, kannte sein Interesse für die Chemie keine Grenzen mehr… Der Lehrer von Thomas Alva Edison nannte ihn vor der ganzen Klasse einen „Hohlkopf“. Edison verließ den Klassenraum und ging nie wieder zur Schule zurück. Seine Mutter gab ihm Privatunterricht. Mit dem ersten naturwissenschaftlichen Buch „Schule der Naturphilosophie“ schenkte sie ihm den „goldenen Türöffner“ zur Physik und Chemie, sowie zur Technik; der Erkenntnistrieb entzündete sich in ihm.
Die Liste ließe sich beliebig weiter fortsetzen…
Keiner dieser Herren konnte durch die Schule sein Talent finden und allgemein waren viele Genies nie gut in der Schule. Jedoch ein scheinbar völlig zufälliges Schlüsselerlebnis konnte das Interesse und somit das gesamte Leben dieser Menschen verändern und fokussieren. Nur das Aha-Erlebnis hatte den nötigen Aufforderungscharakter, um sich mit völliger Hingabe, Faszination und Motivation ganz seiner neuerworbenen Leidenschaft hinzugeben. Danach geht der Begeisterte seinen Weg; den Weg des Erfolges. Lernen gelingt und wird zum Erfolg, wenn das Gefühl „ja“ dazu sagt. Stellt sich der Erfolg des Lernens ein, wird das Gefühl in seinem „ja“ weiter bestärkt; der Lernende lernt mit Lust. Der Lernprozess trägt sich ab sofort von allein.
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