Als einziges Schulfach findet der Religionsunterricht im Grundgesetz Erwähnung, nämlich in Artikel 7. Nur die Bundesländer Berlin und Bremen sind von der Regelung ausgenommen, weitgehend ist er jedoch rechtlich legitimiert. Und darin besteht ein immer wieder vorgebrachtes Dilemma, weswegen sich der Religionsunterricht heute mehr und mehr unter Rechtfertigungsdruck befindet. Denn: Wie kann ein Staat, der sich ja von Natur aus jeder weltanschaulichen Haltung enthalten sollte, gewissen Religionsgemeinschaften den öffentlichen Raum Schule zur Verfügung stellen und anderen wiederum nicht?
Varianten des Religionsunterrichts
Neben dem bereits erwähnten Berlin, wo Ethik in der Regel verpflichtend zu besuchen ist, gibt es in Brandenburg ein ähnliches Konzept, nämlich das Fach LER. Dort stehen neben Wissen über Religion auch ethische Fragen im Fokus. Die Schüler sollen auf dieser Grundlage zu eigenen Haltungen befähigt werden. Doch kann ein Lehrer, gleich welcher Konfession, Religion oder Weltanschauung er angehört, objektiven Unterricht gestalten, wenn es dann einmal um seine Religionsgemeinschaft geht? Die Antwort muss ganz klar lauten: Nein!
Besonders Jugendliche muslimischer Prägung sind mitunter sehr religiös eingestellt. Für sie ist es daher umso wichtiger, dass sich die Religionsgemeinschaften ihrer annehmen, damit sie nicht als Rekrutierungsmaterial fundamentalistischer Gruppierungen enden. Daraus wird aber schon das nächste Problem ersichtlich: Welche Art von Religionsunterricht will man ihnen denn anbieten? Eher einen, der alle muslimischen Richtungen integrieren will oder je einen eigenen für Schiiten, Sunniten, Salafisten etc.?
Die christlichen Kirchen in Deutschland sind zurecht stolz darauf, dass der Religionsunterricht konfessionell geprägt ist. Denn neben allen Arten von ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit haben die Schüler andererseits auch ihr gutes Recht auf Begegnung mit ihrer Konfession, die so auch einen wichtigen Beitrag zur Identitätsentwicklung leisten kann. Zwischen Katholiken und Protestanten bestehen die Unterschiede eben nicht nur auf dem Pass, sondern zeigen sich ganz konkret an ethischen Überzeugungen.
Islamischer Religionsunterricht
Sam Batat hat ausführlich die Bedeutung des Friedens für den Islam herausgestellt, eine Vorstellung, die mit ihm auch der islamische Religionspädagoge Mouhanad Khorchide teilt, für ihn ist nämlich klar: „Islam ist Barmherzigkeit“. In dieser Hinsicht leistet ein solcher Unterricht durchaus Aufklärung denjenigen, die sich nur allzu leicht von radikalen Ideen verführen lassen. Aufzuklären gilt es ferner natürlich auch Andersgläubige wie ebenjene Politikerin, die die Ansicht vertritt, der Islam wäre ein Land. Daher wäre es sehr empfehlenswert, islamischen Religionsunterricht am Gymnasium oder an anderen weiterführenden Schulen anzubieten, jedoch nicht um jeden Preis. Die Schulstunden sollten schon in deutscher Sprache stattfinden und inhaltlich mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sein, selbstverständlich auch qualitativ überzeugen. Allerdings lassen Aussagen von Vertretern muslimischer Verbände in dieser Hinsicht nicht allzu viel erwarten; die innere Zerstrittenheit scheint leider irrwitzige Dimensionen anzunehmen.
Aber wie sieht es denn eigentlich mit der Lehrerausbildung aus? An der Uni Erlangen-Nürnberg, wo ein Islamzentrum besteht, schließen pro Jahr nur etwa fünf Personen das Studium ab. Flächendeckender Islamunterricht ist damit natürlich undenkbar! Folglich muss festgestellt werden: Jetzt den Islamunterricht möglichst schnell einzuführen, öffnet lediglich der Willkür Tür und Tor. Wenn nämlich von zukünftigen Lehrern verlangt wird, sie hätten ihre Lebensweise nach „der rechten islamischen Lehre und den guten Sitten“ auszurichten, könnte dies ja letztlich immer Auslegungssache des jeweiligen Imams einer örtlichen Moschee werden.
Zu wenig Islam im christlichen Religionsunterricht?
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf das Argument eingehen, dass „im katholischen- und evangelischen Religionsunterricht zu wenig Zeit für den Islam eingeplant“ werde. Wer sich den aktuellen Lehrplan für das Bayerische Gymnasium vor Augen hält, wird feststellen können, wie oft dieser im Fach Kath. Religion (der evangelische RU verweist vielfach auf ähnliche Aspekte!) nicht nur ökumenische, sondern auch interreligiöse Themenstellungen berührt. Das fängt in der 5. Klasse an, wo es um Abraham geht (der als Stammvater der drei monotheistischen Religionen gilt), geht dann weiter in der 6. Klasse, wo die Schülerinnen und Schüler sich als „Kinder der einen Welt“ begreifen dürfen und wird dann in der 7. Jahrgangsstufe in aller Ausführlichkeit als eigener Themenblock behandelt. Selbst in der Oberstufe werden die unterschiedlichen Auffassungen von Offenbarung in Islam und Christentum ausführlich erläutert. Zu behaupten, christlicher Religionsunterricht würde nicht auf den Islam eingehen, scheint daher unangebracht!
Eine Reduzierung des Themas Islam rein auf die religiöse Dimension erscheint mir aber als zu kurz gegriffen; auch gesellschaftliche und kulturelle Phänomene (z.B. die Hintergründe des Schleiertragens in muslimischen Ländern) sind wesentliche Bestandteile islamischen Lebens. Man verbleibt in der zurecht gescholtenen Oberflächlichkeit, wollte man sich mit Faktenwissen begnügen. Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist immer noch der beste Lehrmeister, ausdrücklich spricht der Lehrplan das an. Warum nicht einfach mal seinen muslimischen Mitschüler nach dem Grund seines Verzichts auf Essen und Trinken mitten in den heißesten Wochen des Jahres befragen? Die islamische Kultur kann folglich nicht als Sonderterritorium des Religionsunterrichts entsprechend eingegrenzt werden, sondern muss auch anderswo in der Schule kommuniziert werden, sei es am Schulhof oder im Geschichtsunterricht. In Geschichte übrigens im (bayerischen) Lehrplan verankert.
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