Gesünderer, nahrhafter, leckererer – wenn über Superfood geredet wird, dann meist in Superlativen. Sie sind die Superhelden unter den Lebensmitteln. Aber Batman war nichts ohne sein Batmobil, Spiderman konnte nicht fliegen und der Anblick von Kryptonit ließ auch Superman erblassen… und so stellt sich die Frage: Ist Superfood wirklich so supergut?

Nach unseren Instagram-Accounts und Social-Media-Plattformen erobern sie nun auch unsere lokalen Supermärkte. Dass man beim Wort „Matcha-Tee“ oder „Chia-Samen“ nicht länger verdutzt aus der Wäsche guckt, heißt nämlich nicht zwingend, dass man Food-Blogger oder Veganer ist. Wer in den letzten Monaten beim Einkaufen die Augen offengehalten hat, wird gemerkt haben: Plötzlich sind da Lebensmittel, die preislich wie namentlich den Rahmen sprengen. Neben den urdeutschen Klassikern wie „Gewürzgurken“ und „Kartoffeleintopf“ zieren auf einmal exotische Namen die Etiketten in den Regalen.
Sie kommen aus fernen Ländern und versprechen fast medizinische Wirkungen. Soja, Goji-Beeren, Chia-Samen… von sogenannten „Superfoods“ ist die Rede. Was genau macht sie so besonders? Halten sie was sie versprechen? Und vor allem: Lohnt sich die Investition? Eine kleine Aufklärungsreise.
Acai-Beere
Diese „Blaubeere des Amazonas“ verspricht Schlankmacher und Faltenkiller in einem zu sein. Durch UV-Strahlung entstehen freie Radikale in der Luft, die die Haut angreifen und kleine Fältchen verursachen. Mit ihrem überdurchschnittlich hohen Anteil an Antioxidanten wirkt die Acai-Beer (sprich: a-ssai) hautglättend und ist eine beliebte Zutat in der Naturkosmetik. Häufig gibt es sie außerdem in Pulver oder Kapselform als Diätmittel zu kaufen. Ihre Inhaltsstoffe sollen angeblich den Stoffwechsel ankurbeln und die Kilos purzeln lassen… Bisher konnte dies jedoch nicht in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden. Schädlich ist die Amazonasfrucht sicher nicht, denn sie enthält außerdem die vom menschlichen Körper nicht produzierbaren aber trotzdem essentiellen Fettsäuren Öl- und Linolsäure.

Chia-Samen
Sie dürfen in den angesagten „Breakfast-Bowls“ nicht fehlen: Chia-Samen. Die Leinsamen-ähnlichen Körnchen haben die Fähigkeit, etwa das 12-fache ihres Gewichts an Wasser zu binden. Lässt man sie in Flüssigkeit quellen, ergeben sie eine Art Schleim, der gerne als Pudding verzehrt oder als Eieresatz in Kuchen und Sahneersatz in Speiseeis dient. Chiasamen-Pudding hält lange satt und gibt Kohlenhydrate langsam ins Blut ab, weswegen er ein beliebter und nachhaltiger Energielieferant beim Sport oder im stressigen Alltag ist. Das hatten auch schon die Mayas rausgefunden, denn das Wort „Chia“ heißt in ihrer Sprache „Stärke“, der Name ist somit Programm. Was für das indigene Volk gut war, muss es nicht unbedingt auch für uns sein. Die tatsächliche Wirkung bzw. die mögliche Nebenwirkung der Samen ist noch weitgehend unerforscht und so hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit die empfohlene Verzehrmenge auf 15 Gramm pro Tag beschränkt.
Matcha-Tee
Bekanntermaßen sind die Japaner die langlebigsten Menschen der Welt. Ob das wohl am grünen Matcha-Tee liegen mag? Der findet nämlich auf den Teeplantagen im Herzen der asiatischen Insel seine Heimat, wo die zarten Blätter in mühsamer Arbeit wochenlang beschattet, gedämpft und getrocknet werden. Durch das Mahlen in Granitsteinmühlen entsteht das grüne Pulver, das nicht länger nur in Reformhäusern zu finden ist. In heißes Wasser gerührt, ergibt es ein giftgrünes Lebenselixier, auf das nicht nur Buddhistische Mönche und Zen-Meister, sondern auch Stars wie Eva Padberg und Liv Taylor schwören. Neben einer wachmachenden Wirkung (etwa fünfmal so hoch wie die von Kaffee) kennzeichnet sich Matcha-Tee durch eine besonders hohe Dosis an Epigallocatechingallat (EGCG) aus. Dieses Polyphenol, das auch in anderen grünen Tees enthalten ist, wirkt vorbeugend auf Herz-Kreislauferkrankungen und Schlaganfälle. Allerdings lassen sich die lebenserhaltenden Superkräfte des Matcha-Tees auch etwas kosten: mit Preisen von bis zu 50 Euro pro 30 Gramm ist es das teuerste unter den „Superfoods“. Hinzu kommt die aufwendige Zubereitung durch das Aufschäumen mit einem speziellen Bambusbesen.
Goji-Beeren
Die Goji-Beere, die im deutschen Raum auch den weniger spektakulär klingenden Namen „Gemeiner Bocksdorns“ trägt, verspricht uns alle zu kleinen Dorian Grays zu machen. Die in China und der Mongolei beheimatete Beere wird dank ihrer Anti-Aging-Wirkung von der Lebensmittelindustrie als Jungbrunnen beworben. Inwiefern dahinter nicht mehr als eine ausgeklügelte Marketing-Strategie steckt, bleibt jedoch umstritten: laut der Europäischen Lebensmittelbehörde konnte die alterungshemmende Wirkung nicht in Studien belegt werden. Auch wenn sie somit unsere Haut nicht zum Strahlen bringen mögen, kann den Beeren die hohe Dichte an Nähr- und Inhaltsstoffen nicht abgesprochen werden. Neben dem Klassiker unter den „Superfoods“, den Antioxidanten, enthalten Goji-Beeren 19 verschiedene Aminosäuren, davon 10, die für den Menschen essenziell sind und nicht vom Körper selbst synthetisiert werden können. Außerdem wäre Popeye mit Sicherheit von Spinat auf Goji-Beeren umgestiegen, wenn er gewusst hätte, dass schon 50 Gramm der Wunderbeeren die Hälfte des Tagesbedarfs an Eisen decken.
Tückische Superkräfte

Genauso wie Superhelden haben auch „Superfoods“ ihre Macken. Ihre exotische Herkunft macht sie ebenso attraktiv wie teuer und gefährlich. Die Grenzwerte für die landwirtschaftliche Nutzung von Pestiziden sind in Ländern wie China oder Brasilien sehr viel niedriger als die der EU-Richtlinien und so konnten in vielen der Lebensmittel Rückstände von Schadstoffen nachgewiesen werden – ein Biosiegel gilt hier nicht immer als Qualitätsgarant. Und nicht nur für unsere Gesundheit können „Superfoods“ schädliche Folgen haben, auch die Natur wird in Mitleidenschaft gezogen. Die weiten Transportwege erhöhen die Emissionen und damit die Umweltverschmutzung, außerdem ist in manchen Fällen der Bestand und die Artenvielfalt gefährdet.
Nicht immer ist drin, was draufsteht
Dass die sogenannten „Superfoods“ durchaus super sein können, bleibt also unumstritten, dass vieles daran aber auch Mythos und Marketing ist, ebenso wenig. Viele der Produkte können aufgrund der weiten Transportwege nicht frisch bei uns verkauft werden, sondern kommen in Form von Pulver, Pillen oder Säften in unseren Supermärkten an. Viele der positiven Eigenschaften gehen dadurch verloren. Glaubt man außerdem der ayurvedischen Medizin, so sind die Pflanzen und Lebensmittel für uns am besten, die in unserer unmittelbaren Umgebung wachsen, denn unser Körper hat sich Klima und Umwelt angepasst. So mag elektrolytisches Kokoswasser für ein vom tropischen Klima erhitztes Gemüt wohltuend wirken, an einem verschneiten Wintertag jedoch herzlich wenig zu unserer Gesundheit beitragen. Und tatsächlich stehen viele unserer hiesigen Lebensmittel den vermeintlichen „Superfoods“ in nichts nach. Die Wirkung der Chia-Samen ist beispielsweise vergleichbar mit der der Leinsaat, auf dessen entschlackende Wirkung schon Oma schwor. Und in Sachen Antioxidanten kann es die Acai-Beere locker mit der deutschen Heidelbeere aufnehmen.
Die goldene Mitte finden
Grundsätzlich können die ausländischen „Superfoods“ also eine gute Ergänzung zu unseren eigenen „Superlebensmitteln“ sein. Wie so häufig geht es um die richtige Balance. Ein süßes Müsli wird nicht nur durch Goji-Beeren zum Schlankmacher und wer vom Sofa aus Matcha-Latte schlürft, lebt auch nicht gesünder. Viel wichtiger ist eine abwechslungsreiche, ausreichende und ausgewogene Ernährung mit einer gesunden Portion Bewegung. Es ist also nichts falsch daran, dem neumodischen Trend zu folgen, solange man Altbewährtes im Hinterkopf behält. „An apple a day, keeps the doctor away.“ („Ein Apfel am Tag und dir bleibt der Gang zum Arzt erspart.“) – und Äpfel gibt’s zum Glück auch in Deutschland.
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