Ganz genau, ich bin ein Mensch. Daneben noch eine junge Frau. Und Studentin. Und angehende Journalistin. Aber kein Lilliputaner, Schlumpf, Hobbit oder Zwerg, wie es ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung geschrieben hat. Sein Artikel sollte eine „Würdigung“ für den verstorbenen kleinwüchsigen Schauspieler Michu Meszaros, der Alf verkörpert hat, sein. Eine Stellungnahme von einer Kleinwüchsigen.
Schon die Überschrift geizt nicht an Diskriminierung: „Dank der gigantischen Helden“. Ich bin ein Held, weil ich kleinwüchsig bin? Und auch noch gigantisch? Zeichnet meine Körpergröße wirklich mich als Mensch aus? Wohl eher kaum, denn diese habe ich mir nicht ausgesucht. Ich bevorzuge es, für meine Leistungen im Leben unabhängig von meiner Körpergröße beachtet und wenn sie besonders gut sind auch gewürdigt zu werden.
Im Falle des kleinwüchsigen Schauspielers Michu Meszaros finde ich es sehr traurig, dass seine Leistung lediglich darauf reduziert wird, wie er in einem Kostüm den Alien Alf gespielt hat. Der Mensch und sein Aussehen wurden darunter versteckt. Genauso sieht es hier in dem Artikel der Süddeutschen mit dem Lebenswerk von Herr Meszaros aus. Er hatte noch viel mehr zu bieten, wie beispielsweise seine weitere schauspielerische Leistung oder, dass in Hawthrone bei Los Angeles eine Straße nach ihm benannt wurde.
Kleinwüchsige nur als Nebendarsteller oder Witzfigur in TV und Film
In dem Artikel der Süddeutschen werden vor allem die Rollen von Kleinwüchsigen in einem Kostüm aufgezählt. War in diesem Falle die schauspielerische Leistung der Kleinwüchsigen entscheidend oder ihre Körpergröße nur Mittel zum Zweck? Eine Würdigung dafür, dass ihre Körpergröße kleiner ist als der Durchschnitt.
Damit enthält der Artikel der Süddeutschen gleich die nächste Diskriminierung, indem Kleinwüchsigen nur die Rollen in Märchenfilmen als der Zwerg wie bei „The Game of Thrones“ zugeschrieben wird oder in einem Kostüm bei sämtlichen Spielfilmen. Warum können Kleinwüchsige denn nicht die gleichen Rollen bekommen wie Normalwüchsige auch? Eine Liebeskomödie mit einem kleinwüchsigen Hauptdarsteller, das wäre doch mal was. Und bitte ohne das Thema Kleinwuchs gleich wieder hervorzuheben.
„Kleinwüchsige begeistern schon deshalb, weil von ihnen ein märchenhafter Zauber ausgeht. Weil sie wie Erwachsene wirken, die man in Kinderkörper gesteckt hat. Weil sie sich ähnlich komisch bewegen wie die schlaksigen Riesen Stan Laurel oder Jacques Tati. Weil ihre Stimmen piepsen, als hätten sie Helium eingeatmet. Die Tonlage von Kleinwüchsigen ist meist noch höher als die von Frauen. Das ist beeindruckend für all jene, die ihren Stimmbruch überstanden haben.”
Wo wir schon beim Thema Zwerg sind. Ich bin auch kein Kind und wirke nicht erwachsen, sondern bin erwachsen. Dementsprechend möchte ich auch behandelt werden. Den Stimmbruch habe ich auch mit meinem Kleinwuchs hinter mir, meine Stimme ist glasklar.
Diskriminierung ist für mich Alltag
Ich fühle mich an die Veranstaltung vom Tag der Menschenrechte in meiner Heimatstadt zurückerinnert. Dort war ich als Menschenrechtsaktivistin ebenfalls anwesend und bin mit meinem Fahrrad, was ich zur Fortbewegung nutzen muss nur einen Gang entlang gefahren. Auf einmal kam ein Herr und hat mich angejubelt und geklatscht als wäre ich ein Zirkustier. Der Artikel der Süddeutschen erinnert mich sehr daran, nur mit dem Unterschied, dass es ein Redakteur einer namhaften Zeitung viel besser wissen müsste.
Unwissenheit ist nicht schlimm, sich nicht informieren zu wollen ist mehr als bedauerlich. Kein Mensch weiß über alles Bescheid, es wäre leicht gewesen sich über Kleinwüchsige zu informieren oder noch besser Kleinwüchsige selbst für sich sprechen zu lassen. Mich nervt die Bevormundung als wäre ich ein kleines Kind.
Große Körpergröße, großes Lebensglück – keine Körpergröße, kleines Lebensglück??
„Sehr oft sind sie alles andere als glücklich darüber, so auffällig von der sogenannten Norm abzuweichen. Doch was ist schon die Norm? Eine langbeinige, aufgespritzte Blondine? Ein dicker Macho im Tweedsakko?“
Autsch, der nächste Schlag kommt sofort. Warum soll ein kleinwüchsiger Mensch nicht mit seinem Leben zufrieden sein? Und was soll der Vergleich mit einer langbeinigen Blondine? So viele Stereotype auf einmal habe ich schon lange nicht mehr gelesen.
Warum soll ich mein Lebensglück von meiner Körpergröße abhängig machen? Natürlich fallen mir die Unterschiede in meinem Leben auf und manchmal macht es mich auch wütend oder traurig, wenn etwas nicht gleich gelingt oder ich tatsächlich meine Grenzen erreicht habe. Aber sind Normalgroße nie traurig und können sie alles im Leben machen?
Jeder Mensch ist verschieden und hat verschiedene Stärken und Schwächen. Meine Körpergröße hat sich mein Improvisationstalent gefördert und wer mir einen Stein in den Weg legen will, der ermutigt mich nur noch mehr diesen aus dem Weg zu räumen. Meine Familie hält zu mir, ich habe einen guten Freundeskreis, bin durch die jordanische Wüste gereist, blicke auf ein ganzes Jahr Auslandsstudium in Italien zurück und habe auf sieben Metalfestivals mitten in der Menge gefeiert.
Das macht mich glücklich und unterscheidet mich sicherlich nicht von anderen jungen Leuten meines Alters. Eine Norm brauchen wir nicht. Wir sind alle Menschen.
Was mich vielmehr verärgert ist der Umstand, dass in meine Körpergröße immer wieder sämtliche Eigenschaften hineininterpretiert werden. In der 3. Klasse musste ich mir von einer Lehrerin anhören, dass ich höchstens einmal den Hauptschulabschluss schaffen werde. Zu diesem Zeitpunkt habe ich begriffen, dass von mir immer viel mehr erwartet werden würde. Vor drei Jahren habe ich ein gutes Abitur abgelegt und studiere ebenso erfolgreich. Nur weil meine Körpergröße klein ist, ist meine Intelligenz das noch lange nicht.
Auf der anderen Seite sind Kleinwüchsige Bösewichte wie Alberich oder der „Kampfzwerg“. Meine Körpergröße hat jedenfalls keinen Einfluss auf meine Moral.
Reden ist Gold oder wie man es besser als die Süddeutsche machen kann
Wie schon beschrieben: kein Mensch weiß alles. Am besten wissen immer Betroffene über ihre eigene Situation Bescheid. Dann lasst sich doch gleich selbst sprechen, auch für die Würdigung eines Lebenswerks. Dazu kann ich sehr positiv einen TV-Beitrag vom BR erwähnen. Letztes Jahr im Juni hat mich eine Journalistin einen Tag in der Uni begleitet und daraus einen Beitrag gemacht, in dem ich selbst über mich spreche. Kein Wort wurde mir dabei in den Mund gelegt. Einen Bericht über meinen Studienalltag habe ich für den Beitrag ebenfalls selbst verfasst.
Der Redakteur meint wohl, dass er in dem Artikel besonders lustig war. Versucht euch in die Situation eines Betroffenen zu versetzen. Wollt ihr als Hobbit oder Schlumpf bezeichnet werden?
Dieser Artikel ist eine Stellungnahme zu dem Artikel: Leider ist die Süddeutsche Zeitung bisher nicht zu einer differenzierten Stellungnahme bereit. Wenn ihr Kleinwüchsigen eure Solidarität ausdrücken wollt, dann teilt den Hashtag #KeinZwerg auf Facebook und/oder Twitter und zeigt, dass ihr euch für eine faire Berichterstattung gegenüber Kleinwüchsigen einsetzt.
Mick
Super Artikel 🙂
Lediglich dem Thema “Game of Thrones” stimme ich nicht ganz zu, halte die Rolle von Peter Dinklage sogar für ein ausgesprochenes Positivbeispiel. Der Charakter ist lediglich Kleinwüchsig und hat demzufolge mit Diskriminierung zu kämpfen, ist aber unabhängig davon eine der spannendsten und vielschichtigsten Personen der Reihe.
Ähnlich die Rolle von Christine Urspruch im Tatort.
Andrea Schöne
Vielen Dank für dein Feedback, Mick 🙂
Ich persönlich muss zugeben, dass ich keine wirkliche Zuschauerin von “Game of Thrones” bin, aber habe deine Meinung zu dem Charakter auch schon von einigen Freunden gehört. Ich möchte dabei vielmehr auf den Missstand hinweisen, dass kleinwüchsige Schauspieler ihre Rollen bis heute mehr nach ihrer Körpergröße zugeteilt bekommen. Ein sehr gutes Beispiel sind dabei Märchenfilme. Dort werden die Zwerge bei Schneewitchen auch immer von Kleinwüchsigen gespielt, weil es ja passt. In Spielfilmen sieht man Kleinwüchsige eher selten. Meine Aussage gegen “Game of Thrones” bezieht sich dabei vor allem auf dem Artikel der SZ.
Ich zitiere:
“Einzig Tyrion Lennister verdient dauerhafte Liebe: Der Zwerg säuft, er hurt, er ist eine Laberbacke und ein Klugscheißer, er ist (Achtung, Zitat!) “der Gott von Titten und Wein” und trotz allem eine immer integere und würdevolle Figur.”
Zunächst wird von Zwerg gesprochen und von saufen und rumhuren, das könnten andere Menschen auch auf kleinwüchsige Menschen im alltäglichen Leben beziehen und ist schlicht falsch.
An der Darstellung von Christine Urspruch stört mit das “Alberich”, nicht ihre Rolle im Tatort.
Bianca
Hallo Andrea, ich schreibe gerade an einem Beitrag zum Thema und würde gerne deine Meinung dazu einholen.
ich würde mich freuen, wenn du mir deine E-Mail Adresse sendest.
Liebe Grüße,
Bianca
Andrea Schöne
Hallo Bianca,
sehr gerne beantworte ich dir deine Fragen. Ich schreibe dir meine Mailadresse per E-Mail
Liebe Grüße,
Andrea