Sichem/Dotan (gen). Josef, der zweitjüngste Sohn des Jakob, ist verschwunden. Nachdem die Polizei ein Gewaltverbrechen von Anfang an nicht ausschloss, herrscht bei den Angehörigen nun schreckliche Gewissheit: Er wurde entführt und an Menschenhändler weiterverkauft. Ruben, der älteste Bruder Josefs, hat mittlerweile ein umfassendes Geständnis abgelegt, doch von Josef fehlt weiterhin jede Spur. Derzeit befindet er sich vermutlich auf dem Weg nach Ägypten, wo er Potifar, dem Obersten der Leibwache des Pharaos, zum Kauf angeboten werden soll.
Bekannte aus dem Umfeld des Entführten berichten, dass Josef seit Kindheit an eine besondere Rolle spielte. Sein Vater Jakob hatte insgesamt zwei Frauen und sieben Söhne. Während ihm seine Frau Lea insgesamt fünf Kinder gebar, brachte seine andere Frau Rahel lediglich Josef und Benjamin zur Welt. Bei der Geburt des Letztgenannten verstarb sie. Deshalb, so die Meinung des allgemeinen Umfeldes, sei Josef eine Art „Lieblingssohn“ für Jakob und wurde deshalb von seinen Brüdern umso mehr gehasst.
Josef verschollen, doch vermutlich noch am Leben
Dem Vernehmen nach habe sich Josef immer wieder durch sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und seine Tendenz zur Arroganz Feinde gemacht. Beispielsweise habe er seinen Brüdern von Träumen erzählt, in denen sich Sonne, Mond und Sterne vor ihm verneigt hätten. Die Geschwister wiederum reagierten darauf mit großer Eifersucht und Hass. Ein Sprecher der örtlichen Polizeibehörde erklärte in einer Pressekonferenz, dass diese Ereignisse durchaus ein Motiv für die stattgefundene Entführung darstellen könnten. Nach Aussage des ältesten Sohnes Ruben hatten die Brüder ursprünglich sogar den Plan gefasst, Josef zu töten. Als sie eines Tages nämlich bei Dotan das Vieh weideten, kam Josef zu ihnen und sie wollten ihn ergreifen und ermorden. Ruben, dem mittlerweile Skrupel gekommen waren, appellierte leidenschaftlich an seine Brüder und bot einen Kompromiss an: „Begehen wir doch keinen Mord! Vergießt kein Blut! Werft ihn in die Zisterne da in der Steppe, aber legt nicht Hand an ihn!“
Die Zisterne war ausgetrocknet und somit ein ideales Gefängnis. Ruben wollte nach eigenen Angaben seinen Bruder später heimlich befreien, doch die anderen kamen ihm zuvor. Noch ehe ein Spezialkommando zur Befreiung des Gefangenen anrücken konnte, verkauften die übrigen Brüder Josef in Rubens Abwesenheit für zwanzig Silberstücke an eine vorbeikommende Karawane aus Gilead. Als Ruben die Katastrophe nach seiner Rückkehr bemerkte, versuchte er zu retten, was zu retten war: Sie schlachteten einen Ziegenbock, tauchten Josefs Gewand in das Blut und schickten es zu ihrem Vater Jakob. Davon überzeugt, sein Lieblingssohn sei von einem wilden Tier gefressen worden, legte er sich Trauerkleider an und trauerte tagelang um ihn. Obwohl mittlerweile klar ist, dass Josef in Wirklichkeit verkauft wurde und vermutlich noch am Leben ist, gibt es bislang noch kein Lebenszeichen von ihm. Eine heiße Spur führt jedoch nach Ägypten. Wir werden dranbleiben und weiter berichten.
Quelle: Genesis 37,1-36
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