Wer sich mit einer psychischen Erkrankung in eine psychiatrische Einrichtung begibt, soll demnächst in einem staatlichen Register erfasst werden. Der bayerische Staat will mit einem neuen Hilfe-Gesetz angebliche Sicherheitslücken schließen, beweist aber nur Ahnungslosigkeit im Umgang mit psychisch Kranken. Das propagierte „Hilfe für“ klingt mehr nach „Schutz vor“.

Die Freude über die vermehrte Offenheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen währte nur kurz. Jetzt erhitzt das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz die Gemüter. Kranken soll es mehr Rechtssicherheit und Transparenz bieten. Stattdessen aber triumphiert es mit einem übersteigerten Maß an Stigmatisierung und Kontrolle, das mit den Grundrechten der Betroffenen nicht vereinbar ist.
Gesundheitsministerin Melanie Huml und Sozialministerin Kerstin Schreyer (beide CSU) haben den umstrittenen Gesetzesvorschlag hervorgebracht. Jetzt muss damit gerechnet werden, dass die CSU das Gesetz noch vor den bevorstehenden Landtagswahlen im Oktober durchpeitscht.
Das Ungleichgewicht zwischen Hilfe und Stigmatisierung wird schon in der zahlenmäßigen Verteilung der Artikel des Gesetzes deutlich. Insgesamt umfasst es 41 Artikel. Lediglich in den ersten vier geht es tatsächlich um Hilfe für Betroffene. Als großflächiges Auffangbecken soll ein psychiatrischer Krisendienst eingerichtet werden. Die restlichen Artikel dagegen widmen sich der „Unterbringung“ von Kranken. Oder anders gesagt: der staatlichen Absonderung von Absonderlichem. Das Gesetz kündigt an: Wer mit einer psychischen Erkrankung in eine Klinik kommt, wird zukünftig in einer Zentralstelle erfasst. Und seine Daten werden für die folgenden fünf Jahre einbehalten. Sobald Andersartigkeit in staatlichen Registern festgehalten wird, vergreift man sich an der Würde der Betroffenen.
Wieso entscheiden sich viele Menschen mit psychischer Erkrankung gegen eine Behandlung oder zögern sie unnötig hinaus? Weil sie Angst vor Demütigung und öffentlicher Stigmatisierung haben. Experten befürchten, dass diese Angst durch ein solches Gesetz nur verstärkt würde. Betroffene so ihre Probleme noch länger geheim halten würden. Und das, wobei die meisten von ihnen eher vor sich selbst geschützt werden müssten.
Aber die CSU sieht das anders: psychisch Kranke als potenzielle Gefährder der öffentlichen Sicherheit. Nach dem angekündigten Polizeiaufgabengesetz, das für große Aufregung gesorgt hat, entfernt sich Bayern mit diesem Vorschlag wieder einen Schritt weiter von dem Konstitut eines Rechtsstaats. Ob beide Gesetze tatsächlich in Kraft treten, bleibt noch abzuwarten. Bezeichnend ist aber, dass die CSU glaubt, ihre Hilflosigkeit gegenüber wirklichen Straftätern nicht anders in den Griff zu bekommen.
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