Die Vorbereitung auf ein Interview ist zeitraubend und sehr intensiv. Man überlegt sich Themenkomplexe, spielt Antworten durch und stellt sich letztendlich selbst Fragen. Häufig beginnen diese dann mit: „Was passiert eigentlich, wenn…?“ Und na klar: Alternativ geht auch „Was mache ich nur, wenn…?“ Aber egal, für Zweifel und Unsicherheiten wird später immer noch genug Zeit bleiben, versprochen.
Doch in der Vorbereitung meines letzten Interviews stand zunächst einmal eine Erkenntnis: Es gibt Stars und es gibt Stars. Die einen sind bekannt und reden unter Umständen nur mit dir, weil sie es müssen. Oder nur über das, was tatsächlich Thema ist. Das Gespräch auf eine andere Bahn lenken? Aussichtslos. Schon gar nicht, wenn der Manager dabei ist und sofort, aber wirklich sofort, dazwischenfunken würde.
Die anderen – die gerne noch bekannter wären – sind manchmal die dankbareren Interviewpartner. Auch, wenn sie dich vielleicht nur zur Bekanntheitssteigerung missbrauchen wollen. Sie stehen wenigstens (häufig) frei Rede und Antwort. Das ist zunächst einmal ganz angenehm. Nur selten findet man dagegen wen, der wirklich gerne mit einem spricht – egal worüber.
Is’ das nich’ der von Cobra 11?
Wozu ich Tom Beck nun zählen sollte? Naja, da musste ich schon etwas nachdenken. Inzwischen hatte ich mich hinreichend über den „Star“ informiert, doch ob er nun als Musiker schon ein Star ist? Ich weiß ja nicht. Und was macht man, wenn man eine Situation selbst nicht einschätzen kann? Man fragt jemanden. Also: Straßenumfrage. „Was fällt Ihnen denn zu Tom Beck ein?“, eine ebenso simple wie schnell ausgesprochene Frage.
Nach einer kurzen Denkpause und einem langgezogenem „äääähm“ kam die erste Antwort:
„Is‘ das nich‘ der von Alarm für Cobra 11?“
„Ja, gewesen. Und?“
„Äh, hat ‘nen Film mit Schweighöfer gemacht.“
„Ja, mehrere. Und?“
„Uuuund macht er nicht auch Musik?“
Aha! Da ist doch die Antwort, die ich hören wollte. Auch, wenn sie als Gegenfrage formuliert war. Andere Personen antworteten ähnlich. Also zumindest, wenn man Tom Beck überhaupt kannte. Die RTL-Serie Alarm für Cobra 11 konnte fast jede/r nennen. Die Filme mit Schweighöfer wurden auf Nachfrage genannt. Und erst dann, wenn überhaupt, identifizierte man Tom Beck auch noch als Musiker. Klasse! Wenn man fürs Radio unterwegs ist, nicht gerade die bevorzugte Reihenfolge. Aber okay, schließlich muss hinter dem Musiker Tom Beck mehr stecken als der Autobahnpolizist Ben Jäger.
Das Interview
Samstagnachmittag, es ist kurz vor 17.00 Uhr. Festung Ehrenbreitstein, Koblenz. Tourleiter Christian Weber empfängt mich. Und: Er hat kaum noch Stimme. Häh? Grölt der etwa bei jedem Song mit? Wohl kaum. Er ist sicher einfach nur krank. Stimmt, denn unmittelbar nach diesem Gedanken kam die Bestätigung: „Tom hat das, was ich habe, im Anfangsstadium. Fassen Sie sich bitte kurz, das Konzert geht vor.“ Ja, kein Thema, schließlich wollte ich ihn selbst auch mal live hören, um herauszufinden, ob ich da etwas verpasst habe. Da saß ich also. Unmittelbar vor dem Tourleiter und mit ein paar Bandmitgliedern in einem Raum.
Von Tom Beck keine Spur. Dafür hier und da ein paar Taschen, eine Unterhose und ein Socke auf dem Fußboden. Okay, was soll’s – so sieht’s bei mir zu Hause manchmal auch aus. Alles halb so wild. Wo wohl die andere Socke liegt? Zehn Minuten sind schon um, immer noch kein Sänger, Schauspieler oder was auch immer da. Die Bandmitglieder streamen die Fußball-Bundesliga. Einer ist wohl Schalke-Fan. Gerade ist das 2:1 für Hertha BSC gefallen. Missmut im Raum. Ein anderer blickt auf die Uhr: „Sollten wir nicht langsam mal rübergehen?“ Der Tour-Manager nickt, „Tom kommt gleich nach“, krächzt er. Die Band geht. Stille.
Das Interview – jetzt aber!
Fünf Minuten später. Eine Tür geht auf. Tom Beck betritt den Raum. Mhm, sieht chillig aus: Jogginghose, Tourweste, die Haare wie man sie aus Cobra 11 kennt. Oje, jetzt ihn bloß nicht mit Ben Jäger ansprechen. Tom Beck, Tom Beck, Tom Beck – das ist der, mit dem du jetzt redest. Nicht Ben Jäger! Ich stehe auf, gehe ein paar Schritte auf ihn zu: „Hey, Daniel Schüler, RPR1. Danke erst mal, dass Sie sich noch die Zeit nehmen. – „Hey, kein Thema – ich bin Tom.“ Cool. Lockerer Typ. Also „du.“ Wir setzen uns. Er steckt sich noch schnell ein Bonbon in den Mund, zieht eine Mütze auf. Unauffällig versucht er dabei die Socke wegzukicken. „Ist kein Problem“, sage ich. Tom lacht, „Kennste, was?“ Mist! Durchschaut.
Ich konfrontiere ihn mit meinen Erfahrungen. Meistens bringe man ihn mit Alarm für Cobra 11, weniger mit seiner Musik in Verbindung. Er stimmt zu. Man dürfe eben nicht unterschätzen, dass die Cobra damals jeden Donnerstag rund fünf Millionen Zuschauer hatte. „Es wäre zu viel verlangt, wenn ich nur als Sänger wahrgenommen werden möchte – will ich ja auch gar nicht. Ich muss natürlich damit rechnen, dass der Serienstempel noch an mir haftet.“ Sein Publikum mit Musik zu gewinnen, sei hingegen nicht so einfach, das müsse man sich erst erspielen. Später am Abend wird er genau das auch hier in Koblenz versuchen. Hierher komme er übrigens gerne. Nicht unbedingt als Schauspieler oder als Sänger. Einfach so, als Mensch. Da kategorisiere er nicht. Ob’s auswendig gelernt klingt? Nein: sympathisch, authentisch. „Damals bin ich stehend auf der Seilbahn nach oben gefahren, das weiß ich noch. Da dachte ich ‚krass – da stand ich mal drauf.’ Jetzt bin ich froh, mit meiner Band hier zu sein.“ Wir sprechen weiter. Über die Cobra, seine Filme, sein Leben, seine Musik.
Eine Frage, über die Madonna zuletzt – naja, zumindest gestolpert ist („Bist du glücklich?“), beantwortet Tom Beck souverän. Er sei glücklich, finde es „geil“ was er macht, machen darf. Mal hier, mal dort zu sein. Wir reden über sein neues Album. Der Tourleiter hustet. „Da siehst du, da ist die Quelle allen Übels“, lacht Tom. Nett. Okay, das Album. Das Besondere am neuen Album sei die Sprache. Erstmals komplett auf Deutsch. „Dadurch einen Ticken persönlicher, weil man Wort für Wort arbeiten muss.“ Und: Deutsch verzeihe nicht so viel.
„TOOOR“ – wir zucken zusammen. Da hat es doch tatsächlich einer der Bandkollegen geschafft, sich unbemerkt in einer Ecke zu verstecken. Schalke hat in letzter Minute ausgeglichen. Tom verweist auf den Bayern-Sieg: 3:0 gegen Bremen. Stimmt nicht ganz, wie ich später erfahren werde, aber er redet ja schon eine Weile mit mir. Deutsch. Heißt, man müsse gründlicher arbeiten. Er erklärt mir, was hinter seinen Texten steckt. Es gehe um Beziehungen, nicht immer Liebesbeziehungen. Appelle an Menschen, die zu wenig kommunizieren. Motivationsspritzen für diejenigen, „die ihren Arsch nicht hochkriegen und immer zu Hause sitzen und denken ‚Die Welt ist scheiße.’“ Das müsse nicht sein. Der Tour-Manager zeigt auf seine Uhr. Okay, alles klar, Toms Stimme. Ich ziehe meine Abschlussfrage ein wenig vor, bedanke mich.
Die Erkenntnis
Wir wissen alle, was jetzt noch kommt. Klar, ein Selfie. Und ja, für die Kritiker unter euch: Journalisten im Fantum gehören sich nicht. Ihr liegt vollkommen richtig. Aber wir brauchen das Bild für die RPR1.-Facebook-Seite. Dann kommt mir noch eine Idee. Ich poste das Bild auch auf meiner eigenen Seite. Es dauert nicht lange, da erreicht das Bild über 3.000 User. Es erhält Likes von Menschen, hauptsächlich Frauen oder Fanseiten, die ich nicht kenne. Alles nur, weil ich Tom Beck verlinkt habe. Einige Fans kommentieren, fragen, was er im Interview erzählt hat, wann man es hören könne. Ich antworte ihnen. Alle sind nett, bedanken sich freundlich. Sie sind irgendwie wie der Sänger, offen, locker, sehr sympathisch und authentisch. Und sie liefern mir den Beweis, auf den ich gehofft habe: Tom Beck ist eben doch viel mehr als „nur“ Ben Jäger. Tom Beck ist schon ein Star.
Um 20.00 Uhr beginnt sein Konzert. Ich habe extra gewartet und muss zugeben: Seine Musik ist gut. Die Texte haben was. Mir kommt ein Gedanke: Wir werden Tom Beck nicht mehr bei Alarm für Cobra 11 sehen. Müssen wir auch gar nicht, er macht ja noch genug andere Dinge. Gegen Ende spielt er ein Cover der Münchener Freiheit. „Ohne dich schlaf’ ich heut’ Nacht nicht ein.“ Eines der wenigen Lieder, bei denen sowohl 14-jährige Mädels wie auch 40-jährige Männer mitgrölen. Und ich.
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