Das Aus für Rock am Ring. Diese Nachricht schlug vor Tagen ein wie eine Bombe. Jedem Festivalbesucher stockte kurz das Herz. Ganz so schlimm ist es nun doch nicht, aber die drastischen Worte von Rock am Ring-Veranstalter Marek Lieberberg verfehlten ihre Wirkung nicht: Das Thema verbreitete sich rasend schnell. Die neuen Betreiber der hochverschuldeten Rennstrecke in der Eifel, Capricorn, und Marek Lieberberg konnten sich vertraglich nicht einigen. Capricorn wollte mehr am Profit des Rockfestivals beteiligt werden, Lieberberg zog nicht mit, der Vertrag wurde nicht verlängert. Rock am Ring muss umziehen. Der nächste Schock folgte sogleich, als Capricorn bekannt gab, dass sie bereits einen neuen Partner mit ins Boot geholt haben. Die Deutsche Entertainment AG (DEAG) wird ebenfalls ein Rockfestival am Nürburgring organisieren. Das „Grüne Hölle Rockfestival“ wird 2015 am ersten Juni-Wochenende zum ersten Mal stattfinden – ausgerechnet am selben Wochenende, an denen Rock am Ring traditionellerweise immer stattfindet. Da scheint Ärger vorprogrammiert. Dass Capricorn und DEAG pünktlich zum letzten Rock am Ring am Nürburgring bereits Plakate für ihr Ersatzfestival aufhängten, kommt einer Kampfansage gleich.
Und so nahm Marek Lieberberg am Samstag seinen Abschied vom Nürburgring, „weil ich das so gelernt habe“. Die riesigen Übertragungsleinwände vor der SEAT Center Stage bilden die wesentliche Botschaft ab: „Rock am Ring 2015 – Wir rocken weiter!“ Denn kaum war die Katze aus dem Sack, meldeten sich mehrere Veranstaltungsorte von ganz allein bei Lieberberg. Ein neues Gelände ist bereits in Diskussion, der Hockeypark in Mönchengladbach könnte das neue Zuhause des Rockmonsters werden, in dieser Woche setzt man sich zu Gesprächen mit allen Verantwortlichen zusammen. In Woodstock-Manier heizt Lieberberg seine Festivalbesucher zu einem „Wir sind der Ring“-Chorus an, denn dem Festival einen neuen Namen zu geben, das kommt nicht in Frage. Das Festival ist eine Marke für sich, der Name ist nicht von seinem Standort abhängig. Es ist ein bewegender Moment, doch wer meint, dass die Stimmung sich davon trüben lässt, der liegt falsch. Im nächsten Moment betreten die Fantastischen Vier die Hauptbühne und der Anflug von Melancholie verdampft in der prallen Sonne.
Bei Temperaturen, die konstant über 28 Grad liegen, fällt es leicht, die drohenden Wolken über Rock am Ring zu verdrängen. Da geht es um Feiern, um Musik, um Leute treffen. Da wird ganz ausgelassen getanzt, bis der Schweiß in Strömen läuft, denn Rock am Ring ohne Regen? Das gab es noch nie. Das fabelhafte Line-up lässt auch die Hitze nicht mehr ganz so wild erscheinen, für Metallica, den Headliner des Sonntagabends, standen die Besucher stundenlang an, um so weit wir möglich nach vorne zukommen. Bei sengender Hitze versammelte sich die überwältigende Mehrheit der Besucher, ein Menschenmeer, so weit das Auge reicht. Gänsehaut pur.
Die Party ging bereits über drei Tage. Man sah den überwältigenden Auftritt von Iron Maiden, die alles aus ihrer Bühnenshow holten, was ging. Und den teils enttäuschenden Auftritt des Special Guests, der sich als Cro entpuppte und viele Ringrocker mit seiner bloßen Anwesenheit enttäuschte. Der Panda-Rapper stellte sein neues Album „Melodie“ vor und wurde von der erwartungsvollen Menge teils jubelnd, teils mit Buh-Rufen und ausgestreckten Mittelfingern empfangen. Er konnte einem Leid tun, die Nervosität von seiner Seite aus war deutlich spürbar, aber er hat sein Programm tapfer durchgezogen und siehe da, in der zweiten Hälfte seines Gigs war die Stimmung so gut, wie man sie sich nur wünschen konnte. Am Samstagabend lieferten Linkin Park eine spektakuläre Bühnenshow ab. Mit einer großen Anzahl ihrer alten Hits aus den Alben „Meteora“ und „Hybrid Theory“ sorgten sie für große Begeisterung, streichelten die Seelen ihrer eingefleischten Fans und ließen die Menge steil gehen. Auch bei ruhigen Songs aus den neueren Alben gelang es den Megastars, die Stimmung konstant oben zu halten und stellten nebenbei auch noch ein paar neue Songs aus ihrem kommenden Album „The Hunting Party“ vor. Was für ein Erlebnis.
Metallica ließen ihre Fans in der schwülen Abendluft am Sonntag gute 25 Minuten warten, ließen dann aber keine Fanwünsche unerfüllt. Nach dem Auftritt der Alt-Rocker sorgte Rapper Materia für ein großartiges Finale. Bühnengast Campino, Frontmann der Rockband Die Toten Hosen, hatte allen Spekulationen bezüglich des Konkurrenzkampfes zwischen Rock am Ring und der Grünen Hölle eine klare Ansage: „Wo Rock am Ring ist, da werden die Toten Hosen sein“. Und so nahmen vier Tage „Rock am Ring“ schließlich ihr Ende, bei besten Wetter und noch besserer Laune. Erst bei der Abfahrt vom Gelände befällt einen die Melancholie noch einmal, nämlich dann, wenn einem wirklich klar wird: Das war es jetzt. Nie wieder Rock am Ring, zumindest nicht am Nürburgring. Stattdessen wird nächstes Jahr an anderer Stelle weitergefeiert, „Grüne Hölle“ hin oder her. Denn dann wird Rock am Ring 30 Jahre alt. Wer will das schon verpassen?
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