„Halt! Stopp! Ich fühle mich gemobbt.“
Man geht den Gang entlang und der Kollege Schmidt grüßt nicht. Dieses Verhalten kann verschiedene Ursachen haben. Vielleicht ist Herr Schmidt generell ein eher unfreundlicher Zeitgenosse oder aber er hat schlichtweg einen schlechten Tag. Aber allzu schnell erzählt man in der Kantine den anderen Mitarbeitern, dass Herr Schmidt nicht grüßt und man sich gemobbt fühlt. Mobbing ist in aller Munde und hat schon lange Einzug in unseren Wortschatz gehalten. Unter Mobbing (vom Englischen to mob für angreifen, anpöbeln) versteht man im heutigen Sprachgebrauch alle möglichen Formen von Unfreundlichkeit und Schikane.
Dabei entspricht längst nicht jede Handlung dem rechtlich relevanten Mobbingbegriff. Dieser verlangt ein über längere Zeit ablaufendes systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren, wobei die einzelnen Handlungen in Zusammenhang stehen müssen. Wer als Opfer von solch schwerwiegenden Mobbinghandlungen, die sich über einen größeren Zeitraum hinweg ziehen, betroffen ist und zumeist unter dadurch bedingten psychischen und physischen Problemen leidet, der findet sich heute im sprachlichen Allerlei des Mobbings wieder. Viele Opfer werden infolgedessen nicht ernst genommen oder aber vorschnell als allzu sensibel abgestempelt. Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Mobbing macht – dessen muss man sich bewusst sein – auch vor der Richterbank nicht Halt.
Ein Flüchtling ist ein Flüchtling ist ein Flüchtling
Ein weiteres Beispiel für die Relevanz von Definitionen ist die Diskussion um Flüchtlinge. In den Medien ist pauschal die Rede von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen. Ein Flüchtling ist gemäß Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention eine Person, die sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz hat, und die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann. Insofern beschreibt der Begriff Flüchtling eine Person, die durchaus asylberechtigt sein kann, jedenfalls die Flüchtlingseigenschaft besitzt.
Um in den Wirren der Berichterstattung abzugrenzen und den fälschlichen Gebrauch des Flüchtlingsbegriffs wieder geradezurücken, bedient man sich dann Wörtern wie Elends- oder Wirtschaftsflüchtlinge. Korrekterweise müsste man jedoch allgemein von Migranten sprechen. Durch die Verwendung des Wortes Flüchtling für alle Arten von Migranten wertet man die originäre Bedeutung ab. Denn man muss nicht bei Flüchtlingen unterscheiden, sondern vielmehr bei Migranten. Auch hier wirkt sich die alltägliche Verwendung des Wortes negativ auf die tatsächlich Betroffenen aus.
Der ungleiche Ehebegriff
Aber nicht nur Mobbingopfer und Flüchtlinge haben mit Definitionen zu kämpfen. Auch katholische Eheleute sehen sich vor einem Begriffsproblem. Während die katholische Kirche die Ehe den Bund zwischen Mann und Frau als Sakrament beschreibt, steht dem das weltliche Institut der Ehe gegenüber, welches seinen Ausdruck in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes findet. Eine nähere Definition lässt sich dort nicht finden. Dort ist nicht einmal die Rede von Mann und Frau.
Und betrachtet man das weltliche Institut der Ehe einmal genauer, dann wird man angesichts von z.B. der Möglichkeit der Scheidung schnell zu dem Entschluss kommen, dass dieses auch heute schon nicht kongruent zur kirchlichen Ehe ist. Einer Öffnung der weltlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare stünde daher rein rechtlich nichts im Wege. Allerdings sorgt der gleiche Begriff mit unterschiedlicher Bedeutung zuweilen für Unmut und große Diskussionen. Insofern kann festgestellt werden, dass auch die sakramentale Ehe durch den inflationären Gebrauch des Ehebegriffs „leidet“.
Sprachgebrauch verpflichtet
Sprache ist stets in Bewegung, ständig neuen Einflüssen ausgesetzt und diesen teilweise auch erlegen. Doch sollte man stets bedenken, dass es durchaus nachteilige Effekte mit sich bringen kann, wenn man Definitionen und Begrifflichkeiten aufgibt. Die Grenzen der Aufweichung und Simplifizierung beginnen jedoch da, wo Menschen unter inkorrekter Begriffsverwendung leiden. Daher sind nicht nur die Medien, sondern alle Sprachanwender in der Pflicht, Formulierungen so zu wählen, dass durch deren Verwendung keine Nachteile für Betroffene entstehen.
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