Denkbar besser könnte die Ausgangslage für die katholische Kirche nicht sein: Sie erfreut sich – weltweit – einer Bekanntheit von fast 100 Prozent und liegt damit noch vor etablierten Marken, wie Coca Cola und Apple – eine erstaunlich gute Basis für eine Marke. Irgendwie kommt jeder einmal in seinem Leben mit der Kirche in Kontakt – etwa deshalb, weil er kirchlich getauft wurde, kirchlich heiraten möchte, oder sich für die Position der Kirche in einer bestimmten Sachfrage interessiert. „Großevents“, wie der Weltjugendtag oder die Wahl eines neuen Papstes, runden das Bild ab.
Doch denkbar schlechter könnte es um das Image der Kirche nicht stehen. Es herrscht eine tiefe Vertrauenskrise. Umfragen zeigen, dass Menschen der Kirche weniger vertrauen als Banken und Parteien – trotz des schlechten Images, das Banker und Politiker ohnehin schon haben. Dieses schlechte Bild der Kirche wurde in den vergangenen Wochen wieder einmal medial gestreut: Im Zusammenhang mit der Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz ist von „Zensur“ und „Vertuschung“ die Rede. Zeitungen sprechen von einem „Eklat“. Und im Kontext des „Kölner Falles“, bei dem eine vergewaltigte Frau von zwei Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft abgewiesen wurde, ist von einem „Skandal“ die Rede. Auslöser des Konfliktes waren offensichtlich Bedenken mit Blick auf die „Pille danach“; es kam zu einem Missverständnis. Doch der „Spiegel“ titelt „Gegen die Menschlichkeit“ und wettert gegen den „Glaubenswächter Meisner“.
Wie sieht Menschlichkeit wirklich aus?
Wenn es um „Menschlichkeit“ geht, so ist sich die Öffentlichkeit offenbar einig: Eine Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz müsse alles schonungslos offen legen – auch wenn dabei Persönlichkeitsrecht und Datenschutz betroffen sein können. Und einer vergewaltigten Frau könne man in humaner Weise nur dadurch begegnen, indem man ihr die „Pille danach“ verabreiche. Durchaus tiefgründige moralische Fragen werden hier deutlich zugespitzt – dadurch aber auch wesentlich verkürzt und dramatisiert. Die moralische Frage bleibt nicht frei von Emotionen.
In einer Welt der Schlagzeilen und Kurznachrichten wird die Kirche oft Probleme damit haben, Konflikte, denen sie im Inneren und Äußeren ausgesetzt ist, angemessen zur Sprache zu bringen. Wie etwa kann sie darstellen, dass die „Pille danach“ keineswegs unproblematisch im Hinblick auf die Tötung eines ungeborenen Lebens ist? Wie kann sie deutlich machen, dass es abseits der klaren katholischen Position zur „Pille danach“ und zur Abtreibung noch immer die persönliche Gewissensentscheidung des einzelnen gibt, die die Kirche respektiert?
Medienkompetenz ist gefragt
Für die katholischen Kirche macht es nicht immer Sinn, sich in laufende Debatten einzumischen und öffentliche Stellungnahmen abzugeben. Ihr Image kann sie dadurch oftmals nicht verbessern. Scheint erst einmal ein „Skandal“ gefunden, so driftet die Debatte schnell ins Unsachliche ab. Unterstellungen beruhen dabei häufiger auf Miss- und Fehlverständnis als auf Böswilligkeit. Letztlich bleiben aber unsachliche und falsche Darstellungen im Raum, die auch die Kirche nicht unterbinden kann. Bei einem Interview müssen Kirchenvertreter so oft erst einmal aufräumen und einzelne Punkte klarstellen, um komplexe Themen nicht zu verkürzen und sich nicht in den Fragen der Redakteure zu verfangen. Das erfordert auf Seiten der Kirche eine gute Schule im Umgang mit Medien, um sachlich korrekt, aber auch präzise und unverkrampft auf Vorwürfe und Fangfragen zu reagieren.
Um in einer akuten Konfliktsituation ihren Kopf zu retten, sollte es die katholische Kirche aber auch mit Demut und Buße versuchen. Auch in der Kirche arbeiten zunächst einmal Menschen – und Menschen machen immer Fehler. Ohne dabei die eigene Position zu verleugnen, erscheint eine Entschuldigung zu viel besser als eine Entschuldigung zu wenig – und sei es auch nur für ein Missverständnis. So war die öffentliche Entschuldigung von Kardinal Meisner im Kölner „Klinik-Skandal“ weise, wenn auch etwas verspätet. Der katholischen Kirche ist am besten damit gedient, wenn sie einen Vorgang, der in der Öffentlichkeit für Ärgernis sorgt, nicht nur kommentiert, sondern auch begangene Fehler und mögliche Schuld eingesteht – und um Vergebung bittet. Mit dieser Bußfertigkeit steht die Kirche in der Tradition des seligen Papstes Johannes Paul II., der sich im Heiligen Jahr 2000 öffentlich für die Sünden der Kirche entschuldigte.
Das Katholische ist umfassender als es wahrgenommen wird
In der medialen Berichterstattung über die katholische Kirche fällt besonders auf, dass ihr Image von „unten“ nach „oben“ immer schlechter wird: Lokale und regionale Medien berichten gerne und positiv, wenn katholische Kinder als Sternsinger um die Häuser ziehen, wenn eine katholische Kindertagesstätte eingesegnet wird, wenn eine Pfarrgemeinde einen jungen Kaplan erhält oder wenn eine katholische Einrichtung eine gemeinnützige Veranstaltung organisiert. Dieselbe Kirche wird dann aber in den großen überregionalen Zeitungen in ein anderes Licht gerückt: als Kirche, in der Papst und Bischöfe das Sagen haben und sich für die Bewahrung angeblich mittelalterlicher Relikte einsetzen. Eine gestörte Wahrnehmung von Kirche?
Der katholischen Kirche täte es gut, ihre Marke „katholisch“ klarer zu positionieren: „Katholisch“ – das sind nicht nur der Papst und die Bischöfe. „Katholisch“ ist vor allem da, wo Katholikinnen und Katholiken glauben und ihren Glauben in der Gemeinschaft der Eucharistie, in der Verkündigung und in der Nächstenliebe leben. Die Kirche ist damit in erster Linie keine Amts- oder Bischofskirche, sondern die Gemeinschaft des Volkes Gottes, in der Bischöfe, Priester und Diakone, aber auch viele Gläubige in je eigener Weise ihren Dienst tun. Die katholische Kirche „ist“ damit nicht nur die in 27 Diözesen und unzähligen Pfarreien organisierte Kirche. Zu ihr gehört etwa auch die Caritas, in der mehr als 500.000 Männer und Frauen hauptamtlich und weitere 500.000 Männer und Frauen ehrenamtlich ihren Dienst tun. Die Vielfalt des sozialen, pädagogischen und gemeinnützigen Engagements der Kirche wird gerne einmal ausgeblendet – gerade in der Situation eines „Skandals“ in einem kirchlichen Krankenhaus.
Imagekampagne, um aus der Defensive zu kommen
Vielleicht würde der Kirche in dieser Hinsicht eine Imagekampagne gut tun. Sie muss als „Licht der Welt“ unbedingt aus der Defensive herauskommen, um in der Welt zu leuchten. Sie muss offensiv für ihre Botschaft werben, um gerade auch soziale Themen besetzen zu können und sich ein neues Image aufzubauen. Tröstend mag da ein Zitat des berühmten Dominikaners Réginald Garrigou-Lagrange klingen, der auch Doktorvater des späteren Papstes Johannes Paul II. war: „Die Kirche ist intolerant in ihren Prinzipien, weil sie glaubt. Aber sie ist tolerant in ihrer Praxis, weil sie liebt. Die Feinde der Kirche sind tolerant in ihren Prinzipien, weil sie nicht glauben, aber sie sind intolerant in der Praxis, weil sie nicht lieben.“
Schreibe einen Kommentar