Manchmal fühlt sich das Leben an wie ein riesiger Bahnhof. Menschen steigen ein, steigen aus, haben klare Ziele, Tickets in der Hand, Pläne im Kopf. Und ich? Ich sitze auf einer Bank am Rand und weiß nicht mal, in welche Richtung ich schauen soll.
Nach dem Abi war das zum ersten Mal so. Diese plötzliche Freiheit, die alle so feiern, hat mich eher taub gemacht. Wie zu viel Licht nach dem Kino. Und Jahre später, nach meiner Trennung, war es nicht anders. Da war nicht nur ein Mensch weg, sondern auch die Vorstellung davon, wohin es mit uns hätte gehen können. Und damit auch, wohin ich selbst jetzt gehe.
Das Gefühl, verloren zu sein, kommt leise. Es schreit nicht. Es hockt in den Momenten, in denen du in einer Party sitzt und das Gefühl hast, dass alle einen geheimen Plan haben. Alle wissen scheinbar, wie man lebt, worauf man zusteuert. Nur du nicht. Und du lächelst, trinkst deinen Drink, lachst sogar, und gleichzeitig fällst du innerlich. Still, ohne Aufprall. Einfach nur ein freier Fall in ein Nichts aus Fragen.
Ich habe gelernt, dieses Gefühl nicht mehr wegzudrücken. Auch wenn ich es oft versucht habe. Ablenkung ist leicht, aber sie heilt nichts. Ich habe Phasen gehabt, in denen ich dachte, ich müsste das mit mir selbst klären. Dass es Schwäche ist, sich zu öffnen. Doch irgendwann habe ich es trotzdem getan. Meinen Eltern. Meinen Freunden. Nicht immer laut, oft nur in Halbsätzen. Und manchmal habe ich auch einfach geschwiegen, und jemand hat trotzdem verstanden.
Es gibt Bücher, die haben mich durch solche Phasen getragen wie eine warme Jacke. Café am Rande der Welt, Der Alchimist, Siddhartha. Geschichten von Suchenden, von Menschen, die nicht genau wussten, wohin sie gehören. Sie haben mir gezeigt, ich bin nicht kaputt, nur weil ich mich nicht finde. Vielleicht bin ich gerade deshalb auf dem Weg. Denn wer sucht, bewegt sich. Und wer zweifelt, fühlt.
Oft habe ich gedacht, mit mir stimmt etwas nicht. Ich denke zu viel. Fühle zu viel. Frage zu viel. Aber vielleicht ist genau das meine Stärke. Vielleicht ist dieses Lost-Sein nicht das Ende, sondern der Anfang. Vielleicht ist dieses Taumeln, dieses Nicht Wissen der Raum, in dem wir neu werden können.
Ich wünsche mir, dass wir aufhören, das Suchen als Scheitern zu sehen. Dass wir die Zwischenräume anerkennen, diese stillen, orientierungslosen Phasen, in denen sich mehr verändert, als man von außen sieht. Ich wünsche mir, dass wir einander mehr zuhören, wenn jemand sagt, ich weiß gerade nicht, wie es weitergeht. Und nicht gleich mit Ratschlägen kommen, sondern einfach da bleiben. Aushalten. Gemeinsam still sein.
Verloren sein heißt manchmal einfach, du bist gerade dabei, dich neu zu entdecken. Und vielleicht brauchst du kein klares Ziel, um loszugehen. Vielleicht reicht es, ehrlich zu sein. Sanft mit dir. Und bereit, wieder hinzusehen.
Wenn du dich heute so fühlst, leer, überfordert, still zwischen den Stimmen, dann nimm das ernst. Nicht als Störung. Sondern als Zeichen. Vielleicht beginnt dein Weg genau da, wo du gerade zögerst.
Und das reicht.






Kein Sex vor der Ehe – Kirchliche Einschränkung oder Weg zur Freiheit?
Sehr cooler Artikel, danke dir! 🙂