Die katholische Kirche in Deutschland hat ein Nachwuchsproblem: Es werden immer weniger neue Priester geweiht. Einer, der es werden will, bereitet sich in Regensburg auf diesen Beruf vor. Ein Portrait von Benedikt Bögle.
In der katholischen Kirche ist gerade viel die Rede vom „Priestermangel“. Immer weniger junge Menschen wollen Priester werden. Im Jahr 2016 etwa wurden in allen deutschen Diözesen zusammen 77 Männer zu Priestern geweiht – 2000 waren es mit 154 doppelt so viele. Der Beruf scheint immer unbeliebter zu werden. Das dürfte an einigen Faktoren liegen.
Einerseits genießt die Kirche heute nicht mehr so großen Respekt wie noch vor Jahrzehnten. Das kann auch den gesellschaftlichen Blick auf den Beruf „Priester“ wenden. Zugleich gehen auch immer weniger Christen regelmäßig in die Sonntagsgottesdienste, dass dabei die Zahl der Berufungen abnimmt, ist kein Wunder. Und auch die Anforderungen an den Priesterberuf werden zunehmend als drückend empfunden. Denn: Wer in der katholischen Kirche Priester wird, verspricht ein Leben im Zölibat – also in der Ehelosigkeit. Keine Beziehungen, keine Frau, keine Kinder.
Und doch: Es gibt junge Männer, die Priester werden wollen und für diesen Beruf brennen. Zu ihnen gehört Martin Seiberl. Der 28-Jährige ist Seminarist des Bistums Regensburg. Im Dezember wurde er zum Diakon geweiht. Das ist auf der ganzen Welt so: Wer Priester werden will, muss zuvor Diakon sein. Das ist ein eigenes Amt innerhalb der Kirche. Der Diakon kümmert sich um Seelsorge, unterrichtet in der Schule, wirkt an der Messfeier mit. Martin Seiberl ist noch für ein paar Monate Diakon, dann wird er zum Priester geweiht werden. Anschließend ist er noch sechs Jahre lang Kaplan: Er arbeitet dann als Priester in einer Pfarrei. Chef ist er dann aber noch nicht.
Martin hat schon einen langen Weg hinter sich. Er ließ sich zum Bankkaufmann ausbilden und holte dann das Abitur nach. Er wollte Priester werden. Er fühlte sich berufen. Nicht, wie man sich das vielleicht manchmal vorstellte, in einem einzigen hellen Augenblick. Martin kann es eigentlich gar nicht recht beschreiben. Man merkt: Das ist eine persönliche Angelegenheit, etwas, das er vielleicht gar nicht in Worte fassen kann. Natürlich gibt es im Lauf der Zeit auch Zweifel an dieser Berufung: „Man hat in dieser Frage immer Höhen und Tiefen. Über einen längeren Zeitraum sollte man sich aber schon damit zufrieden fühlen“, sagt Diakon Seiberl.
Theologisch-wissenschaftliche Ausbildung als Fundament
Fünf Jahre lang hat Martin Seiberl an der Regensburger Universität Katholische Theologie studiert, zuvor besuchte er ein sogenanntes propädeutisches Jahr in Passau. Dort lernen die Priesteramtskandidaten die grundlegenden Dinge über den katholischen Glauben, werden in das Gebetsleben eines Priesters eingeführt und besuchen das Heilige Land. Das Studium war Seiberl besonders wichtig. Auch der Leiter des Priesterseminars, Regens Martin Priller, glaubt an eine wissenschaftliche Ausbildung: „Ein gutes Studium und eine fundierte Ausbildung sind immer ein gutes Fundament.“ Im Theologiestudium beschäftigt man sich etwa mit dem Alten und Neuen Testament, muss die Originalsprachen dieser Schriften lernen, denkt systematisch über Begründung und Grenzen des Glaubens nach und erkundet Geschichte wie Praxisfelder von Theologie und Kirche.
Während des Studiums leben die angehenden Priester im Priesterseminar. Dort wohnen, essen und beten sie zusammen. Sie sollen in der Gemeinschaft zu guten Priestern ausgebildet werden, machen Ausflüge zusammen und bekommen immer wieder auch theoretische Impulse, die das spätere Priesterleben bereichern sollen. Martin Seiberl hat es im Seminar sehr gut gefallen: „Die Zeit hat mein Leben sehr geprägt.“ Jetzt aber ist die Zeit fast vorbei, in wenigen Monaten wird er Priester sein.
Ein herausfordernder Beruf mit ungewisser Zukunft
Martin Seiberl ist sich der Herausforderungen bewusst, die sein Leben als Priester bereithält. Ehelos zu leben, kann in die Gefahr der Einsamkeit führen. Zudem ist ein Priester immer Diener: „Ein Priester ist nicht der eigene Herr über seine Arbeit und seine Zukunft“, so Seiberl. Versetzungen können auf der Tagesordnung stehen und das Aufgabenfeld kann sich von heute auf morgen ändern. Auch Ausbildungsleiter Priller weiß, dass die angehenden Priester vor gewaltigen Herausforderungen stehen: Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Wer heute als junger Priester seinen Dienst antritt, weiß nicht mit Sicherheit zu sagen, wie dieser Dienst in zehn, zwanzig, dreißig Jahren konkret aussieht.“
Begleitung von der Wiege bis zur Bahre
Obwohl die Herausforderungen groß sind, obwohl die Zukunft ein wenig im Dunkeln liegt, brennt etwas in Martin Seiberl. Er will den Menschen seiner Pfarrei den christlichen Glauben nahebringen: „Die Mitte unseres Glaubens ist die Auferstehung. Da war ein Mann historisch erfahrbar tot und lebte dann historisch erfahrbar wieder.“ Diese Botschaft will er den Menschen verkünden, die er schon jetzt als Diakon, mehr aber noch später als Priester vom ersten Augenblick des Lebens an begleiten wird.
An allen wichtigen Nahtstellen des Lebens ist die Kirche mit dabei. Sie begleitet die Geburt mit der Taufe, das Älterwerden mit Erstkommunion und Firmung, den endgültigen Eintritt zu den Erwachsenen mit der Trauung und schließlich das Ende des Lebens mit der Beerdigung. „Du gibst vielen wichtigen Momenten der Menschen Bedeutung. Das ist wunderschön“, sagt Martin Seiberl.
Zölibat als schönes Zeichen
Er sieht den Zölibat auch als Vorteil für seinen Dienst. So sei er viel freier – schließlich kann man auch mitten in der Nacht noch ein Seelsorgegespräch führen, wenn man nicht verheiratet ist und keine Kinder hat. Trotzdem: „Es fehlt auch etwas, so ehrlich muss man sein“, so Seiberl. „Trotzdem ist der Zölibat theologisch ein schönes Zeichen. Die Menschen fragen automatisch, warum man verzichtet. Es signalisiert, dass es noch eine andere Realität gibt als dieses Leben.“
Diese andere Realität ist Martin und seinen Kollegen viel wert. Regens Priller sagt: „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. In Kirche und Gesellschaft ist vieles im Wandel.“ Die Kirche heute weiß nicht, wie viele Menschen in ein paar Jahren noch die Gottesdienste besuchen, wie viele Leute austreten. So wenig das die Kirche weiß, so wenig kann das Martin Seiberl sagen. Aber er vertraut. Er vertraut darauf, dass die Menschen immer Priester brauchen.
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