Wer sich einmal mit dem Thema Adoption beschäftigt hat, merkt schnell: je nach Land bedeutet ein Kind als Seines anzunehmen eine Menge Papierkram und nicht zuletzt eine Geduldsprobe: denn manchmal warten Paare monatelang, wenn nicht gar Jahre auf den Anruf, dass ein Kind zur Adoption freigegeben wurde. Bei Erich und Elli Sättele aus Österreich lief das anders. Eine rührende und ungewöhnliche Familiengeschichte…
Wer Ehepaar Sättele, heute bereits beide pensioniert, aber noch sehr fit, beobachtet, sieht schnell: die zwei sind immer noch ein Liebespaar wie man es sich vorstellt. Man sieht ihnen an: die Liebe füreinander ist ihnen keineswegs abhandengekommen und sie sind ein gutes Team. Hört man genauer in ihre Familiengeschichte hinein, spürt man auch, was sie unter anderem so zusammengeschweißt hat: Kinderwunsch, langes hoffnungsvolles Warten und überraschender Kindersegen.
Elli, ihr habt im Juni 1962 geheiratet, bereits im Jahr darauf im April habt ihr euer erstes Kind bekommen. Das zweite ließ einige Zeit auf sich warten. Was war in der Zwischenzeit?
Wir haben uns sehr gefreut, unsere Gabriele war ein echtes Wunschkind. Natürlich wollten wir auch gern ein Geschwisterchen für sie und waren erstaunt, dass es Jahr um Jahr einfach nicht klappte, dass ich nochmal schwanger wurde. 8 Jahre später war uns klar: wir werden wohl keine weiteren leiblichen Kinder mehr bekommen können und hatten den Wunsch, ein Kind zu adoptieren. Wir hatten auch ein Baby aus dem weiteren Bekanntenkreis für 2 Monate bei uns, jedoch wollte die Mutter ihr Kind plötzlich wieder zurück. Das war ein ziemlicher Schlag für uns und kam sehr überraschend.
Nun kam 1971 die Nachricht deiner Freundin, dass ihre Schwester, deren Baby ihr zwei Jahre zuvor bereits bei euch hattet, wieder ein Kind geboren hatte und es weggeben wollte.
Ja genau unsere Claudia war bereits das 8. Kind und die Mutter total überfordert, Nummer 6 und und 7 waren Buben, die wollte sie behalten. Ich fuhr also zu meiner Freundin und mit ihr zu ihrer Schwester. Ich werde das Bild nie vergessen, wie die kleine Claudia im Stubenwagen in der Küche lag, eine braune Strumpfhose hatte sie an. Auf dem Fensterbrett stand ein Fläschchen, das ihr immer eins der anderen Kinder kurz in den Mund steckte, wenn sie unruhig wurde. Sie war scheinbar sehr leicht zufrieden zu stellen. Es waren eigenartige Umstände.
Wie ging es dann weiter?
Letztendlich hieß es: du kannst sie direkt mitnehmen. Es gab damals ja noch kein Handy, mein Mann war beruflich viel unterwegs, ich konnte ihn zunächst nirgends erreichen, später dann über’s Festnetz. Aber ja, Gabriele saß hinten im Auto mit ihr, es gab ja auch noch keine Maxi Cosis, geschweige denn Anschnallgurte.
Das war ja ein aufregender Tag. Wie ging’s dir mit dem, was du gesehen hast?
Wir haben nur positiv gesprochen über ihre Eltern, ich finde das ist schon ein bisschen ein Schock, wenn Kinder erst spät merken, dass sie weggegeben worden sind. „Deine Mutti wollte, dass du es besser hast und deswegen hat sie dich hergegeben.“ – das habe ich immer gesagt und bewusst kein Geheimnis draus gemacht.
Wann hat Claudia erfahren, dass sie nicht eure leibliche Tochter ist?
Eines Tages kam Claudia vom Kindergarten heim, klopft auf meinen Bauch und sagt: „Gell Mama, ich war auch mal in deinem Bauch“ – Ich antwortete ganz offen: „Du warst in einem Bauch, aber nicht in meinem Bauch.“ Das hat ihr vollkommen genügt zu dem Zeitpunkt. Einem 4 jährigen Kind genügt das, es ist viel schlimmer, wenn sie es erst in der Pubertät erfahren.
Als sie dann in der Volksschule war, haben zwei gestritten: „Deine Mama ist eh nicht deine Mama“ – Claudia sagte ganz cool: „Woaß i ehh!“ (weiß ich sowieso) – da hat sie dem Streit gleich den Wind aus den Segeln genommen, sie hat es ja schon gewusst und akzeptiert.
Ich hab aber wirklich nie anders empfunden als bei den eigenen.. Dass das Kind einem mal auf die Nerven geht, klar – aber das ist bei den eigenen auch! 😊 Das hat mir Gott geschenkt, dass es so gegangen ist.
Hat Claudia in irgendeiner Weise Kontakt zu ihren leiblichen Geschwistern?
Sie ist einmal hingefahren. Mit 12 wollte man sie mitnehmen zu ihrer Verwandtschaft, aber da war ich mir sicher: das verkraftet sie noch nicht, wir sollten noch warten. Mit 16 sagte ich: „Wenn du es möchtest, es ist deine Entscheidung.“ Im Endeffekt war sie sehr schockiert von den Eindrücken dieses Nachmittags. Sie wollte dann lang nicht mehr mit, erst als sie schon verheiratet war, hat sie wieder Kontakt aufgenommen zu ihren älteren Geschwistern.
Adoption ging bei euch ja recht unkompliziert und sogar über Bekannte, heute ist das alles nicht mehr so. Wie seht ihr das mit Adoption heute?
Es ist schade, dass es so kompliziert geworden ist. Kinder, die ungewollt und Eltern, die überfordert sind, gibt es ja eigentlich genügend. Und Paare, die sich sehnlichst Kinder wünschen sind dann halt irgendwo auf der Warteliste. Das ist ja das Schlimme. Was mich so schockiert ist, dass so viele in solchen Situationen dann abtreiben, viele kommen ein Leben lang nicht damit klar. Aber so ist ja auch unsere Sprache heute so salopp: „man lässt es wegmachen“…
Bei uns hat das Gericht im Nachhnein bestätigt, dass wir unser „Wahlkind“ zu uns genommen haben und wir als „Wahleltern“ das Sorgerecht haben.
Das sind wirklich zwei schöne und passende Begriffe. Was musstet ihr im Nachhinein noch an Papierkram erledigen?
Wir mussten noch zu einem Notar, In einer halben Stunde war alles vorbei: wir haben einen Adoptionsvertrag aufgesetzt. Der brauchte den leiblichen Vater von Claudia, den wir dann aus ausfindig machen konnten. Er war leider so betrunken, dass er gerade so unterschreiben konnte. Eigentlich ein lieber Kerl, aber halt dem Alkohol verfallen…
Das ärztliche Attest sagte lediglich: „gegen die Annahme eines Adoptivkindes ist ärztlicherseits nichts einzuwenden.“ Natürlich hat auch jemand geschaut, ob sie es eh gut hat bei uns. Wie sie dann adoptiert war, war nichts mehr.
Jetzt war es auch noch besonders ungewöhnlich, dass es nicht bei zwei Kindern blieb. 7 und ganze 10 Jahre nach der Adoption erblickten Sabine und Elisabeth das Licht der Welt – du als ihre leibliche Mutter.
Ja, damit hatten wir wirklich nicht mehr gerechnet, aber haben uns natürlich umso mehr gefreut. Ich denke, dass ich so lang nicht mehr schwanger wurde nach dem ersten Kind musste einfach so sein, sonst hätten wir Claudia nicht in unserer Familie. Die würden wir auf keinen Fall missen wollen! 😊
Susanna größ
Das ist eine wunderbare Geschichte für mich besonders, weil ich diese Familie kenne und auch das “Adoptivkind.” Sie ist eine exzellente Persönlichkeit geworden, eine super Mutter ( sie hat auch selber ein Pflegekind groß gezogen.]Gerade in diesem Fall kann man sehen, wie wichtig eine funktionierende Familie ist und das Resultat ist einfach eindeutig, wie sich solche Familien positiv auf die ganze Gesellschaft auswirken und die Familien unterstützt gehören.
Michaela Urschitz
Vielen Dank für den lieben Kommentar! Ja das stimmt, da wurde viel Segen weitergegeben 🙂