„Wie komme ich am besten zum nächsten Supermarkt?“ – Fragen wie diese nehmen in der heutigen Zeit immer mehr ab und können nicht mehr beantwortet werden. Schuld daran: Google Maps. Könnte es sich aber nicht doch lohnen, Fremden den Weg zu beschreiben und sie sogar zu begleiten?
Als ich für mein Studium nach München zog, kannte ich mich in dieser Großstadt selbstverständlich nicht aus. Daher fragte ich Leute auf der Straße öfters nach dem Weg, wurde jedoch häufig darauf verwiesen, ich solle doch einfach Google Maps benutzen. Dies verwunderte mich, da ich in meiner Heimat den Weg als Fragende einfach erklärt bekam bzw. ihn einem Fragenden ohne Weiteres beschrieb.
Ob meine Erfahrungen in München auf Bequemlichkeit oder auf Unwissenheit (die vielleicht durch Google Maps entstand) beruht, vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls nahm ich mir deshalb vor, mich fragende Leute den Weg nicht nur zu beschreiben, sondern sie möglichst auch zu begleiten. Dadurch hatte ich mittlerweile mehrere schöne Begegnungen, von denen ich die beiden beeindruckendsten mit euch teilen möchte.
Gleich nachdem ich nach München gezogen war, erkundete ich die Stadt. Dabei verlief ich mich und fragte eine ältere Dame nach dem Weg zum Viktualienmarkt, weil ich wusste, wie ich von dort aus nach Hause kommen würde. Die Dame antwortete, sie wisse zwar den Weg zum Viktualienmarkt, suche aber selbst schon völlig verzweifelt nach einer bestimmten Straße. Wie sich herausstellte handelte es sich um genau um die kleine Straße, in der ich wohnte. Daher schlug ich vor, sie solle mir den Weg zum Viktualienmarkt zeigen und ich würde von dort aus mit ihr zu meiner Straße, also ihrer gesuchten Straße, gehen. Sie war einverstanden, wir hatten ein tolles Gespräch und ich wundere mich heute noch darüber, dass sie ausgerechnet zu meiner kleinen Straße musste.
Ein anderes Mal fragten mich zwei Englisch sprechende Nonnen, wo sie günstig Milch kaufen könnten. Zuerst setzte ich zu einer Wegbeschreibung an, hielt es dann aber für unkomplizierter, sie einfach zu begleiten, da es für mich ohnehin nur ein kleiner Umweg bedeutete, mit zum Supermarkt zu gehen. Auf dem Weg unterhielten wir uns angeregt. Wie ich erfuhr, kamen die beiden Nonnen aus einem katholischen Kloster in England und reisten gerade durch verschiedene deutsche und europäische Städte. Außerdem erzählten sie mir, dass sie in Gästezimmern des Klosters untergebracht sind. Ich fragte genauer nach und erfuhr, dass es sich um das Kloster handelte, in dem ich ebenfalls wohnte – allerdings im Studentinnenwohnheim.
Nach gut eineinhalb Jahren in München benutze ich Google Maps mittlerweile für die meisten mir unbekannten Wegstrecken und finde dies durchaus auch praktisch. Manchmal – vor allem bei kurzen Strecken – frage ich aber immer noch bewusst nach dem Weg, weil ich es schade finde, dass vor allem jüngere Menschen nicht mehr nach dem Weg fragen oder ihn beschreiben können. Dabei würde ihr Orientierungssinn besser werden, sie würden ihre Umwelt intensiver wahrnehmen und ihre Abhängigkeit von Google Maps würde abnehmen. Allem voran aber hätten sie schöne Begegnungen mit ihren Mitmenschen, die heutzutage nicht mehr viele Menschen erleben dürfen.
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