Am 28. Juni 1914 fielen im serbischen Sarajewo Schüsse, die die Welt und die Menschen verändern sollten. Es war ein Attentat, ein Attentat von serbischen Nationalisten auf den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand. Er und seine Frau, Sophie Chotek, erlagen den Verletzungen. Die Nachricht des Mordes streifte anfangs nicht einmal erschreckend durch Europa, jedoch verfehlte sie ihren politischen Zündstoff nicht. Es begann die "Julikrise", die Europa nun fest im Griff hatte. Österreich-Ungarn erhielt vom deutschen Reich am 5. Juli 1914 den "Blankoscheck" bzw. die "Blankovollmacht", welche dem Vielvölkerstaat jedwede und notwendige Unterstützung sicherte
Der "Blankoscheck" und der historische Kontext der "Julikrise"
Die zu diesem Zeitpunkt folgenden Ereignisse sind aus heutiger Sicht kaum noch nachzuvollziehen. Wieso gab es überhaupt diesen "Freifahrtschein" Deutschlands an Österreich-Ungarn? Dies liegt einerseits an der damaligen deutschen Außenpolitik und andererseits an Kaiser Wilhelm II.. Die Außenpolitik wurde zudem maßgeblich vom Kaiser bestimmt, sodass die weit verzweigte und gut durchdachte Bündnispolitik Otto von Bismarcks schon kurze Zeit später zerbrach. Wilhelm isolierte Deutschland mehr und mehr, sodass es 1914 im Grunde genommen nur noch Österreich-Ungarn als einzigen Partner gab. Hinzu kamen Forderungen des Kaisers auf ein schnelles Eingreifen in Serbien. Dies war nicht nur im Sinne Wilhelms II., sondern auch im Sinne der österreichischen Militärs. Wenn man das Augenmerk auf die anderen Großmächte wie Großbritannien, Frankreich und Russland richtet, so muss man wissen, dass Frankreich und England seit dem 8. April 1904 ein Bündnis, die "Entente cordiale", hatten, dem 1907 Russland beitrat. Es entstand die "Triple Entente", die später gegen die "Mittelmächte" im ersten Weltkrieg kämpfen werden.
Ein militärisches Eingreifen in Serbien… Wieso?
In der Idee Deutschlands und Österreich-Ungarns, man müsse gegen Serbien vorgehen, um die nationalistischen Tendenzen im Land unter Kontrolle zu halten, zeigt sich der Zeitgeist, der Ende des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt hatte und als "Imperialismus" im Jahre 1914 kurz vor seinen Folgen stand. Im europäischen Denken der Regierungen gab es eine Hierarchie unter den Ländern, in der Serbien, wie die anderen Balkanstaaten, unten anzutreffen waren. Doch konnten die enormen nationalen Bestrebungen dieser Länder, wie sie sich beispielsweise im ersten und im zweiten Balkankrieg (1912/1913) entluden, nicht übersehen werden. Diese Bestrebungen wurden besonders für den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarns gefährlich, der zudem eine weitere Bedrohung in dem "Panslawismus", dem Gedanken an eine Vereinigung aller slawischen Völker, sah.
Der letzte Punkt: Jahrelanges "Säbelrasseln", Expansionsbestreben und die Uneinsichtigkeit der europäischen Regierungen.
Mit dem Zeitalter des Imperialismus wurden von den Großmächten Gebietsforderungen gestellt und Länder, vor allem in Afrika, einfach annektiert. Wie man am Beispiel der "Faschoda-Krise" 1898 zwischen Großbritannien und Frankreich sehen kann, oder aber im "Doggerbank-Zwischenfall" 1904 zwischen Russland und Großbritannien, war ein großer Krieg vorprogrammiert, zumindest, wenn die Staaten so weitergemacht hätten wie bisher. Dies war der Fall und zusammen mit unerfüllbaren Forderungen Österreichs-Ungarns an Serbien, sowie der Uneinsichtigkeit der europäischen Regierungen in der "Julikrise" brach der erste Weltkrieg über die Menschheit herein. Ein letztes Mal tritt hier der deutsche Kaiser hervor der mit seinem Cousin Zar Nikolaus II. noch in der "Julikrise" einen raschen Briefwechsel führt. Dort will "Willy" zusammen mit "Nicky" den Frieden sichern, doch es ist zu spät, am 28. Juli erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, die anderen Großmächte folgen, bis es mit dem Eintritt der USA 1917 endgültig zum Weltkrieg wurde.
Die Schrecken des Krieges
Was uns heute besonders fremd erscheint sind die Bilder der jubelnden Mengen, die ihre Soldaten 1914 in den Krieg schickten. Es schien weniger Krieg, denn mehr Abenteuer und "kurzes" Handeln zu sein. Auch der Kaiser war der Meinung, dass seine Soldaten "ehe noch die Blätter fallen" wieder zu Hause seien. Doch so war es nicht. Der erste Weltkrieg dauerte vier lange Jahre. Vier lange Jahre in denen knapp 17 Millionen Menschen ihr Leben ließen. Nie zuvor hatte die Menschheit solche Kriegsschauplätze mit hunderttausenden Toten gesehen. Nie zuvor hat es einen Krieg mit einem solchen Ausmaß gegeben und nie zuvor war der Krieg in einem solchen Umfang präsent. Als Beispiel seien hier nur die unzähligen verstümmelten Soldaten zu nenne, denen Arme, Beine oder ganze Gesichtsteile fehlten.
Was hatte der erste Weltkrieg für Auswirkungen / hat er vielleicht noch heute?
Besonders für Deutschland waren die Folgen des ersten Weltkrieges mit dem Versailler Friedensvertrag fatal. Die deutsche Bevölkerung musste sich nun, aus einer Monarchie kommend, in einer neuen Demokratie, der Weimarer Republik zurechtfinden. Diffamierungen der neuen Demokratie und ihren Trägern durch die "alten Eliten" brachte die Weimarer Republik, zusammen mit anderen Krisen wirtschaftlicher oder radikalpolitischer Art, nach nur 14 Jahren zum Scheitern. Was dann folgte, die nationalsozialistische Terrorherrschaft, ist uns allen wohl bekannt und kann teilweise als kontinuierliche Entwicklung vom Kriegsende gesehen werde.
Weltpolitisch wurde mit dem Ende des Krieges auch das langsame Ende des Imperialismus eingeläutet, welches die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", "le Grand Guerre" wie die Franzosen ihn nennen, ja erst verursachte. Ohne den ersten Weltkrieg wäre das 20. Jahrhundert vollkommen anders verlaufen. Wie und in welchen Maße weiß jedoch niemand zu sagen.
Lernen aus der Urkatastrophe?
Nun stellt sich uns die Frage: Gibt es eigentlich etwas aus diesem Schrecken zu lernen? Meiner Meinung nach ja! Jeder, der einmal über die, durch Bomben und Granaten entstellte Landschaft Verduns gegangen ist, jeder, der dort die unzähligen weißen Holzkreuze gesehen hat und jeder, der mit einer Stimmung aus Trauer, Unverständnis und Mitgefühl durch das Beinhaus von Douaumont gegangen ist, lernt etwas Essentielles zu schätzen. Man erkennt nicht nur die Unsinnigkeit des Krieges allgemein und erfährt, welches Leid er heraufbeschwört: im Falle des Ersten Weltkrieg lernt man auch das Jetzt mehr zu schätzen. Wir können uns heute in Europa glücklich schätzen. In einem Europa, dass seit knapp 70 Jahren keinen Krieg mehr gesehen hat, in einem friedlichen Europa, das den Austausch der unterschiedlichsten Kulturen nicht hindert, sondern fördert. Ein Europa mit Friedensnobelpreisträgern als Bürger. Ein Europa mit Europäern, die aus dem ersten und natürlich auch aus dem zweiten Weltkrieg gelernt haben, wie schrecklich es sein kann, einen Krieg zu führen.
Wir haben gelernt niemals wieder einen solchen Krieg zu führen und erkennen, wenn wir uns die Geschichte ansehen, was Frieden wirklich bedeutet. Somit bleibt abschließend nur noch zu sagen:
"Die Gegenwart kann man nicht genießen ohne sie zu verstehen und nicht verstehen, ohne die Vergangenheit zu kennen." (Sigmund Freud)
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