Jerusalem/Babylon (2.Kön/Jer/HoHe). Jerusalem ist gefallen. Nach einer langen, zermürbenden Belagerung gelang es in den frühen Morgenstunden einigen Truppenverbänden unter dem Kommando des babylonischen Königs Nebukadnezzar in die Stadt einzudringen und die Kapitulation der israelischen Armee zu erwirken. Zidkija, König und Oberbefehlshaber der Israeliten, war in der Nacht zuvor durch eine Bresche in der Mauer aus der Stadt geflohen, wurde jedoch kurz nach der Eroberung Jerusalems in der Nähe von Jericho gefasst und mit der restlichen Bevölkerung nach Babylon verschleppt. Unter ihnen befindet sich auch ein gewisser Jeremia, der bereits in der Vergangenheit am Königshof für Furore sorgte und die Eroberung Jerusalems mehrfach prophezeit hatte. Zwischenzeitlich war er unter anderem wegen Volksverhetzung angeklagt, das Verfahren wurde mittlerweile jedoch eingestellt. Ein Bericht von Holger Herrlich.
Glaubt man den Recherchen gewöhnlich gut informierter Kreise, stammt Jeremia der Priesterdynastie Anatot aus dem Land Benjamin ab. Schon früh hat Jeremia dort seine besondere Berufung gespürt und wurde zum meistgehassten Propheten des Landes. Der Grund dafür ist einfach: Überall verkündete er, dass ihm der Herr offenbart habe, dass sich „von Norden her (…) das Unheil über alle Bewohner des Landes“ ergießen werde. In einem wirkungsvoll inszenierten Auftritt stellte sich Jeremia eines Tages vor die Bewohner Jerusalems und hielt dabei einen Krug in der Hand. Wie mehrere Augenzeugen übereinstimmend berichteten, habe der Prophet vor der drohenden Zerstörung Jerusalems gewarnt und in dramatischen Worten die Verschleppung der Bevölkerung vorhergesagt. Am Ende seiner flammenden Rede habe er in einen fulminanten Schlusspunkt den Krug theatralisch zerbrochen und dabei ausgerufen: „So spricht der Herr der Heere: Ebenso zerbreche ich dieses Volk und diese Stadt, wie man Töpfergeschirr zerbricht, so dass es nie wieder heil werden kann.“

Ein Albtraum wird wahr
Obwohl man den selbsternannten Propheten anfangs noch als aufmerksamkeitsheischenden Aufschneider abtat, wurden seine Worte schon bald schreckliche Realität. Nebukadnezzar, der König von Babel, marschierte in das Land ein und begann mit der Belagerung Jerusalems. König Zidkija ließ daraufhin nach Jeremia schicken, in der Hoffnung, der Prophet könne ihm etwas über eine Rettungsaktion Gottes sagen. Stattdessen wurde er bitter enttäuscht. „Ich selbst kämpfe gegen euch mit erhobener Hand“, so die Botschaft Gottes, die Jeremia an den König Israels ausrichten ließ, „denn ich habe mein Angesicht gegen diese Stadt gerichtet zu ihrem Unheil, nicht zu ihrem Heil – Spruch des Herrn. Der Hand des Königs von Babel wird sie ausgeliefert, und er wird sie mit Feuer verbrennen.“
Als die Prophezeiung die Runde machte, reagierte man am Königshof empört. Regierungsbeamte plädierten auf einen Strafprozess wegen Volksverhetzung und Wehrkraftzersetzung. In der Anklageschrift heißt es: „Dieser Mann muss mit dem Tod bestraft werden, denn er lähmt mit solchen Reden die Hände der Krieger, die in dieser Stadt noch übrig geblieben sind, und die Hände des ganzen Volkes.“ Daraufhin kam es zu einer Vergeltungsaktion, die – wie jetzt bekannt wurde – vom König ausdrücklich gebilligt wurde. Jeremia wurde gefasst und eine die Zisterne hinabgelassen, die im Wachhof liegt. Auch wenn sich darin kein Wasser mehr befand, steckte der Gefangene schon bald knietief im Schlamm. Erst das beherzte Eingreifen von Ebed-Melech, einem Höfling, konnte Jeremia vor dem sicheren Tod bewahren. An hinabgelassenen Seilen wurde er zurück an die Oberfläche gezogen.
Eroberung und Verschleppung
Nach langer und erbitterter Gegenwehr war es dann heute Morgen schließlich soweit. Feindliche Truppen schlugen Breschen in die Mauer und stürmten die Stadt. An vielen Orten kam es zu Übergriffen. Brandschatzend und plündernd kämpfte sich Nebukadnezzars Armee durch Jerusalem und eroberte einen Stadtteil nach dem anderen. Hitzige Gefechte sorgten für hohe Verluste auf beiden Seiten. Schließlich war Jerusalem eingenommen und die israelische Armee besiegt. Dennoch fehlte von ihrem Oberbefehlshaber jede Spur. Augenzeugen berichteten, dass Zidkija bei Nacht aus der Stadt geflohen sei. Kurz darauf wurde er bei Jericho gefasst und mit der überlebenden Bevölkerung nach Babylon verschleppt. Lediglich die Armen ohne Grundbesitz wurden zurückgelassen, um die Äcker und Weinberge zu bewirtschaften.
Jeremia wurde unterdessen vom Kommandanten der Leibwache aufgespürt. Er wurde dem Statthalter Gealja übergeben, der den Propheten schließlich frei ließ. Jeremia kehrte zu den wenigen Leuten zurück, die in Israel zurückgelassenen wurden. Das Schicksal der Verschleppten ist indes weiter ungewiss. Wir werden weiter davon berichten.
Quellen: Jeremia 1, 18, 19, 24, 38-39; 2. Buch der Könige 25.
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