Ein Leben hinter Gittern, keinen Kontakt zur Außenwelt, schlechte Mahlzeiten, Prügeleien, keine technischen Kommunikationsmittel, nur ein paar Minuten Auslaufzeit pro Tag. Aspekte, die das Leben von Mohamed Javel beschreiben. Unser Autor portraitiert das Leben eines Strafgefangenen.

Die Besuchszeit ist angebrochen: Mohamed Javel (Name geändert) wird von Justizvollzugsbeamten an seiner Zelle abgeholt und zum Besucherraum geführt. Ein mittelgroßer, braun gebrannter, gut gebauter Mann mit einem Zwei-Millimeter-Haarschnitt. Ihm stehen als Inhaftiertem vier Stunden im Monat zur Verfügung, vier Stunden für den Kontakt nach „draußen.“ Auch dadurch wurde ihm endlich der Wert der Freiheit bewusst. In der Vergangenheit führte er ein geregeltes Leben. Mohamed war in der Ausbildung im dritten Lehrjahr und stand kurz vor dem Abschluss zum Schlosser. Dieses Leben hatte auch noch eine andere Seite: Er nahm Drogen und handelte mit Betäubungsmitteln; Eines Tages verkaufte er 100 Gramm Marihuana, die Polizei kam ihm auf die Spur, durchsuchte sein Haus und fand weitere Drogen. 27 Monate Haft lautete das Urteil des Richters. „Ich konnte es nicht fassen!“. Mohamed ging in Berufung, da ihm das Strafmaß unrealistisch hoch erschien. Er kämpfte mit dem Anwalt an seiner Seite um jeden reduzierbaren Monat. Mit Erfolg. Die Haftstrafe reduzierte sich auf zehn Monate Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt. „Ab dem Moment hat sich mein Leben schlagartig geändert. Ich führe gerade ein beschissenes Leben.“
Die ersten Wochen in Haft
Mittlerweile hat er bereits sechs Monate seiner Strafe abgesessen und sich mehr oder weniger an die Umstände gewöhnt. Am Anfang hatte er jedoch mit den bis dato größten Problemen seines Lebens zu kämpfen. Das Leben in einer Einzelzelle war für ihn nicht auszuhalten. Mohamed konnte sich oft nicht beherrschen. Fassungslosigkeit, Wutausbrüche und Platzangst kennzeichneten die ersten Wochen in der JVA. „Ich bin verrückt geworden“, sagt er. Hinzu kamen Mithäftlinge, die versuchten, ihm seine Rolle als Rangniedrigstem bewusst zu machen. Doch eine zusätzliche Erniedrigung wäre für Mohamed das Letzte gewesen. Durch mehrere Prügeleien erkämpfte er sich einen Status und gewann den Respekt der Mithäftlinge. „Man muss sich anfangs beweisen, damit man nicht zum Kanonenfutter wird“, erläutert er selbstbewusst.
Er lernte mit zunehmender Zeit den Alltag in der JVA kennen und findet sich mittlerweile mit seinem Aufenthalt ab. Das Einzige, was er nicht ausblenden kann, sind die Gefühle für seine Familie. Es vergeht kein Tag ohne einen Gedanken an sie. Das Schwerwiegendste für Mohamed ist, dass er die Geburt seines eigenen Kindes nicht miterleben konnte. „Ich war regelrecht neben der Spur. Ich konnte nicht dabei sein. Doch mein Blick richtet sich nun nur nach vorn“, gibt er sich kämpferisch. Nach den ersten drei Monaten ohne Fernseher und Arbeit wurde sein Leben positiver. Er bekam in der JVA eine Arbeitsstelle als Schlosser und kurz darauf einen Fernseher. Die positive Entwicklung in seinem eher negativen Leben setzte sich fort. Weil er schon drei Jahre eine Ausbildung gemacht hatte, wurde Mohamed zum Vorarbeiter in der Schlosserei. Dadurch wurde sein Alltag abwechslungsreicher.
Der Alltag verändert sich
„In den ersten drei Monaten musste ich 23 Stunden in der Zelle verbringen und hatte eine Stunde Hofgang.“ Heute arbeitet er unter der Woche acht Stunden pro Tag, hat von 16:00 Uhr bis 17:00 Uhr Hofgang, kann anschließend duschen und seinen Abend vor dem Fernsehen ausklingen lassen. „Vorher durfte ich nur drei Mal in der Woche duschen. Aufgrund des Jobs nun jeden Tag.“ Er verdient 130 Euro im Monat, mit denen er einmal die Woche beim EDEKA-Markt im Erdgeschoss einkaufen gehen darf. Mohamed leistet sich nun mehr. Dazu gehört auch ein neuer Fernseher. Jeden Abend schaut er sich die Sendung „Berlin Tag & Nacht“ an und beneidet die Darsteller darum, dass sie ein „freies“ Leben führen dürfen.
Der Tiefpunkt
Einen empfindlichen Rückschlag während seiner Haft erlitt er, als er bei einem Besuch trotz Handyverbot und strenger Kontrollen ein Handy in die JVA schmuggelte. Unangekündigt laufen Justizvollzugsbeamte jeden Tag mit einem „HandyScanner“ an den Zellen vorbei. Mohamed wird zwei Monate lang nicht erwischt, da er sein Handy nur für ein paar Telefonate an seine Familie benutzt. „Ich erkundigte mich tagtäglich nach meiner kleinen Tochter“, gibt er zu. Doch dann fliegt er auf. Das trug ihm eine Zusatzstrafe ein. Ihm wurden zwei Tage Hofgang und Umschluss am Wochenende verweigert. Es war „wie in der Hölle ohne mein Handy“, schildert er kurz.
Persönliche Veränderung und Zukunftspläne
Mohamed hat jetzt schon aus seinem größten Fehler im Leben gelernt. Seine Naivität ist nicht mehr so stark ausgeprägt wie früher, seine Menschenkenntnis ist größer geworden, sein Umgang mit Geld verbesserte sich, wie auch die Wertschätzung alltäglicher Gegenstände. Seine Verhaftung hat manches geklärt: Menschen, die er als Freunde verstand, wandten sich von ihm ab. Von geschätzten 100 Freunden meldeten sich plötzlich nur noch drei, sagt er: „Für mich hat sich aufgrund der Briefrate herausgestellt, wer außerhalb der Mauern zu meinen wahren Freunden gehört und wer nicht.“ Nach seiner Entlassung möchte er seine Ausbildung abschließen, ein gemeinsames Leben mit der Familie führen, für die Tochter da sein und vor allen Dingen keine Straftaten mehr begehen.“Ich werde alles, was ich in der Vergangenheit falsch gemacht habe, richtig machen!“
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