
Die Straße in das „Azraq Refugee Camp“ wird ‚Dead Road‘ genannt. Ein holpriger Weg mit Schlaglöchern soweit das Auge reicht führt in das „Camp“. Es ist für bis zu 60.000 Flüchtlinge ausgelegt. Die Syrer leben hier mit ihren Familien unter Wellblechschuppen, ausgelegt für sechs bis sieben Personen. Der Boden besteht aus Steingeröll. Eine Frau zeigt, wie dünn die Matten sind, die sie bekommen, um darauf zu schlafen. Tagsüber sitzen die Familien draußen vor den Hütten in den spärlichen Schattenplätzen. Drinnen ist es zu heiß. Bei den Mitarbeitern von Care gehen täglich unzählige Beschwerden ein. Die Flüchtlinge fordern Elektrizitätsanschlüsse, sowie beispielsweise Verbesserungen der Standorte ihrer Hütten. Das Camp ist in mehrere kleinere Dörfer eingeteilt, jedes Dorf hat einen Wasserzugang. Für davon entfernter gelegene Familien bedeutet das oftmals einen anstrengenden Marsch.
Eine Frau ist neugierig und fragt unsere Studentengruppe, was wir hier wollen. Auf die Erklärung, dass wir die Arbeit von NGO’s wie Care kennen lernen wollen, lässt sie sich nieder. Sie wartet seit zwei Stunden darauf, von der provisorischen Rezeption aufgerufen zu werden, die hier mittendrin aufgebaut ist. „Wissen Sie, die Leute von Care sagen, sie versorgen uns, aber ich fühle mich nicht versorgt“. Die 38-Jährige ist schwanger. Ihr Sohn Mohammad (Namen und Alter sind teilweise nicht exakt bekannt und wurden zum Schutz der Flüchtlinge geändert) hat Diabetes. Zwar in einer schwachen Form, aber er braucht Medikamente. Die er nicht erhält. Warum, weiß sie nicht. Sie glaubt, sie habe etwas falsch verstanden und eine Frist verpasst. Jetzt sollen sie wieder warten. Warten – etwas anderes machen die Menschen hier nicht. Bevor die Frau endlich aufgerufen wird sagt sie: „Ich möchte mein Ungeborenes in mir behalten. Denn in was für eine Welt gebäre ich es hier?“
Während in Deutschland also Menschen gegen Flüchtlingsorte in ihrer Nähe demonstrieren und sich vor steigender Kriminalität fürchten, sterben hier Menschen.
Nun hat das Land nach Aussage von Care mindestens 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die nicht registrierte Zahl dürfte bei mindestens 1,8 Millionen liegen. Während in Deutschland also Menschen gegen Flüchtlingsorte in ihrer Nähe demonstrieren und sich vor steigender Kriminalität fürchten, sterben hier Menschen. Ich habe von Familien gehört, die aus Lagern geflogen sind und draußen in der Wüste starben. Es war ihnen lieber als hier drinnen zu sterben.
Ratten, wilde Hunde, Ungeziefer – und ein Fußballplatz
Die Organisation Care International ist eine Nichtregierungsorganisation, die vor allem gegen Hunger, Armut und Unterdrückung kämpft. In Jordanien ist die Organisation zurzeit vor allem vor das Wasserproblem gestellt: das Land hat mit eines der niedrigsten Wasservorkommen pro Kopf in der Welt. Theoretisch soll jeder Jordanier nur 60 Liter am Tag verbrauchen. Ein relativ sparsamer Deutscher verbraucht 120 Liter am Tag. In den USA werden pro Kopf 350 Liter verbraucht. Im Camp gibt es pro Dorf einen Wasserzugang. Klo und Bad besteht aus einem viereckigen Container mit Gießkanne darin bzw. einem Loch fürs Geschäft.
Außerdem: Wilde Hunde, Ratten, Mäuse, Flöhe, Ungeziefer – die meisten Kinder hier haben Schlafprobleme in der Nacht aufgrund ihrer großen Angst vor den Tieren. Man könnte meinen, die Vereinten Nationen sollten wissen, wie man gegen derartige Probleme vorgeht. Schädlingsbekämpfung ist zwar ungesund, man hätte aber wissen müssen, dass so etwas passiert. Wie kann es sein, dass die Weltgemeinschaft derartige Kleinigkeiten nicht geregelt bekommt, dafür aber Fußballplätze in das Camp baut?
Schreibe einen Kommentar