In den Medien kann man Konflikte auf der ganzen Welt verfolgen, aber der Kampf in der Westsahara wird kaum thematisiert. Und genau das ist das Problem, vor dem das Volk steht. Man hat es einfach vergessen und das führt zum tödlichen Stillstand.
Was hat es eigentlich mit diesem Land auf sich, das augenscheinlich lediglich aus einem großen Sandhaufen besteht? Die Westsahara ist weit mehr als nur ein Sandhaufen. Das wird allein schon an den Bodenschätzen deutlich, die das Land besitzt. Das Gebiet verfügt über ein großes Vorkommen an Phosphat, Kupfer und Uran. Außerdem wird Erdöl vor der Küste vermutet. Im Norden der Westsahara befindet sich außerdem Schiefergas. Schiefergas ist ein tief unter der Erde im Mutterstein gespeicherter fossiler Brennstoff. Im Gegensatz zu konventionellen Erdgasvorkommen muss dieses Gas mit Hilfe von Fracking aus dem Muttergestein herausgelöst werden. Die rund 1062 km lange Atlantikküste, von der die Westsahara im Westen eingrenzt wird, verfügt außerdem über ein großes Fischvorkommen.
Ein jahrelanger Kampf um die Unabhängigkeit eines Volkes
Im Norden ist die Westsahara eingegrenzt von Marokko, im Nord-Osten von Algerien und südlich von Mauretanien. In diesem Gebiet herrscht ein jahrzehntelanger Krieg. Die Einwohner der Westsahara sind die Sahrauis, welche die Unabhängigkeit der Westsahara fordern. Denn die Westsahara hat eine lange Geschichte und kämpft seit der Kolonialzeit um das eigene Land. Die „Frente Polisario“ ist die einheimische Freiheitsbewegung. Sie kämpft für die Unabhängigkeit des sahrauischen Volkes. Heute tut sie dies größtenteils unbewaffnet und gegen Marokko.
Ein Konflikt zwischen mehreren Ländern mit Besitzansprüchen
Der Konflikt ist zurückzuführen auf die Dekolonisierung. Bis 1975 war die Westsahara Spanien unterstellt. Nach dem Rückzug der ehemaligen Kolonialmacht, beanspruchte sowohl Marokko als auch Mauretanien Gebiete der Westsahara. In diesem Zusammenhang wanderten über 350.000 Marokkaner*innen über die Grenze und ließen sich im Gebiet der Westsahara nieder. Der sogenannte “Grüne Marsch” ging auch einher mit Gewalt, Folter und Ermordung und zwang viele Sahrauis zur Flucht. Die von der Polisario ausgerufene „Demokratische Arabische Republik Sahara“, veranlasste Mauretanien 1979, einen Friedensvertrag mit der Polisario zu schließen und die bisherigen Gebietsansprüche aufzugeben. Daraufhin wurde dieses Gebiet aber zusätzlich von Marokko beansprucht. Marokko hat seither die militärische Gewalt über das Gebiet.
Dies führte dazu, dass das Volk heute in vier Teile geteilt ist: Das von Marokko besetzte Gebiet, ein von der Polisario bewachter Teil und die sahrauische Diaspora, welche auf der ganzen Welt verteilt lebt. Bis heute bestehen große Flüchtlingslager, vor allem in Algerien, in denen sich der vierte Teil der Sahrauis niedergelassen hat. Diese haben zum Teil größere Dörfer bis kleine Städte mit entsprechenden Infrastrukturen errichtet.Seit nun mehr 40 Jahren leben dort mehr als 170.000 Sahrauis, teilweise schon in der dritten Generation. Der Frust wächst täglich, da die Menschen in den Lagern komplett auf Unterstützung von außerhalb angewiesen sind und kein Perspektive haben. Die geographische Lage der Lager mitten in der Wüste machen Landwirtschaft so gut wie unmöglich, wodurch die Menschen abhängig von der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser, aber auch von Gesundheitsleistungen und Bildung sind.
Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Marokko und der Polisario. Erhebliche Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Unterdrückung und Gewalt sind an der Tagesordnung und immer mehr Menschen müssen fliehen. Insbesondere die Sahrauis, die in dem von Marokko besetzten Gebiet leben, werden wirtschaftlich ausgebeutet und unterdrückt. Bei Aufständen und Demonstrationen, die meist auch friedlich ablaufen, aber trotzdem verboten sind, verschwinden immer wieder Menschen und werden in Gefangenschaft genommen.
Der Zustand führt zu Frustration und Gewaltbereitschaft
Insbesondere die jüngste Generation beginnt, nicht mehr auf friedliche Lösungen und die Arbeit der UN zu vertrauen, sondern lehnt sich gegen die katastrophalen Zustände auf. Doch was tun? Das Volk wartet darauf, in sein Land zurückkehren zu können. Viele haben die Bereitschaft, in den Krieg zu ziehen. Doch das Kräfteverhältnis würde den Krieg ganz klar entscheiden. Marokko besitzt nicht nur eine riesige Armee, sondern auch die Landminen rund um die erbaute Mauer. Der Krieg wäre wohl entschieden, bevor er angefangen hätte. Trotzdem sehen die Sahrauis darin ihre einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und so endlich wieder Bewegung in den Konflikt zu bringen, um ihren Wartemodus zu beenden.
Eingreifen der Vereinten Nationen bisher nicht erfolgreich
Die UNO handelte 1991 einen Waffenstillstand zwischen Marokko und der „Frente Polisario“ aus. Ein Referendum über den Status der Westsahara wurde allerdings immer wieder verschoben. Durch die MINURSO, die Mission der Vereinten Nationen, wird der Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario überwacht. Neben dem Anstreben eines Referendums, soll die MINURSO außerdem vertrauensbildende Maßnahmen unterstützen und die Minen- und Munitionsräumung überwachen. Langfristiges Ziel der Mission ist es, eine friedliche, tragfähige und einvernehmlich vereinbarte politische Lösung des Westsahara-Konflikts zu finden. Das Bundeskabinett hat im Oktober 2013, auf Anfrage der UN, den Einsatz von bis zu vier Militärbeobachter*innen der Bundeswehr in der Westsahara beschlossen. Bis heute ist der Westen zu 80 Prozent von Marokko besetzt. Die Gebiete sind geographisch getrennt und die Grenze ist politisch von der UNO anerkannt. 1981 bis 1987 wurde, von marokkanischer Seite aus, ein riesiger Sandwall quer durch die Sahara erbaut, der die marokkanische Seite von den Sahrauis abgrenzen soll. Diese Grenze wird militärisch bewacht und außerdem durch Minen, einen tiefen Graben und Radaranlagen geschützt.
Völkerrechtlich betrachtet, ist die Westsahara kein autonomes Gebiet, sondern der Status ist immer noch ungeklärt. Die Aneignung des Gebietes durch Marokko ist nicht anerkannt und trotzdem zählt Marokko die Westsahara zu seinem Königreich. Das Referendum steht seit über 30 Jahren aus und eine Durchführung ist nicht in Sicht, da sich Marokko klar geäußert hat, einem Referendum nicht zuzustimmen, wenn es die Absicht hat, die Unabhängigkeit der Westsahara anzustreben. Es ist nicht mehr verwunderlich, dass Marokko in politische, ökonomische und kulturelle Projekte investiert und somit versucht, die Westsahara stärker an Marokko zu binden. Insbesondere die Infrastruktur wurde in den letzten Jahren stark ausgebaut. Somit wird auch der Export in die südlich gelegenen Länder gefördert. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen bietet Marokko und dessen Handelspartnern ein lukratives Geschäft, welches sie durch die Unabhängigkeit der Westsahara aufgeben müssten. Fraglich an dieser Stelle ist, ob diese Ansiedlungspolitik nicht als rechtswidrig anzusehen ist. Der internationale Gerichtshof hat hier schon in einem Gutachten einen Verstoß gegen die Genfer Konvention festgestellt.
Gibt es eine Lösung?
Es muss ermöglicht werden, dass die Sahrauis in ihr Heimatland zurückkehren können. Dies wird aber insbesondere durch die errichtete und bewachte Mauer und den Boykott des Referendums verhindert. Der Konflikt ist nicht nur ein humanitäres, sondern auch ein politisches und menschenrechtliches Problem. Als solches muss es unbedingt auch angesehen. Der Konflikt genießt schlichtweg zu wenig Aufmerksamkeit und wird in der internationalen Politik nicht priorisiert. Gleichzeitig gibt es aber auch keine realistischen diplomatischen oder wirtschaftlichen Hebel, um die beiden Parteien zu Zugeständnissen zu zwingen und somit eine langfristige Lösung des Konfliktes zu finden. Nicht zu vergessen ist, dass beide Konfliktpartner wenig aufeinander zugehen und zu wenig Kompromissen bereit sind. Marokko würde einer Autonomie innerhalb des marokkanischen Königreichs von Mohamed VI zustimmen. Die Polisario lehnt dies ab und fordert die Unabhängigkeit. Das Dilemma scheint kaum lösbar zu sein. Das Gedächtnis der internationalen Politik muss aufgefrischt und ein Wandel im Sinne des Selbstbestimmungsrechts des sahrauischen Volkes angestrebt werden.
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