Seit ungefähr viereinhalb Jahren bieten die Brüder May zusammen mit ihrem Vater integratives Boxen an. Hierbei sollen vordergründig auch Menschen mit einer Behinderung oder einem Handicap die Möglichkeit haben, aktiv am Fitnessboxen teilzunehmen. „Es war ein schleichender Prozess“, blickt Torsten May zurück. „Wir hatten immer mal wieder Anfragen von Leuten, die ‚normal und gesund‘ sind, jedoch in der Familie einen Cousin haben, der im Rollstuhl sitzt und gerne Boxen lernen möchte. Die ausschlaggebende Idee kam von unserem Vater Uli: Vor ein paar Jahren hatte eine Olympiateilnehmerin aus Weißrussland, die durch einen Unfall querschnittsgelähmt ist, auf der Regattabahn am Fühlinger See für die Paralympics (Rudern) trainiert. Sie hatte auch bei uns im Boxgym vorbei geguckt und gefragt, ob sie nicht mitmachen kann.“ So wurde die Idee geboren, ein Boxtraining im Boxfitnessbereich für Personen mit Handicap anzubieten.
„Die Rollis sind komplett integriert“
Torstens Bruder Rüdiger May ergänzt: „Im Prinzip hat sich das von selbst ergeben. Torsten ist ja viel in Sportmetropolen unterwegs und dort ist unter anderem die Frage gestellt worden, ob bei uns nicht die Möglichkeit bestünde, ein integratives Training anzubieten. Da wir für alles offen sind, haben wir diese Möglichkeit geschaffen. Es hat bisher super funktioniert!“ Im Boxfitnessclub Maylife werden Anfänger und Fortgeschrittene ganz sanft ohne Vollkontakt – das heißt ohne Schläge auf den Kopf beziehungsweise unterhalb der Gürtellinie und kein K.O. – an den Boxsport geführt. Sportlich-spielerisch soll es sein und Spaß machen. Genau so verlaufen die Trainingseinheiten von eineinhalb Stunden. Das Training umfasst mehrere, aufeinander abgestimmte Stationen. An diesen wird nach sportwissenschaftlichen Methoden in drei-Minuten-Intervallen trainiert. Hierbei werden vordergründig die Kondition, die Kraft und die Koordination aufgebaut. Die Rollis, wie beide Brüder die Rollstuhlfahrer liebevoll nennen, sind hier komplett integriert. „Es geht ja alles im Sitzen“, erläutert Torsten May. „Die Übungen mit dem Medizinball und den Hanteln. Das Schattenboxen oder die Arbeit mit den Pratzen. Wenn zwei Rollstuhlfahrer gegeneinander boxen, stellen sie sich gegenüber auf und boxen so locker wie wir im Ring.“
Fairer Umgang mit Handicaps
Die Atmosphäre im Boxclub ist familiär. Anfänger und Fortgeschrittene trainieren hier unter den gleichen Bedingungen, ganz fair ohne Wettkampfdenken. „Die anderen Mitglieder haben unglaublich positiv darauf reagiert, dass wir auch Leuten mit Handicap eine Möglichkeit geben. Wir hatten überhaupt keine Berührungsängste. Man muss die Personen einfach so nehmen, wie sie sind. Es funktioniert super“, erklärt Rüdiger May begeistert. Torsten May fügt hinzu: „Man merkt auch schnell, dass die Leute gar nicht mit Samthandschuhen angefasst werden möchten. Es macht so einen Spaß zu sehen, wie die Leute offener, freier und selbstbewusster werden. Wie sie körperlich fitter sind. Alleine das Funkeln in den Augen – das macht einen auch selbst happy."
„Wir erfahren viel Dankbarkeit“
Auch mit Emotionen wird nicht gespart. „Man erfährt ohnehin schon ziemlich viel Dankbarkeit von den ‚gesunden‘ Teilnehmern. Wenn dann noch Personen mit einem Handicap trainieren kommen und die Möglichkeit haben, sich komplett auszupowern, ist es schon fantastisch zu sehen und zu merken, wie dankbar sie sind. Wie aufgelöst und frei“, sagt Rüdiger May lächelnd. Inzwischen ist es Samstagnachmittag, 14:30 Uhr. Die letzte drei-Minuten-Einheit ist gerade vorbei. Der Gong ertönt. Zeit das Training zu beenden. Zeit für ein „Cool-down“, um den Kreislauf wieder herunter zu fahren. Kati nimmt sich die Boxhandschuhe ab. Sie wird von ihrer Begleitperson aus dem Trainingsraum gefahren. Und sie lächelt.
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