Über das Ende seines alten Lebens entschied Uli Hoeneß dann doch selbst. Er akzeptierte die dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung in Höhe von genau 42.612.148 Euro. Dem Ball entgegen gehen und nicht warten bis er ankommt. Versuchen, das Spiel selbst zu dominieren, zu gestalten, auch wenn es verloren scheint. Und im letzten Moment noch einen tödlichen Pass spielen, der allen den Mund offen stehen lässt. Das macht die Niederlage tragbarer, so hat es Uli Hoeneß immer gemacht. Man kann nur vermuten, ob es seine Berechnung war, auf eine Revision des Urteils vom Landgericht München II zu verzichten. Denn die Chancen standen nicht gut, in einem zweiten Anlauf vor dem Bundesgerichtshof besser abzuschneiden. Im besten Fall hat die Überlegung den inneren Vorwärtstrieb ergänzt. Ein Trieb, der das Leben des gebürtigen Ulmers seit seiner Kindheit prägt.
Es ist Pfingsten 1960. Hoeneß ist acht Jahre alt und fußballerisch ein Riesentalent. Er schießt mit seinen Toren den SSV Ulm ins Finale der Bezirksmeisterschaft. Das Finale überschneidet sich jedoch mit dem Aufenthalt in einem Zeltlager. Doch Sturkopf Hoeneß entscheidet sich, 50 Kilometer mit dem Fahrrad nach Ulm zu fahren und schießt seine Mannschaft mit fünf Toren nach 0:4 Rückstand zum Sieg.
Sturkopf mit Geschäftssinn
Bereits zu Schulzeiten strotzte Hoeneß vor Selbstvertrauen, Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft. Er war Musterschüler, Klassenbester und hatte den großen Willen, ganz nach oben zu kommen. „Ich war bereit, hart zu arbeiten, aber ich wollte die Sonntage sorgenfrei verbringen können“, sagte Hoeneß. Diese Lebenseinstellung zog sich wie ein roter Faden durch seine Laufbahn als Spieler, Manager und Präsident. Der Sport zehrte seinen Körper schnell aus, doch der Geschäftssinn des Metzgersohns blieb. Mit 27 Jahren wurde Uli jüngster Manager der Bundesliga-Geschichte. Zu dieser Zeit machte der Verein rund 6,1 Millionen Euro Umsatz und hatte 3,6 Millionen Euro Schulden.
Mittlerweile vermelden die Münchener eine Umsatzsteigerung auf 528,7 Millionen Euro, einen Gewinn nach Steuern von 16,5 Millionen Euro, sie haben Personalkosten in Höhe von 215 Millionen Euro und ein Eigenkapital von 405 Millionen Euro, was ohne den ehemaligen Manager nicht möglich gewesen wäre. Neben zahlreichen nationalen Titeln verhalf er dem FC Bayern zum UEFA-CUP-SIEG 1996 und Champions-League-Sieg 2001 sowie 2013. Eines seiner größten Projekte war der Auszug 2005 aus dem Olympiastadion in die moderne Allianz Arena, welche durch wirtschaftlich kluges Handeln bereits abbezahlt ist.
Spielsucht und Dominanz
Es war die Phase seines Lebens, in der sich das Geld mit ihm beschäftigt hat. Er verlor zig Millionen an den Devisenmärkten, gewann und verlor erneut. Er versuchte selbst, die Börse zu dominieren. Er wurde begleitet vom Rausch, der inneren Unruhe, dem ständigen Verlangen zu „zocken“. „Ich hab es als Börsensucht beschrieben. Es war der Kick, Adrenalin pur.“, sagte Hoeneß. Mittlerweile scheint er geheilt. Doch es bleibt die offene Frage, wie krank er wirklich war und ob er therapeutische Hilfe bekommen hat.
Er machte den FC Bayern zu einer Weltmarke. Die wirtschaftliche und sportliche Dominanz spaltete das Fußball-Land. Doch Hoeneß war es egal. Er wollte das Ergebnis seiner erfolgreichen Arbeit sehen. Misstöne über diese konterte er hemmungslos. Er polterte, hat sich aufgeblasen und warf mit Worten um sich, die ihm in den Sinn kamen.
Hoeneß = Mensch
In dem brodelnden Hoeneß steckte auch immer ein anderer Mensch. Nachdem Dominik Brunner von zwei Jugendlichen an einem Bahnsteig totgeschlagen wurde, stellte sich Uli Hoeneß in die Rasenmitte der Allianz-Arena und predigte den 69.000 Zuschauern Zivilcourage. Er spendet immer wieder größere Beträge für Bedürftige und plant „Aufbau-Arbeit“ zu leisten. „Ich möchte mal ein, zwei Monate die Welt von einer anderen Perspektive anschauen. Da gibt es in Afrika oder auch möglicherweise hier um die Haustür genug Aufgaben, derer man sich annehmen könnte“, so Hoeneß.
1982 überlebte er als Einziger einen Flugzeugabsturz. Er hat im hinteren Teil der Maschine geschlafen und kann sich bis heute nicht an das Unglück erinnern. Doch Hoeneß ist kein Mensch, der sich mit Fragen über Zufall oder Schicksal aufhält. Wer solche Katastrophen überstanden hat, entwickelt die Vorstellung unverwundbar zu sein. Doch das Gefühl kann einen binnen weniger Wochen täuschen.
Das neue Leben
Anfang Juni 2014 trat Uli Hoeneß seine Haftstrafe in Landsberg an. Nach nur sieben Monaten hinter Gittern wurde er wegen guter Führung zum Freigänger. Bereits Weihnachten und Silvester durfte er an der Seite seiner Familie verbringen. Heute ist er auf eigenen Wunsch verantwortlich für den Nachwuchsbereich des FC Bayern, muss sich aber über Nacht zurück in die JVA zurückbegeben. Uli Hoeneß war sich um sein Leben und seine Position zu sicher. Ob er jemals sein Leben als Gutmensch zurückbekommen wird, bleibt offen.
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