Studium, Tag 1. Die Internationals frieren auf den eisigen Kirchenbänken – der einzige Ort, der die bunte Studentenzahl an diesem Morgen in Den Haag unterbringen kann. Eine Frage bringt Dynamik, hunderte von Armen heben sich. „So you are also German?“
Die Beliebtheit holländischer Hochschulen bei Deutschen ist nicht neu und entfachte vor zwei Jahren sogar fast eine Krise der Deutsch-Niederländischen Kooperation. Schon damals waren es 24.000 deutsche Studenten in Holland. Die Regierung in Den Haag verlangte eine Kostenbeteiligung Deutschlands an den immerhin etwa 6.000 Euro pro Student und Jahr. Der Deal scheiterte zwar – nicht zum Nachteil der holländischen Unis. Die staatliche Förderung beträgt weiterhin mehrere tausend Euro für jeden eingeschriebenen Studenten.
Motivation Auslandsstudium
Deutsche Studenten lieben die Mobilität. Neben den Spaniern verbringen sie am meisten Auslandssemester in der Europäischen Union. Während ein Auslandsaufenthalt während des Studiums für die meisten fast selbstverständlich ist, besteht laut der ZEIT ein Trend zum vollständigen Auslandsstudium, besonders in Österreich und den Niederlanden. Das gewaltige Angebot an englischsprachigen Programmen in Holland scheint dem Zeitgeist einer Studentengeneration zu entsprechen, die an Globalisierung glaubt. Sie studieren Fächer, die alle mit „International“ beginnen und vor allem die Human- und Wirtschaftswissenschaften vertreten.
Wer sich für ein Studium in Holland entscheidet, hat sich das meistens gut überlegt, denn das Auslandsstudium hat seinen Preis: seit diesem Jahr liegen die Studiengebühren bei 1.900 Euro im Jahr. Eine andere Motivation findet sich in der Flucht vor dem deutschen Numerus Clausus, da die meisten Studienfächer in den Niederlanden zulassungsunbeschränkt sind. Obwohl das Abitur an den meisten Universitäten die einzige Aufnahmebedingung ist, verlangen manche Hochschulen Sprachnachweise oder den Nachweis von Schwerpunktfächern im Abitur, die eine Basis für das Studienfach bilden, vor allem in den Naturwissenschaften.
Was bietet Holland, was Deutschland nicht kann?
Ein Studienjahr gliedert sich in vier Blöcke, die jeweils mit Prüfungen abgeschlossen werden. Die Vorlesungen werden durch Tutorien ergänzt, in denen die Inhalte kritisch vertieft und diskutiert werden. Im Zentrum stehen die Studenten, die in Gruppen arbeiten, der Tutor übernimmt im besten Fall nur die Rolle des Moderators. Diese achtwöchigen Blöcke sind sehr lernintensiv und arbeitsaufwendig, haben aber auch den Vorteil, dass die Prüfungsinhalte auf einen überschaubaren Zeitraum komprimiert werden. Wissen wird überwiegend mit Multiple Choice Prüfungen überprüft. Diese Methode liegt Faktenpaukern, führt jedoch nicht unbedingt zu einem tiefgründigen Verständnis des Lehrstoffs. Zuletzt noch ein eindeutiges Holland-Plus: die Ausstattung und Anlagen der Unis sind erstklassig, einladend und modern mit lauschigen Study-Lounges und Klassenräumen mit Smartboards.
Leben in Holland
Drei Wörter, die meine ersten und weiteren Eindrücke von Holland und seinen Einwohnern beschreiben: munter, hilfsbereit und weltgewandt. Meine Wohnungssuche in Den Haag wurde von ungeplanten Begegnungen geprägt, die mich spontan bei der Zimmerfrage unterstützen. Formelle Termine in Bank oder beim Arzt verlaufen ungezwungen und entspannt, neben dem Bankkonto nimmt man auch einen Tipp für das beste indonesische Restaurant der Stadt mit nach Hause.
Auf das Miteinander wird Wert gelegt: den Bus- und Bahnfahrern dankt man hier für die Fahrt und in einigen Supermärkten und Bankfilialen gibt es kostenlosen Kaffee. Man fühlt sich willkommen und integriert. Auch wenn Sprache ein Teil von Integration bedeutet, geben viele internationale Studenten das Erlernen des Niederländischen schnell auf. Englisch gilt hier gewissermaßen als zweite Amtssprache und wird von jeglichen Altersgruppen beherrscht. Ein Minuspunkt, vor allem für Studenten, sind die hohen Mieten in den meisten holländischen Städten (350 bis 500 Euro für ein Zimmer), doch auch dafür gibt es Alternativen.
Praktische Tipps – Bewerbung, Organisieren und Finanzieren
Zum Schluss einige praktische Tipps für all diejenige, die sich für ein Studium in Holland interessieren. Der Studyfinder ist sehr hilfreich, um alle angebotenen Studiengänge nach den eigenen Interessen zu filtern. Die zentrale Bewerbungsstelle für holländische Unis ist studielink.de. Achtet darauf, dass die Bewerbungsfristen in den Niederlanden meistens früher enden als in Deutschland. Fangt frühzeitig an, euch um eine Unterbringung in eurer Studienstadt zu bemühen. Vielleicht benötigt ihr auch Rechtsversicherungen im neuen Land.
Auf kamernet.nl findet ihr ein großes Angebot an privaten WG-Gesuchen, alternativ geht auch die Suche über Makler mit pararius.nl, für diese Wohnungsvermittlungen werden jedoch Gebühren von mindestens 300 Euro fällig. Wie finanziert man das alles? Abhängig vom Einkommen eurer Eltern könnt ihr deutsches Bafög erhalten oder unabhängig vom elterlichen Einkommen gibt es den Studiengebührenkredit vom holländischen Staat, der nach dem Studium zurückgezahlt wird. Zudem könnt ihr natürlich neben dem Studium arbeiten, dafür müsst ihr jedoch meistens Holländischkenntnisse vorweisen und auch eine niederländische Krankenversicherung aufnehmen.
Schreibe einen Kommentar