Wir sind in einem wildfremden Haus mitten in Santa Rosa. Wir kennen noch nicht einmal den Straßennamen. Die Frau, der das Haus gehört, heißt Anette. Den Nachnamen kennen wir nicht. Wir sind immer noch total überrascht, wie wir hier landen konnten. Vor lauter Erschöpfung hatten wir auf unserer Flucht von der McDonald-Ranch am Straßenrand eine kleine Pause gemacht. Nur kurz nachdem wir unsere Rucksäcke abgestellt hatten, hielt ein großer Geländewagen neben uns. Eine typisch amerikanische Frau rief aus dem Fenster: „Hey Girls, can I help you? This road is not really safe. I don´t want you girls to get killed!“
Allen Erziehungsratschlägen unserer Eltern zum Trotz stiegen wir zu der Frau ins Auto. Die Erleichterung darüber, nicht mehr laufen zu müssen, überdeckte jeden Zweifel. Während der Fahrt nach Santa Rosa bot sie uns gleich an, mit uns einkaufen zu gehen und bei ihr eine Dusche zu nehmen. Das Angebot klang sehr verlockend. Auch wenn es total absurd ist, bei einer wildfremden Frau zu duschen. Anette war einfach eine angenehme Überraschung und ein echter Glücksfall. Vor allem, weil sie uns nach der Dusche mit zu einem Meeting in einem Hotel nahm, wo wir die Nacht verbringen konnten. Nach der furchtbaren Nacht im Schmutz genossen wir hier die ganzen Annehmlichkeiten.
In dem gemütlichen Zimmer begannen wir nach einer neuen Ranch zu suchen. Ursprünglich hatten wir ja geplant, fünf Wochen auf der McDonald Ranch zu verbringen. Nun mussten wir uns was Neues einfallen lassen. Fünf Wochen Hotel wären viel zu teuer gewesen und schließlich auch nicht das, was wir wollten. Zum Glück fanden wir im Internet eine Ranch, die dringend Helfer suchte und nur 20 Minuten von Santa Rosa entfernt lag. Nach einigen Mails stand fest, dass wir hier schon am nächsten Tag unser Glück versuchen wollten.
24 Stunden später saßen wir in Petaluma an der Bushaltestelle und warteten auf die Ranchbesitzerin, die uns abholen wollte. Uns war schon die ganze Zeit aufgefallen, dass die Amerikaner dazu neigen, einen sehr schnell anzusprechen und auszufragen. Das, was wir an der Bushaltestelle erlebten, war dann aber doch witziger als sonst. Ein junger Amerikaner kam auf uns zugeschlendert und fragte: „Do you go hiking?“ (Wir waren überrascht, wie viel Kreativität hinter diesem Anmachspruch steckte.) In der Hoffnung, den jungen Mann schnell wieder los zu werden, antworteten wir mit einem schlichten „no“. Doch das schien ihn nicht abzuschrecken. Ganz im Gegenteil: Er setzte sich neben uns und begann ein Gespräch mit uns. Letztendlich wollte er abends mal mit uns essen gehen. Leider ließ er erst nach, nachdem wir seine Nummer widerwillig in unser Smartphones getippt hatten. Das Beste von ihm kam dann zum Schluss: „I also have a cute friend.“ Wir kamen aus dem Lachen nicht mehr raus. Bis heute haben wir ihn nicht angerufen.
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