Kennst Du das Gefühl, stets alles selbst im Griff haben zu wollen? Seien es Dinge, Situationen oder Menschen, alles muss geplant, kategorisiert oder eingeordnet werden. Es gibt diejenigen, die sich nicht viel aus Kontrolle machen. Doch dann gibt es die anderen, die ein Leben ohne kaum meistern können. Woher kommt das? Ein persönlicher Erklärungsversuch, gewachsen aus eigenen Erfahrungen.

Wer meine Artikel kennt, der weiß, dass ich mich mit Persönlichkeitsstörungen und Psychologie beschäftige. Ich spreche hier immer nur von Erkenntnissen, welche ich in meinem Leben gemacht habe und erwarte nicht, dass jeder mit dieser – meiner Meinung – konform ist. Natürlich ist alles auch immer ganz individuell zu betrachten und bekanntlich hat auch jeder seine eigene Wahrheit in Bezug auf diverse Themen.
Liegen die Ursachen wieder mal in der Kindheit?
Meine Kindheit war geprägt von großer Unsicherheit. Meine Mutter hat fünf Kinder aber mit unterschiedlichen Männern zur Welt gebracht. Mein jüngerer Bruder und ich haben italienische Wurzeln, meine beiden Halbschwestern haben einen türkischen Vater. Als ich fünf war, bin ich und meine übrigen Schwestern meiner Mutter entzogen und in einem Kinderheim untergebracht worden.
Das war ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben, aber absolut unabdingbar. Wer weiß, wo ich heute stehen würde, wäre ich weiter in meinem Elternhaus aufgewachsen. Ob ich dann einen adäquaten Beruf erlernt hätte? Mein Leben selbst bestimmt meistern könnte? Das weiß nur Gott. Aber ich denke, Gott hat diesen Weg für mich gewählt, um weiteres Unheil von mir abzuwenden.
Nun gut, wie du schon heraushörst: Ich bin erwachsen geworden, trotz dieser nicht ganz optimalen Umstände, welche ich in meiner Kindheit erlebt habe. Diesen Umstand sieht man mir heute, als erwachsene Person, natürlich nicht an und ich habe nach außen hin auch ein geregeltes Leben. Wie jedoch mein Innenleben, meine Gefühlswelt aussieht, ist eine andere Geschichte, an welcher ich nun seit über einem Jahr beständig arbeite.
Toxische Begegnungen und die Wiederholung der unbewussten Muster

Nun, was macht es mit der Entwicklung eines Kindes, welches im Elternhaus keinerlei Sicherheit erfahren oder genug Liebe und Zuneigung erhalten hat?
In vielen Fällen, so auch bei mir, werden Defizite im Umgang mit anderen Menschen und in nahen Beziehungen auftauchen. Dies ist allerdings nicht gerade förderlich, um eine gesunde Beziehung zu führen und einen gesunden Partner in sein Leben zu ziehen. Mehrmals im Leben bin ich so bereits in eine toxische Beziehung geraten.
Doch gerade diese toxische Beziehung hat mir doch gezeigt, welche eigenen Defizite ich hatte und noch habe. Und leider ist es nun mal so, dass sich Narzissten und Borderliner anziehen wie bei einem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Es ist einfach eine perfekte Symbiose – am Anfang. Das Ende ist zerstörerisch und gekennzeichnet von unmenschlichen Verhaltensweisen auf beiden Seiten.
Wut und Zerstörung, die aus Unsicherheit heraus geboren werden
Das Streben nach Kontrolle und das Kontrollieren selbst ist meist ein Verhalten unsicherer Menschen. Denn, wann muss die Kontrolle im Außen unbedingt vorhanden sein? – Wenn man im Inneren von Unsicherheit geplagt wird.
Ich kannte einen Arzt, welcher seine Fachangestellte verbal niedergemacht hat, weil ein Patient bei einer ambulanten OP unverhältnismäßig viel geblutet hat. Er war von dem Umstand so gestresst, dass er seine eigene Unsicherheit überspielte, indem er die junge Angestellte cholerisch zusammenschrie und anschließend aus seinem OP warf. Er hatte die Kontrolle zwar nicht wirklich wiedererlangt, aber für einen kurzen Moment seiner eigenen Unsicherheit Luft gemacht. Die Angestellte war geschockt und kurze Zeit später hatte sie Ihren Job gekündigt.
Unsicherheit ist ein unerträglicher Zustand, der emotional ausgelebt werden musste. Schau dir das Wort „Emotion“ mal in seinem Wortlaut genauer an. E-Motion – Du kannst es aufbröseln in E (= Energie) und Motion (= Bewegung). Eine Emotion ist also nichts anderes als eine Aktion, welche aus einem Gefühl heraus agiert. Es ist ein Gefühl, welches fließen will. Kann das Gefühl von Unsicherheit nicht besänftigt werden, bricht das Gefühl aus dem Inneren heraus und wird zu einer sehr kraftvollen Aktion im Außen. Eine impulsive Handlung, welche ein Verhalten erzeugt, das meist in Begleitung von großer Wut und Beschuldigungen einhergeht. Oft wandelte sie sich später in Reue.
Ich habe ähnliche Geschichten in meinem Leben erlebt, in welchen auch ich unverhältnismäßig ausgerastet bin, weil meine eigene Unsicherheit in diesen Momenten nicht kompensiert werden konnte. Natürlich sind derartige Verhaltensweisen sehr unangenehm, also ist das Bestreben groß, sie nicht nochmal an den Tag zu legen. Als Folge greift man zu Mechanismen, um die Dinge und Menschen um sich herum im Auge zu behalten und hierbei die vermeintliche Kontrolle über Situationen und/oder Menschen behält.
Destruktive Verhaltensweisen aufgrund von Unsicherheit
Ich persönlich habe ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und bin bestrebt, die Dinge, die um mich herum geschehen, selbst in der Hand zu haben, zu kontrollieren. Besonders in zwischenmenschlichen, nahen (Liebes-)Beziehungen ist es mir ein großes Anliegen. Viel zu oft habe ich einen Streit vom Zaun gebrochen, fadenscheinige Erklärungen und Anschuldigungen dargelegt, um eine Bindung zu einem Menschen zu beenden. Was auch immer gut geklappt hat. Bevor ich mich verletzen lasse, stoße ich lieber anderen vor den Kopf und verletze sie selbst.
Dass das Verhalten eher destruktiv ist und auch nicht gerade sozialverträglich, dessen bin ich mir (jetzt) bewusst. Aber ein Anteil in mir ist trotzdem irgendwie befriedigt und auch erleichtert, wenn diese Bindung wieder aufgelöst wurde. Es gibt aber Menschen in meinem Leben, die wiedergekommen sind. Immer wieder – nach einer gewissen Zeit des „Gras-drüber-wachsens“. Vielleicht zu meinem Glück? Dies gilt es für mich herauszufinden…
Wachse! – Du musst nicht der Mensch bleiben, der du heute bist
Ich mache keinen Hehl aus meiner Geschichte. Ich befinde mich in einem Entwicklungsprozess und freue mich, wenn ich anderen Menschen mit meinen Erfahrungen und Erkenntnissen helfen und einen (Denk-)Anstoß geben kann. Denn sein eigenes Leben auf ein nächstes Level zu heben und sich stetig zu entwickeln, sollte ein Anliegen sein, welchem sich alle Menschen widmen sollten. So würde die Welt vielleicht irgendwann ein besserer Ort. Es erfordert viel Arbeit am eigenen Selbst, um in dieser Gesellschaft (s)einen wichtigen Beitrag zu leisten und einen Schritt in ein glücklicheres Leben zu gehen. In diesem Sinne: Vergleiche dich niemals mit anderen Menschen, denn dies macht unglücklich. Vergleiche dich immer nur mit dem Menschen, der du gestern warst. Und wachse über dich hinaus – jeden Tag ein bisschen mehr!
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