Der Freiwilligendienst im Ausland – nie zuvor war er so beliebt unter jungen Abiturienten, die sich nach der Schule für ein so genanntes ‚Gap Year‘ entscheiden, und auch in anderen westlichen Staaten, den USA oder Großbritannien beispielsweise, boomt der Trend. Sicherlich liegen ehrenvolle Intentionen zugrunde, doch diese hohe Präsenz von Ausländern in den Dritte-Welt-Ländern kann verschiedene Probleme mit sich bringen – Neokolonialismus, Bevormundung und Tatenlosigkeit sind nur Beispiele einer langen Liste.

Auch ich befinde mich gerade in der eingangs beschriebenen Situation: anstatt ein Studium zu beginnen, zog es mich nach Peru, um hier in einem Armutsviertel von Lima Entwicklungshilfe zu leisten. Das Team meines Projekts besteht aus ausländischen Vollzeitfreiwilligen und peruanischen Beteiligten, die meist nur am Wochenende teilnehmen können. Bei unserem letzten Meeting stellten wir uns der Frage, ob die Arbeit ausländischer Freiwilliger wirklich hilfreich ist, oder ob die Entwicklungshilfe nicht lieber Einheimischen überlassen werden sollte.
Erweiterung des Horizonts – für die Freiwilligen, die Einheimischen und das Projekt
Natürlich gibt es Vorteile, die ein internationales Team mit sich bringt: Kapital ist beispielsweise vorhanden, ob nun in Form von Geld, Technik oder Studium. Gleichzeitig können es sich weitaus mehr Ausländer leisten, für mehrere Monate gänzlich unentgeltlich in Vollzeit zu arbeiten, als Peruaner, die häufig nicht nur sich selbst ernähren müssen, sondern auch die Familie. Zudem werden internationale Beziehungen gefördert: Stereotypisierungen werden widerlegt, sowohl auf Seiten der Freiwilligen, die realisieren müssen, dass man in Eingeborenenstämmen heutzutage auch Handys und Computer finden kann, als auch in den Empfängerländern, wo das Bild des reichen, ignoranten Weißen verbessert werden kann. Durch die verschiedenen Herkunftsländer der Freiwilligen kommen auch unterschiedliche Bildungsformen zusammen, mannigfache Blickwinkel und Überzeugungen, Kulturen und Gebräuche, die erfolgreich verwendet werden können, um ein integratives Programm für das Projekt erstellen zu können. Ich persönlich habe eine gänzlich andere Ausbildung genossen, als meine peruanischen oder amerikanischen Kollegen und jeder hat unterschiedliche Ideen für die täglich stattfindenden Workshops. Durch unser internationales Team laufen wir nie Gefahr, die peruanische Kultur außen vor zu lassen oder gar zu unterdrücken.
Was geschieht, wenn Kulturen kollidieren?
Eben dieser Vorteil kann aber auch zum Nachteil werden. Während die oben genannte Situation das Ideal darstellt, sieht die Realität häufig anders aus. Denn wenn viele Kulturen zusammenkommen, finden sich auch Widerstände, und diese können schnell zu Meinungsverschiedenheiten führen. Nicht selten können von Ausländern geleitete Organisationen schnell neokolonialistisch anmuten, deshalb ist hier die Beteiligung der Einheimischen erforderlich. Auch Kommunikationsschwierigkeiten können schnell zu einer schlechten Dynamik des Projekts führen. Allzu häufig landen Jugendliche in Gemeinden, in denen sie mit den Menschen nicht nur hinsichtlich der Lebensweisen wenig gemein haben und zudem auch keine effektive Möglichkeit zum verbalen Austausch gegeben ist. Dennoch wird von ihnen erwartet, signifikante Veränderungen zu bewirken.
Es fehlen oftmals Erfahrungen, was die Strukturen und Vorgänge im jeweiligen Land betrifft, dies kann mitunter zum Kulturschock führen, den Einheimische mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erleben würden. Ein weiterer nennenswerter Punkt ist die kurze Zeitspanne, die einem Entwicklungshelfer zur Verfügung steht. Nur wenige Monate wird er in dem Land verbringen, bevor ihn die Verpflichtungen im Heimatland zurückrufen. Von einem Tag auf den anderen ist der Mensch verschwunden, der sich (im Idealfall) über die vergangenen Monate das Vertrauen der Menschen erarbeitet hat. Der Zyklus von immer neuen Freiwilligen erschwert es oft, Beziehungen aufzubauen. Die Gemeinde ist distanzierter, weil jede Bindung ohnehin ein Verfallsdatum hat. In Waisenhäusern in Kambodscha wurde sogar nachgewiesen, dass der ständige Wechsel der Bezugspersonen zu gravierenden Vertrauensproblemen bei den Kindern führte.
Mein persönliches Projekt wurde damals von Amerikanern gegründet, jedoch initiiert von Peruanern. Der Bezirk, in dem wir agieren, entstand vor nur 17 Jahren in der Wüste Limas durch arme Zuwanderer vom Land und ist berühmt für die Eigeninitiative seiner Bewohner. In Lomo de Corvina, einem Viertel dieses Bezirks, leben über 70 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Wir bieten dort durch Workshops und Kurse eine Möglichkeit zur Entfaltung und zum Erlernen wichtiger Fähigkeiten. Das Ziel ist, in den kommenden Jahren die Geschäftsleitung gänzlich peruanisch zu gestalten und auch hierzulande als Nichtregierungsorganisation eingetragen zu werden. Dennoch sollen die ausländischen Freiwilligen weiterhin ein großer ausführender Teil des Projekts bleiben.
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