Im Beruf meines Vaters wird Kundenbetreuung groß geschrieben, dazu gehört auch, dass man immer per Telefon, Fax oder E-Mail einen Ansprechpartner für sein Anliegen findet. Ein Serviceangebot, das zu den normalen Geschäftszeiten gelten sollte – eigentlich. Als mein Vater sein Büro noch in unserer Wohnung hatte, bestimmte das Klingeln des Telefons unseren Alltag, manchmal in „Notfällen“ auch nachts und am Wochenende. Darunter litt unser Familienleben, denn meine Eltern waren ständig gestresst. Viele der Anrufer mit so genannten Notfällen wollten, wenn sie so spät anriefen, nur auf den Anrufbeantworter sprechen und rechneten nicht damit, dass sie in unsere Wohnung verbunden wurden. Nachdem ich ausgezogen war, habe ich mir einen dezenteren Rufton für mein Telefon zugelegt. Trotzdem habe ich in meiner komplett stillen Wohnung manchmal noch ein Phantomklingeln von früher im Ohr.
Das Smartphone ist ein Überkommunikator
Aber nicht nur in der Arbeitswelt auch im Privatleben zwingen uns die vielfältigen Möglichkeiten der Kommunikation immer stärker zu andauernder Erreichbarkeit. Ob SMS, Facebook, E-Mail oder WhatApp, ständig erreichen uns Fragen, Nachrichten, Termine. Um unverzügliche Antwort wird gebeten. Das Smartphone ist das Ausgabegerät schlechthin, eine Art Überkommunikator. Wenn man heute drei Freundinnen in einem Café sitzen sieht, stellt man immer öfter fest, dass miteinander zu plaudern wohl aus der Mode gekommen sein muss. Alle sind mit gesenkten Köpfe in ihr Smartphone vertieft. Dabei haben sie sich doch genau deswegen verabredet…
Anscheinend ist die Angst, etwas auf Facebook oder WhatsApp zu verpassen, so groß, dass dabei die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht unwichtig wird. Denn neben den beiden anderen Freundinnen im Café gibt es zehn andere, für die wir genau in diesem Moment erreichbar sein müssen. Die Ironie daran ist, das wir die vielen Kommunikationskanäle oft nutzen, um uns mit Freunden zu verabreden. Doch wer nicht online ist, ist schnell außen vor. Störend oder unhöflich finden das in unserer Generation der Digitalnatives die wenigsten.
Die permanente Möglichkeit zu kommunizieren gibt uns Sicherheit. Aber nicht ohne Folgen. Die ständige Informationsflut ist zu viel für unser Gehirn. Angestellte, die viel telefonieren und E-Mails schreiben, leiden oftmals unter mangelnder Konzentration oder sogar Depressionen – und sie sind damit nicht mehr alleine. Experten schätzen, dass die Zahl der Internetsüchtigen und die der Menschen mit Aufmerksamkeitsstörungen steigen wird, gerade bei Jugendlichen.
Der Zwang der ständigen Überwachung
Denn der Druck kommt aus allen Richtungen. Viele Eltern beruhigt die Tatsache, ihre Kinder über das Handy immer erreichen zu können. Das ist auch sinnvoll, wenn es mal später wird oder in echten Notfällen. Aber auch hier treibt die ständige Erreichbarkeit seltsame Blüten: Eltern, die ihre Kinder in der Schule anrufen, um sie nach ihren Wünschen fürs Mittagessen zu fragen, die in Panik verfallen, wenn ihre Kinder nicht gleich ans Handy gehen oder auch andersrum Eltern, die ihre Kinder nachts anrufen, um zu kontrollieren, ob ihr Kind das Telefon ausgemacht hat, um vor Strahlung geschützt zu sein. Schlimm wird es, wenn Eltern ihre Kinder versuchen zu überwachen und über alle ihre Schritte und Tätigkeiten informiert zu sein, sei es über Handyortung oder Facebook.
Inzwischen sind meine Eltern umgezogen, in ein Dorf, in dem es kaum Handyempfang gibt. Für mich haben sich die Wochenenden dort am Anfang, als wir auch noch keinen Internetanschluss hatten, angefühlt, als wäre ich auf einer einsamen Insel in einer Art Kommunikationsvakuum. Meinen Eltern ist das nicht so wichtig. Sie haben sich schon vor langem entschieden, auf Mobiltelefone zu verzichten. Unsere Festnetznummer haben nur Verwandte und enge Freunde, damit das private Telefon auch privat bleibt. In unserer Familie ist es seit dem viel harmonischer und ruhiger. Deswegen: Vielleicht das Handy einfach mal öfter abschalten, auch wenn’s schwerfällt.
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