2015 feierten Deutschland und Israel 50 Jahre diplomatische Beziehung. Doch den Grundstein für diese ganz besondere Partnerschaft hat die Jugend gelegt. Den Jugendaustausch beider Länder gibt es schon seit inzwischen 60 Jahren. Auch das musste gefeiert werden und natürlich – mit der Jugend aus beiden Ländern: in Berlin beim deutsch-israelischen Jugendkongress.

Deutsch-Israelischer Jugendkongress in Berlin. Es gab einiges zu feiern: 50 Jahre diplomatische Beziehungen und 60 Jahre Jugendaustausch zwischen beiden Ländern. Um dies zu würdigen, trafen sich in Berlin auf dem deutsch-israelischen Jugendkongress 300 junge Israelis und Deutsche, die selbst in den letzten Jahren mittels vieler Partnerorganisationen, das andere Land kennengelernt haben. Der politische Grund: Die Beziehungen feiern. Der Grund der Jugendlichen: Neugier! Neugier auf die vielen neuen Menschen aus dem anderen Land und auf neue Kontakte. Es wurde einiges miteinander unternommen: Workshops, Diskussionen und Touren durch Berlin. Vor allem wollte die israelische und die deutsche Jugend eines: Miteinander reden und sich austauschen.
600.000 junge Menschen haben in 60 Jahren das andere Land kennengelernt
Die deutsch-israelischen Beziehungen sind etwas Besonderes. Dass sie existieren und dass sich die Jugendlichen dieser Länder treffen und neugierig aufeinander sind, ist durchaus nichts Selbstverständliches. Bundespräsident Joachim Gauck sagte bei seinem Besuch auf dem Kongress: „Überall auf der Welt sind es junge Menschen, die die ersten Brücken bauen!“ In der Tat: Erste Jugendgruppen reisten bereits 1955 aus Deutschland nach Israel. Sie knüpften erste persönliche Kontakte und leisteten Schritte der Annährung zwischen beiden Staaten. Es war somit der Jugendaustausch, der den Grundstein für die diplomatischen Beziehungen gelegt hat, die erst zehn Jahre später begannen. In 60 Jahren wurde der deutsch-israelische Jugendaustausch immer mehr zur Normalität und inzwischen haben mehr als 600.000 junge Menschen aus Deutschland und Israel das jeweils andere Land besucht.
Die gemeinsame Geschichte ist belastet: Doch der jeweilige Umgang mit ihr ist ein anderer
Jeder Jugendliche weiß um die gemeinsame Geschichte – nur der Umgang ist ein Anderer. Alina Leimbach, eine junge Journalistin aus Offenbach, die vor zwei Jahren an einem deutsch-israelisch-palästinensischen Journalismus-Workshop teilgenommen hat, ist unsicher wenn es darum geht über Israel zu reden: „Wenn ich an Israel denke und an die Politik dieses Landes, dann bin ich gehemmt. Ich heiße nicht alles gut, doch wie artikuliere ich das?“ Es gibt deutsche Stimmen – vor allem von Älteren – während dieser Tage, die ihr beipflichten und sagen, dass das die Last ist, den sie als Deutsche zu tragen habe.
Politisch Links? In Israel heißt das, lediglich gegen die Unterdrückung der Palästinenser zu sein
„Wenn ich alleine schon mein Unbehagen artikuliere, werde ich von manchen in die rechtsnationale Ecke gestellt, die sehr gerne sagt: Das wird man ja noch sagen dürfen!“ Der israelische Umgang ist ein anderer. In der Gesprächsrunde, in der Alina ihr Unbehagen äußert, gibt es mehrere junge Israelis, die ihr beipflichten und sagen: „Hey, sprich es doch aus. Du hast ja recht die Politik unseres Landes zu kritisieren!“ An dieser Stelle sei angemerkt, dass die überwältigende Mehrheit der israelischen Teilnehmer am Kongress politisch links ist und der neuen Regierung in ihrem Heimatland mit Schrecken entgegen sehen. „Aber was heißt bei uns schon links“, schmunzelt ein Teilnehmer: „Bei uns ist doch jeder links, der dagegen ist, die Palästinenser zu unterdrücken!“
Der Wannsee: Für Israelis ein Sieg, dort stehen zu dürfen
Die jungen Israelis sind unverkrampft, wenn es um die Aktualität geht und auch um die Vergangenheit? Sicher ist, dass sich viele nicht als Opfer sehen wollen, das bezeugt Uriel Kashi, der in Yad Vashem gearbeitet hat. In einem Workshop, den er geleitet hat, versucht er den verschiedenen Umgang mit der Geschichte, den beide Länder pflegen, zu erklären. Wenn es in Deutschland heißt, dass die Schrecken des Nationalsozialismus sich nie mehr ereignen dürfen, dann ist in Israel das Narrativ ein anderes: „Da heißt es, wir dürfen so etwas, nie mehr mit uns machen lassen!“ Und somit versucht der Staat nach außen stark aufzutreten, um gegenüber möglicher Feinde nicht als schwach zu wirken. Ein Gefühl der Stärke empfand auch Ziv Chen, eine Teilnehmerin, die mit einer Gruppe das Haus der Wannsee-Konferenz besucht hat: „Es ist für mich ein Sieg heute hier zu stehen, an dem Ort an dem die SS-Riege sich entschieden hat, meine Familie und mein ganzes Volk auszulöschen. Durch meine Präsenz und durch meine vielen Gespräche mit den vielen netten Deutschen beweise ich ihnen auf meine ganz eigene Art, dass sie mit ihrer sogenannten Endlösung keinen Erfolg hatten!“
Wenn gute Taten inspirieren
Or Posener hat mit einer weiteren Gruppe die Blindenwerkstatt von Otto Weidt besucht. Or hat in Israel kürzlich seinen Wehrdienst beendet und hat danach in einem Austauschprogramm mit einem deutsch-israelischen Projektteam einen Kurzfilm über Deutsche und Israelis gedreht. Wie viele Deutsche kannte er die Geschichte von Otto Weidt nicht: Wie Oskar Schindler hat in seiner Werkstatt in Berlin, die Besen und Bürsten hergestellt hat, Juden vor dem sicheren Tod bewahrt. Doch er konnte nicht alle retten. Manche Juden, die er versteckte, wurden von einem Juden, der von ihrem Schicksal erfahren hat, verraten und nach Auschwitz deportiert. Es war eine bedrückende Tour im Museum. Die Israelis und Deutschen waren geeint in ihrem Schweigen und in ihrer Trauer über das Schrecken der Nazi-Diktatur. Für Posener hatte aber genau das etwas bitter Schönes: Es ist toll zu sehen, dass die Vergangenheit die Deutschen genauso bewegt wie uns und dass wir die gleichen Emotionen teilen.“ Osener hat für sich etwas mitgenommen von dieser Erfahrung: „Ich hätte nicht gedacht, dass Deutschland derartig stark dem Holocaust gedenkt, das macht mich wirklich froh und hilft mir mit der Geschichte umzugehen! Vielleicht hilft uns Deutschland in den Beziehungen mit anderen Ländern, die uns Juden nach wie vor hassen.“
Bald trilaterale Begegnungen mit jungen Palästinensern?
Der Kongress macht Hoffnung für die Zukunft: Dor Posner, ein Gruppenleiter der Pfadfinder in Tel Aviv möchte sich verstärkt für trilaterale Gruppen einsetzen: „Im Austausch mit den Deutschen ist mir klargeworden, wie wichtig es ist, dass wir uns auch für die anderen Bevölkerungsgruppen in unserem Land einsetzen. Ich möchte nicht nur, dass wir deutsche und israelische Austausche mit den Pfadfindern organisieren, sondern auch, dass wir die Araber Israels dabei haben und auch bald die Palästinenser. Für diesen Gedanken des trilateralen Austauschs machte sich auch Volker Beck (Grüne) stark, der als Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag, dem Kongress einen Besuch abstattete und an einem Zukunftsworkshop teilnahm.
Die Politik spielt immer eine Rolle
Manchmal aber können die deutsch-israelischen Jugendbeziehungen unter politischer Überfrachtung leiden. Nicht nur Volker Beck stattete dem Kongress einen Besuch ab, auch die Präsidenten beider Länder Bundespräsident Joachim Gauck und Reuven Rivlin sowie Bundesjugendministerin Manuela Schwesig. Zusätzlich zu diesen Besuchen mussten sich die Heranwachsenden viele weitere Reden anhören. In einem Theater-Workshop bekamen die Teilnehmer die Möglichkeit ihre Gefühlslage zu äußern: „Willkommen Prof. Dr. Dr. Dr….“ hieß es dann in einer Rede, die den Kongress parodierte. Manche fühlten sich von einem wichtigen Programmpunkt zum Nächsten gescheucht, sodass für den eigentlich jugendlichen Austausch manchmal die Zeit knapp war. Das Programm dieses Kongresses haben Erwachsene gestaltet, die die politischen Komponenten berücksichtigen mussten. Im November können die jugendlichen Beziehungen vertieft werden. Dann soll der gleiche Kongress in Israel stattfinden.
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