Hans Zimmer kennen die meisten nur auf Vinyl oder in Digital. Jetzt ist er auf Tour und hat 10.000 Zuhörer in der Kölner Lanxess-Arena begeistert. Ein Bericht von Adrian Arab.

Der wahrscheinlich größte Komponist zu Zeiten von „The Dark Night“, „Fluch der Karibik“ und „Madagaskar“ ist kein Mann der großen Worte. Sich und seine Musik erklärt Hans Zimmer selten. Ähnlich sparsam in der Stimme, dafür beispiellos abwechslungsreich in der Komposition, sind die Werke des Oscar-Preisträgers, die den Gesang – wenn überhaupt – als schlichte Ergänzung zu atemberaubenden Instrumentals wirken lassen. Im Vordergrund der oft epischen, manchmal sentimentalen, Stücke steht die gesamte Bandbreite der akustischen Klaviatur – von Elektro bis Orchester.
Minimalismus im Bild – (fast) Größenwahn im Ton
Schlicht im Bühnenbild, dafür mit einer dicht bepackten Bühne, meldet sich Zimmer von Frühling bis Sommer 32 Mal in Europa zu Wort. Von London über Luxemburg bis nach Toulouse nimmt der Wahlamerikaner, dessen Lebensmittelpunkt sich heute unweit seiner Wirkungsstätte Hollywood in Los Angeles befindet, sechs deutsche Städte mit. Nicht dabei: Seine Heimat Frankfurt. Dafür 10.000 glückliche Fans in einer vollen Kölner Lanxess-Arena, seine 15-köpfige Band, 24 Chorsänger und 70 Orchestermusiker.
Mehr als 40 Jahre im englischsprachigen Ausland – erst Großbritannien, heute die USA – haben Einzug in Zimmers Sprache gefunden. Nicht immer wählt er den fließenden Übergang zwischen den 26 gespielten Werken, sondern senkt gerne mal den Taktstock, um in kurzweiligen Pausen zwischen den Stücken von sich zu erzählen. Deutsch zu sprechen, fällt ihm sichtlich schwer, so droht er mehr als einmal: „Wenn’s im Deutschen nicht mehr klappt, dann trage ich auf Englisch vor“. Bei der Drohung bleibt es.
Was sonst niemand hört
Es bedarf eines gewissen Aufwands, mindestens jedoch einer konsequenten Kino-Abstinenz, sich Hans Zimmers Musik erfolgreich zu entziehen. So ist Zimmer für nicht wenige der leise Star inmitten der unvergleichbar lauten Sternchen auf dem roten Hollywood-Teppich. Über sich selbst spricht er selten, auf der Bühne tut er es aber. Er erzählt von seinem Werdegang und zahlreiche Anekdoten aus seiner Arbeit mit Regisseuren wie Ridley Scott, zu dessen Blockbuster „Gladiator“ er den Soundtrack lieferte. Teil der Zimmer’schen Konzertgeschichten – so viel amerikanischer Kitsch muss sein – ist die unablässige Lobpreisung der zahlreichen Solokünstler an diesem Abend. Das passt zu Zimmer, der über sich selbst sagt „die schmerzhaften und schönen Seiten der amerikanischen Kultur“ über die Arbeit an seinen Filmen kennengelernt zu haben. Das Fulminanteste präsentiert Tina Guo mit „Pirates of the Carribean“ und spielt die wilde Meuterei auf einem elektronischen Cello, das mehr einem Staubsauger als dem Original aus Holz ähnelt.
Mit fünfzig Prozent startet Hans Zimmer in den Abend. Die Filmmusik zu „Sherlock Holmes“ macht den Auftakt. Der Spurensucher findet sein Publikum schnell, welches begeistert klatschend auf sich aufmerksam macht. Wie im Fahrstuhl geht es hoch mit der Stimmung, als sich der Vorhang hebt und den Blick auf den 24-köpfigen, Chor aus Weißrussland freigibt. Nun sind die hundert Prozent Begeisterung erreicht!
Zurück in die Kindheit versetzt „Lebo M“ die Zuseher jüngerer Generationen. Den südafrikanischen Sänger hatte Zimmer eingeladen, um der Darbietung von „The Lion King“ seine markante Originalstimme zu schenken. „Moderieren statt dirigieren“ könnte ohnehin der Titel für Zimmers Wirken auf der Bühne lauten. Solide meistert er den regelmäßigen Hechtsprung von Banjo, Keyboard und Gitarre zurück zur dirigierenden Führung seines Musikerteams.
Batman und die doppelte Tragik
Verstummen lässt Zimmer sein sonst aktives Publikum, als der letzte Ton von „The Dark Night“ ertönt. Blechern erinnert die Batman-Melodie in den Köpfen der Zuhörer an zersplitterndes Glas. Fast wäre es anders gekommen. Nachdem Heath Ledger, der im zugehörigen Film den Joker spielte, vor der Premiere in 2008 an einer Überdosis Drogen verstarb, wollte Zimmer den Rotstift ansetzen – das Stück sollte sanfter klingen. Er entschied sich dagegen – „zu Ehren Heath Ledgers“. Das Publikum belohnt die Entscheidung, um wenig später abermals herausgefordert zu werden. Im Jahr 2012 erschoss der der 24-jährige James Holmes zwölf Menschen während einer Kinovorstellung in Aurora, Colorado. „The Dark Night Rises“ war der Film, dessen Premiere die Zuschauer sahen und zu dem auch Zimmer die Musik geschrieben hatte. Der Künstler befand sich zu dieser Zeit in London und schrieb den Trauersong „Aurora“ – einen „Chor ohne Worte“ – noch in derselben Nacht. „Ich wollte die Menschen umarmen“, erzählt er.
Die Zuverlässigkeit Zimmers in der Produktion preisgekrönter Ohrwürmer ähnelt der einer Miele-Waschmaschine. Der Tod seines Vaters und seine folgende Flucht in die Musik legten den Grundstein für Zimmers heutigen Erfolg. Das Publikum in Traurigkeit und keinem Überschwang zu entlassen, dafür aber trotzdem Standing Ovations zu ernten, gelingt nur, wenn’s wirklich gut ist! Mit „Time“ – dem vielleicht größten Bestseller der neueren Filmmusik – gelingt es dem Filmmusik-Papst, der es sich nicht nehmen lässt, den finalen Akt als Klaviersolo zu begehen.
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