„Ich wurde zur Geburtstagsfeier meiner Freundin nicht eingeladen.“ „Ich habe einer Person anvertraut, dass ich sie liebe und sie wies mich ab.“ „Ich wurde von meinem Therapeuten missverstanden und war tief verletzt.“ Das waren ein paar der Antworten, die ich auf meine Frage „Worüber warst du zuletzt frustriert?“ erhielt. In diesem Interview sprach ich mit Sonja. Ein Arzt meinte zu ihr: „Sie können nur sehr schwer mit Frust umgehen.“ Daraufhin beschäftigte sie sich intensiv damit. Dieser Artikel gibt darüber Aufschluss und dir Inspirationen, wie du dein Leben gelassener gestalten kannst.
Liebe Sonja, wie hast du auf die Konfrontation in diesem Moment reagiert?
Zunächst war ich sehr erschrocken, wie treffsicher diese Beobachtung war. Ich litt darunter, keine hilfreiche Emotionsregulation zu finden, denn ich fühlte mich meinem Frust wie ausgeliefert. Später fühlte ich mich schuldig: „Warum bin ich unfähig, gut mit Frust umzugehen?“ – und schämte mich dafür, dass der Arzt diese Schwäche entdeckte. Ich traute mich nicht, zu fragen, wie ich das lernte könnte. Aber ich nahm mir vor, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen.
Was hast du dabei entdeckt?
Ich überlegte mir zunächst, worüber ich größtenteils frustriert war und wie ich bisher damit umging. Ich war enttäuscht darüber, wie mein Leben bisher verlief. Ich hatte große Pläne gehabt und diese waren mit einer im Jugendalter beginnenden Erkrankung weitgehend nicht mehr so erreichbar. Ich drehte mich größtenteils im Kreis, fand keine Linderung meiner Symptome und isolierte mich immer mehr.
Von Kindesbeinen an verinnerlichte ich die Überzeugung: „Ich bin allein mit meinen Problemen.“ Ich wollte mir nicht helfen lassen, empfand Stolz, weil ich keine Hilfe annahm und war der Meinung, dass meine Familie schon genug Probleme hatte. Frust schluckte ich oft hinunter und suchte Ablenkung bei anderen Aktivitäten. Die ungelösten Probleme schleppte ich von Lebensjahr zu Lebensjahr mit, bis ich eines Tages in eine tiefe Erschöpfung fiel und Panikattacken bekam.
Wie gingst du damit um?
Ich war wie gelähmt in dieser Zeit. Was stimmte denn mit mir nicht? Ich war verärgert und traurig darüber, nur wenig Anschluss in meiner Schulklasse zu finden, keine innerliche Ruhe mehr zu spüren und mein Leben nicht mehr im Griff zu haben. Mit der Zeit stellte sich ein Lebensfrust ein, der mich schließlich in eine Depression führte.
Wie ging es weiter?
Es war, als würde sich ein Schalter in meinem Kopf umlegen und ich wollte mit mir und meinem Leben gar nichts mehr zu tun haben. Ich war weder bereit, in einer Therapie mitzuarbeiten noch an eine Linderung der Depression zu glauben. Ich stellte mich stur und verharrte noch mehr in meinem Lebensfrust, bis ich schließlich nach einer längeren Klinikzeit zu Hause war und mein Leben neu sortieren musste.
Worin hast du neue Hoffnung geschöpft?
Dieser Lebensfrust zog sich noch einige Monate und Jahre hin, bis ich einen Mitpatienten in einer Klinik kennenlernte, der mit mir meinen Frust anschaute. Er fragte so lange nach, bis ich meinen Frust konkretisiert habe. Wir diskutierten so lange, bis ich herausfand, was eigentlich meine Lebensziele waren. Ich stellte fest, dass diese nie konkret und präzise waren. Es war nicht die Erkrankung, die meine Lebensziele zunichtemachte. Ich erkannte, dass ich in einer Frustspirale gefangen war.
Wie konntest du diesen Kreislauf durchbrechen?
Ich hörte eines Tages, wie eine Person aus ihrem Leben berichtete. „Ich komme aus einem armen Land, in dem es viel Leid gibt. Ich gehe vom Leidensweg aus und suche den Weg ins Glück.“ Das brachte mich zum Nachdenken, denn ich ging von einem geglückten Leben aus und war konsterniert über das Leiden in meinem Leben. Ich dachte, ich hätte einen Anspruch auf ein frustloses Leben. Schließlich konnte ich meine Perspektive verändern, meine Neigung zum Perfektionsstreben überdenken und mein Leben mit anderen Maßstäben ausrichten.
Wie sah das konkret aus?
Ich begann, eine Frustliste anzulegen. Ich schrieb mir alles von der Seele, was mich in dieser Lebensphase frustrierte und sortierte nach Kriterien. „Welches nicht-erreichte Ziel steckte hinter dem Frust? Wie kann ich dieses Ziel über andere Wege erreichen? Was kann ich konkret verändern? Was liegt außerhalb meines Wirkungseinflusses? Wofür bitte ich um Mithilfe der Problemlösung?“
Ich entdeckte eine Lösungsmöglichkeit in der Akzeptanz, dass ich etwas, das im Moment nicht veränderbar war, annahm. Ich verstand, dass ich zuerst meine Selbstwirksamkeit aus der Untiefe holen musste. Ich fühlte mich öfters derart ohnmächtig, sodass ich meiner Handlungsfähigkeit kaum mehr Autorität zuschrieb. Ich erkannte, dass vor allem bei Frust eine innere Litanei an herunterziehenden Glaubenssätzen losging und sich in mir ein emotionales Loch an Wertlosigkeit, Selbstabwertung und Selbsthass eröffnete. All das hinderte mich bisher in Klärung, in Ordnung und in eine Entscheidungsfällung zu kommen.
Außerdem rief ich mir immer wieder Aspekte in mein Bewusstsein, wofür ich dankbar war. Schließlich suchte ich mir Werkzeuge zusammen, mit denen ich Probleme lösen konnte. So spürte ich innerlich, was mich belastete, welche Bedürfnisse ich hatte und klärte meine Standpunkte innerlich. Damit ging ich nach außen und versuchte, klar aufzutreten.
Ich begann, Probleme dort anzusprechen, wo sie hingehörten. Davor beschwerte ich mich öfters bei Dritten und belastete diese noch mit. Schließlich war ich auch mit anderen Menschen im Austausch darüber, wie sie mit ihrem Frust umgehen und lernte von ihnen.
Was hat dich besonders inspiriert?
Ich habe besonders gelernt, dass ich immer eine Wahlfreiheit habe, wie ich mit Frust umgehen will. Ich kann wütend, traurig und enttäuscht sein. Mithilfe dieser Emotionen darf ich neue Wege finden, die mich voranbringen. Besonders gefielen mir folgende Frust-Regulationsstrategien: Austausch mit anderen suchen, Tagebuch führen, ein Frustbild malen, eine Mindmap mit konkreten Zielen gestalten, eine Vision formulieren, ins Gebet gehen, meditieren, Bücher lesen, in der Natur verweilen, die Weite des Himmels betrachten, Fotos mit schönen Erinnerungen betrachten, meinen Kopf einschalten und Frustgedanken prüfen, Schwarzmalerei entlarven etc.
Wie erlebst du heute Frust?
Ich empfinde mich jetzt als handlungsfähiger und kann besser mit Frust umgehen. Ich kümmere ich mich zeitnaher um Probleme und gehe sie mutiger an. Sie jagen mir nicht mehr so viel Angst ein. Ich kümmere mich um ausreichend Schlaf und suche vermehrt reizärmere Bereiche auf. So kann ich mein Frustlevel senken und meine Lebensqualität erhöhen.






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