Nun stehe ich also am Flughafen. Und natürlich mit einem riesigen Rucksack und Koffer. Mein Ziel nur einen Rucksack mitzunehmen, habe ich verfehlt. Und dann ist da noch meine Mama. Mist. Egal, wie man es dreht und wendet, Abschied nehmen ist doch immer eine blöde Sache. Ich halte es kurz, aber mein Heimweh wird sich bald schon wieder bei mir melden.
Als ich dann schließlich nach rund 15 Stunden Flug in Santa Cruz, Bolivien ankomme, bemerke ich zunächst das warme Klima und das, obwohl es in Bolivien Winter ist. Mit dem Taxi geht es stadteinwärts zu unserer Jugendherberge „Jodanga“. Vorbei an vielen Feldern, auf denen Palmen vom warmen, tropischen Wind leicht hin und her geschaukelt werden. Vorbei an vielen Kindern, die gerade auf dem Weg zur Schule sind. Vorbei an vielen Wellblechhütten, deren Bewohner zum Teil vor ihren Häusern sitzen. Die Eindrücke sind so überwältigend, dass mir die Worte fehlen, um das auszurücken, was ich gesehen habe. Und eines stelle ich auf dem kurzen Autostück schon fest: Verkehrsregeln gibt es keine und selbst wenn, es hielte sich wohl keiner daran. Jeder fährt, wie er mag. Die Straßenspuren verwischen sich und es gibt ein großes Durcheinander.
Zwischen Kulturschock und Heimweh
Zwei Tage sind wir in Santa Cruz und meine Stimmung sinkt von Minute zu Minute. Ich finde es einfach nur wahnsinnig laut, dreckig und hektisch. Allerdings ist dies auch nur mein erstes Empfinden, wirklich lange habe ich die Stadt nicht gesehen. Vielleicht könnte man es auch einfach Kulturschock nennen. Den habe ich wirklich: Angefangen vom Essen, den Menschen, der Kleidung, dem Lebensstandard – alles ist anders.
Meine Stimmung bessert sich auch am nächsten Tag nicht, denn mein Heimweh macht sich wieder bemerkbar. In diesen Momenten frage ich mich immer wieder: Warum mache ich das? Wo ist all die Euphorie der letzten Monate hin, in denen ich kaum warten konnte, loszufliegen? Teilweise spiele ich sogar mit dem Gedanken, das Projekt Bolivien für mich zu beenden. Letztendlich ist es aber Quatsch, nach zwei Tagen darüber nachzudenken. Ich beschließe, mir die nächsten Wochen Zeit zu nehmen, um mich an alles zu gewöhnen.
Abenteuerliche Busfahrt nach Sucre
Weiter geht es in meinen Einsatzort Sucre. Sucre und Santa Cruz trennen „nur“ 500 Kilometer. Unser Reisebus der „Flota Bolivar“ legt aber einen beeindruckendes Tempo von 21 Kilometern in zwei Stunden zurück und so brauchen wir doch rund 15 Stunden. Angekommen, beziehen wir als erstes unsere Zimmer in einer weiteren Jugendherberge der Organisation „Hostelling International Bolivia“. Wir Freiwillige haben ein „Casa Exclusiva“, einen separaten Bereich nur für uns. Direkt ins Auge sticht der schöne „Patio“, der Hinterhof, der wie das ganze Haus an die kolonialen Zeiten Boliviens erinnert.
Zu dritt sind wir in einem Sechserzimmer untergebracht, sogar ein eigenes Bad haben wir. Die Tatsache, dass unsere Dusche nicht funktioniert, die Toilette immer wieder ausläuft und die Heizung gänzlich ausbleibt, lasse ich an dieser Stelle einmal unkommentiert. Horche ich in mich hinein, fühle ich mehr Erleichterung, aber immer noch Zweifel. Sucre gefällt mir auf den ersten Blick viel besser als Santa Cruz. Der Plaza Mayor und viele Gebäude im historischen Stadtkern strahlen im hellen Weiß und wurden einst von den Spaniern erbaut. Allerdings machen diese nur einen kleinen Teil des wirklichen Stadtbildes Sucres aus. Alles ist recht chaotisch.
Typisches Verkehrsmittel sind die Micros. Kleine Busse, die immer dieselbe Strecke fahren und möchte man aussteigen, reicht ein freundliches „Voy a bajar“ an den Busfahrer und man kann den Bus verlassen. Zudem gibt es hier wahnsinnig viele Märkte, als größten den „Marco Campesino“, auf denen neben Lebensmitteln aller Art auch Haushaltswaren erworben werden können. Vor allem aber verbringen wir die ersten Tage damit, alle Notwendigkeiten für unser Visum zu erledigen und werden auf diesem Wege in ein Krankenhaus, zur Polizei, zu Interpol und zu einem Notar geführt.
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