Wenn ich Mittwoch spätabends nach Hause komme, bin ich glücklich. Und selbst dankbar für die wunderbaren Momente und Menschen, die ich erleben durfte. Ein Einblick in das Engagement im Café Grenzenlos in Landshut.
Ich bin erst ganz neu dabei – trotzdem freue ich mich schon jede neue Woche auf Mittwochabend. Schon länger war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich ehrenamtlich zu engagieren. Dabei interessiert mich schon seit einiger Zeit das Thema rund um Flüchtlinge und Migration, nicht zuletzt, da die Flüchtlingspolitik gerade als Thema immer brisanter wird und zunehmend von den Medien aufgegriffen wird. Mit dem „Haus International“ in Landshut habe ich genau den richtigen Ort gefunden, einmal selbst mit diesen Menschen, von denen man sonst immer nur im Fernsehen sieht oder in der Zeitung liest, Kontakt aufzubauen und ein wenig in ihre interkulturelle Arbeit hineinzuschnuppern.
Einmal in der Woche treffen sich im „Café grenzenlos“ vor allem Flüchtlinge und Migranten, aber auch andere offene und kulturinteressierte Menschen aus allen Teilen der Welt, um sich untereinander auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Dabei wird jedes Mal ein anderes internationales Gericht gekocht, wobei sich die Leute jedes Mal aufs Neue regelrecht um den Platz in der Küche „streiten“. Jeder will seine Kochkünste unter Beweis stellen und zeigen, was die heimatliche Küche an kulinarischer Vielfalt so hergibt. Dabei durfte ich in den letzten Wochen zum Beispiel Mafé und Yassa aus Senegal, palästinensische Hähnchen-Pfanne oder original syrischen Hummus probieren. Wenn um halb acht das Essen auf den Tisch kommt, ist die Bude meist schon proppevoll. Man sieht Gesichter aller Hautfarben, Menschen von jung bis alt.
Die meisten sind Flüchtlinge – das verrät meist schon das Herkunftsland und die Tatsache, dass der Großteil im Café Männer sind. Die meisten kommen aus Krisenregionen, aus Afghanistan, Syrien, Senegal und Äthiopien. Ich kann mir nur ausmalen, was mein Gegenüber durchmachen musste, um irgendwann hier in Deutschland anzukommen. Genau nachzufragen traue ich mich nicht immer, weil ich unsicher bin, ob sie überhaupt über solche oft schmerzvollen Erinnerungen reden wollen. Manchmal aber tue ich es doch, wenn es sich im Gespräch zufällig ergibt. So erzählt mir zum Beispiel Ibrahim aus Senegal, wie schlimm die Bootsreise durch den Atlantik gewesen ist. 22 Tage auf dem Meer, zusammengepfercht in einem winzigen Boot, hunderte von Menschen. Kinder sterben. Hätte er vorher auch nur geahnt, was da auf ihn zukommt, er wäre in Afrika geblieben, sagt er.
Ich muss schlucken. Frage nach seiner Familie. Und merke, wie seine Augen glasig werden und er mit den Tränen kämpft. Das ist allerdings nur ein kleiner Teil – der weniger schöne im Café grenzenlos. Die meiste Zeit ist die Stimmung ausgelassen und fröhlich. Nach dem Essen trinken wir Tee, spielen Karten oder bringen einander gegenseitig unsere Sprachen bei. Dass viele noch sehr wenig Deutsch sprechen, ist dabei fast egal – zur Not unterhält man sich mit Händen und Füßen. Seit Kurzem helfe ich einem jungen Palästinenser mit seinem Deutsch, während er mir im Gegenzug Arabisch beibringt. Das wollte ich schon immer mal lernen. Dass es eine schwierige Sprache ist, wusste ich – trotzdem bin ich immer noch ein bisschen erstaunt, wie anders die arabische Sprache funktioniert. Schon bei der Aussprache der verschiedenen Laute habe ich Probleme. Doch mit einem Privatlehrer, der noch dazu Muttersprachler ist, lerne ich bestimmt schneller als in einem Sprachkurs in der Uni.
Überhaupt bin ich überrascht, wie gut das Konzept ankommt. Dass Asylbewerber und Migranten sich nicht integrieren wollen, wie es von vielen gerne postuliert wird, daran habe ich sowieso nie geglaubt. Aber mit welcher Begeisterung mittwochs im Café Grenzenlos die ganze Welt zusammentrifft, fasziniert mich jedes Mal aufs Neue. Niemand feindet sich an, keiner grenzt aus, alle helfen mit. Stattdessen treffen wir Helfer immer nur auf eine entwaffnende Herzlichkeit und eine tiefe Lebensfreude, die erkennen lässt, dass die Menschen einfach nur froh sind, dass sich hier, weit weg von ihrer Heimat, jemand für sie interessiert und sie einen Platz in der Gesellschaft finden lässt. Diese Dankbarkeit spürt man. Wenn ich Mittwoch spätabends nach Hause komme, bin ich glücklich. Und selbst dankbar für die wunderbaren Momente und Menschen, die ich erleben durfte. Und wünsche mir jedes Mal, unsere Gesellschaft nähme sich ab und zu ein Beispiel an diesen Menschen, die manchmal viel bessere Menschen sind als wir, die wir sie als Schmarotzer oder Arbeitsfaule pauschalisieren. Denn man muss nur auf sie zugehen und sich auf sie einlassen, dann merkt man, dass wir die Grenzen, die wir immer wieder zwischen uns erkennen, oft ganz einfach selbst bauen.
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