Dale Carnegie schrieb einmal, dass das am wenigsten erfüllte Bedürfnis des Menschen, die Sehnsucht nach Anerkennung ist. Wenn ich mich in der Welt umsehe, dann finde ich diese Sehnsucht und den Versuch, Anerkennung zu finden, unglaublich oft. Manchmal glaube ich sogar, dass es so stark ist, wie die Triebe, die Freud einst identifizierte.
Über die Illusion: „Ich habe es im Leben geschafft.“
Der neue Job als Manager, die neue Rolex, der neueste Mercedes-Benz GLB, ja manchmal sogar eine Hochzeit, die den anderen zeigen soll: Ja, ich habe es im Leben geschafft. Ich bin erfolgreich, ich bin jemand. Durch Apps wie Instagram wird dieses Phänomen sogar noch mehr in den Mittelpunkt gerückt und bestärkt. Denn plötzlich können wir die Bilder von unseren Luxusgütern, unserem Essen und unserem Bikini-Body für die ganze Welt zugänglich machen, nicht nur für die wenigen Freunde, denen wir es vielleicht früher persönlich gezeigt hätten.
„Wenn wir es gewohnt sind, Gegenstände auszutauschen, dann wird es irgendwann dazu führen, dass es zur Normalität wird, Menschen auszutauschen“
Die Folge ist, dass es Herzchen und Likes aus allen Ecken dieser Welt regnet, vielleicht sogar den einen oder anderen Kommentar wie „Amazing shot!“, der von einem Bot hinterlassen wurde. Und doch reicht es uns nicht. Wir wollen immer höher, immer mehr und bald ist auch der Mercedes, die Rolex oder das neue Haus nicht mehr gut genug. Vielleicht ist sogar irgendwann der Partner oder die Partnerin nicht mehr gut genug, weil er oder sie älter wird oder weil der andere Partner sich langweilt.
Wird es irgendwann normal, Menschen auszutauschen?
Wenn wir es gewohnt sind, Gegenstände auszutauschen, dann wird es irgendwann dazu führen, dass es zur Normalität wird, Menschen auszutauschen. Denn, wenn wir so leben, wie bisher, dann werden die Menschen für uns zu Gegenständen. Sie sind gut, solange sie neu sind und die neuesten Funktionen haben, aber sobald ein neueres Modell rauskommt, hetzen wir dem großen Hype hinterher und vergessen den wahren Wert der Menschen. Wir vergessen, wie viel Liebe und Vertrauen bedeuten und dass es kaum etwas Wertvolleres gibt.
Wir leben in einer Welt, in der es viel einfacher ist, Dinge wegzuschmeißen und sie durch neue zu ersetzen, aber wenn ich mir den alten Baukasten meines Opas anschaue, dann sehe ich im Unterschied zu modernen Schraubenziehern… nichts. Vielmehr noch, ich sehe, wie qualitativ und hochwertig diese alten Geräte hergestellt wurden, sie sollten lange halten und das taten sie auch.
Der Schraubenzieher aus dem Online Shop war zwar auf den ersten Blick sehr modern und hatte tolles Zubehör, aber leider ist er nach einigen Monaten kaputt, denn er war hohl verarbeitet. Diese Metapher lässt sich unheimlich gut auf alles übertragen, was in unserer Gesellschaft Alltag geworden ist:
Die Menschen sehen immer besser aus, dank Lifting, Botox und plastischer Chirurgie, aber sie werden immer hohler. Sie haben immer mehr tolles Zubehör, welches sie durch Kredite finanzieren. Sie werden immer oberflächlicher, immer weniger an anderen interessiert. Immer egozentrischer. Sie lechzen nur noch den Likes und dem Fame hinterher, den sie mit so vielen anderen Usern teilen müssen.
Für wen bist Du wirklich unersetzbar?
Wenn du an deinen Freundeskreis denkst und dir die Frage stellst, für wen du wirklich unersetzbar bist, kommst du auf eine ganz erschreckend niedrige Zahl. Und wenn du noch tiefer gräbst, stellst du fest, dass der Großteil deiner „Freunde“ eigentlich nur Bekannte sind, über die du gar nicht so viel weißt. Wirkliche Freunde, die sich für dich freiwillig aufopfern würden, davon hast du vielleicht zwei.
Ich sage nicht, dass früher alles besser war. Vieles war sehr viel schlechter, aber vieles war auch besser. Die Menschen hatten weniger und waren auch mit weniger zufrieden. Und je mehr man auf die ärmeren Länder schaut, desto mehr wird es einem bewusst: Dort, wo Gastfreundschaft für Fremde noch existiert, dort, wo man nicht nur über das Wetter und Rezepte spricht. Diese Menschen haben oberflächlich gesehen nicht viel, aber sie wollen alles mit dir teilen und sie sind voller Liebe. Sie fragen dich, wie es dir geht, nicht nur, um eine Floskel wie „Danke, gut“ zu hören, sondern weil es sie wirklich interessiert. Weil sie Mitgefühl haben und Empathie. Weil sie noch nicht zu Maschinen geworden sind, die nur noch funktionieren und keine Gefühle mehr zeigen. Weil diese Menschen noch wirklich leben und lieben.
Wege aus der Zwickmühle: Ganz ohne Rolex
Es gibt einen Weg aus dieser Zwickmühle und der heißt Liebe. Liebe zu anderen und Liebe für sich selbst. Mit mehr Liebe zu sich selbst kommt auch die Liebe zu anderen. Und mit der Liebe zu anderen kommt immer mehr von uns selbst ans Licht. Wenn wir liebevoll handeln und es mit einer gesunden Reflektion paaren, dann werden wir viel weniger rücksichtslos handeln, wir werden nicht mehr auf die Oberflächlichkeiten angewiesen sein. Alle Likes werden dann nicht mehr so viel wert sein, wie unser Sein. Und uns werden nach und nach größere Prioritäten bewusst, als die materiellen Dinge. Statt der Rolex wird es möglicherweise Zeit sein. Zeit mit der Familie und mehr Zeit für Liebe und Fürsorge. Zeit ist unser größtes Geschenk an jemanden, denn Zeit kann man niemals zurückgewinnen, man kann sie nur verschenken.
Eine andere Sache ist Zuhören. Wie oft blickt man in leere Augen, wenn man etwas von sich erzählt? Oftmals wartet das Gegenüber nur darauf, dass du mit dem Reden fertig bist, um dann seine eigene Story zu erzählen. Deswegen ist auch hier die Devise: zuhören und fragen! Es fällt uns manchmal gar nicht auf, wie wenig wir zuhören und wie viel sinnloses Gerede wir von uns geben. Aber wir lernen oftmals viel mehr über die anderen und von ihnen, wenn wir wirklich zuhören. Wir lernen, wie sie denken, was sie fühlen und was sie für Menschen sind. Und wir lernen genauso, wenn wir uns in ihnen sehen. Wenn wir mitfühlen oder für sie da sind.
Es sind die kleinen Schritte, die dieser Gesellschaft und dieser Welt die entscheidende Tendenz geben, deswegen sollten wir unseren Einfluss nicht unterschätzen. Wir können nicht alle retten oder für alle da sein. Aber wir können durch unser Denken und Handeln diese Welt verändern.
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