Ein Auslandssemester mit finanzieller Unterstützung, die nicht zurückgezahlt werden muss und keine Top-Noten voraussetzt? Das ERASMUS-Programm der EU macht dies seit den 1980er Jahren möglich. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Sprache des Ziellandes. Unser Autor Felix Gaillinger über Hürden und Bewältigungshilfen, die bei dieser Thematik beachtet werden sollten.
Seit Anfang September 2017 bin ich nun für mein Auslandssemester in Italien. Da ich bereits seit über sechs Jahren Italienisch lerne, habe ich keine großen Probleme, mich in den Vorlesungen gut zurechtzufinden. Im Vergleich mit meinen Studienkollegen, die ebenfalls in Bologna ihr ERASMUS-Semester angetreten sind, ist mir bewusst geworden, dass viele von ihnen ohne Vorkenntnisse nach Italien gekommen sind und Probleme haben, den Inhalten zu folgen.
Sehr bald habe ich herausgefunden, dass viele Kommilitonen verschiedene Strategien angewendet haben, um diesem Problem entgegenzuwirken – einige von ihnen mit großem Erfolg. Es sei an dieser Stelle jedoch gesagt, dass nicht alle Länder ohne Vorkenntnisse der Fremdsprache im Rahmen von ERASMUS anvisiert werden können. Hierbei ist es wichtig, sich an die entsprechenden Koordinatoren der eigenen Universität zu wenden, da die Regelungen von Hochschule zu Hochschule variieren. Wer sich also frühzeitig für sein Zielland entschieden hat, allerdings noch nicht über die Sprachkenntnisse verfügt, muss innerhalb der Bewerbungsfrist ein Zertifikat über die erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse erwerben.
Die Bewerbungsfrist für das ERASMUS-Semester liegt häufig sehr weit vor dem eigentlichen Start, daher sollte man sich diesbezüglich rechtzeitig informieren (in meinem Fall waren es neun Monate vorher). Wer bereits mit Vorkenntnissen in das Zielland geht, sollte in der Regel mit den Vorlesungen keine allzu großen Probleme bekommen. Hinzu kommt, dass viele Kurse spezielle Modalitäten für ERASMUS-Studenten anbieten, die – auch aufgrund der Erfahrung der Dozenten mit ausländischen Studierenden – entsprechende Kürzungen im Studienplan vorsehen. Sind die Sprachkenntnisse nur in geringem Umfang oder überhaupt nicht vorhanden, kann der Erfolg des ERASMUS-Semesters mit dem richtigen Verhalten herbeigeführt und einige „typische“ Fehler verhindert werden. Im Folgenden daher drei Tipps aus eigener Erfahrung.
1. Vermeide den Kontakt zu Landesgenossen
Das klingt zunächst möglicherweise befremdlich, ist jedoch Gold wert. Wer am Anfang des Auslandssemesters in eine fremde Stadt kommt, sucht zunächst zumeist nach einer Orientierung und Unterstützung. Vor allem in Anlaufstellen, wie dem Büro für internationale Angelegenheiten der Gastuniversität, um das kein Gaststudent kurz nach der Ankunft herumkommt, oder den eigenen Kursen, findet man unter Umständen viele andere deutsche Studenten. Das gemeinsame „Fremdsein“ verbunden mit der gemeinsamen Kultur, schweißt zusammen und macht den anderen zum vermeintlichen Schicksalsgenossen. Man kann hier eine Freundin oder einen Freund gewinnen, mit dem man in den nächsten Monaten durch dick und dünn gehen wird.
Dies kann allerdings zum Verhängnis werden, wenn man sich isoliert und dazu tendiert, die Zeit im vertrauten Kreis zu verbringen, anstatt zu versuchen, sich unter das Volk des Gastlandes zu mischen und Freundschaften zu schließen, die auf der Kommunikation in der Fremdsprache fußen.
2. Vermeide, international zu wohnen
Viele ERASMUS-Studenten in spe freuen sich – meiner Erfahrung nach zurecht – darauf, Studenten aus den verschiedensten Nationen kennenzulernen und in fremde Kulturen einzutauchen. Dennoch sei gesagt, dass viele meiner ERASMUS-Kommilitonen in Italien bei ihrer Zimmersuche nicht darauf geachtet haben, ob sie mit italienischen Mitbewohnern oder mit solchen aus aller Welt zusammenwohnen werden. Doch gerade letzteres kann zum Hindernis schlechthin für das Erlernen der Alltagssprache des Gastlandes werden. Denn ist auch nur einer der Mitbewohner der Landessprache nicht mächtig, geht man in der Regel dazu über, auf Englisch untereinander zu kommunizieren. Wie jedoch dann die Wörter des Alltags in der Sprache des Gastlandes erlernen?
Im Sprachkurs in Deutschland hatte man möglicherweise zwar bereits viele Wörter gelernt, jedoch decken diese oft nur bestimmte Themenbereiche ab, weshalb andere wiederum zu kurz kamen. Wörter wie „Wäscheständer“, „Türklinke“ oder „Lichtschalter“ erlernt man nur dann in der Fremdsprache, wenn man entweder bewusst nach ihrer Übersetzung recherchiert oder sie im Optimalfall im Alltag, wie dem WG-Leben, immer wieder hört und benutzt.
Zum Ende meines Auslandssemesters hin fällt mir nun stark auf, dass tatsächlich hauptsächlich meine Bekanntschaften, die mit Italienern zusammengelebt haben, ihr Vokabular deutlich erweitern konnten, wohingegen sich andere vielmehr auf das Fachvokabular der Kurse beschränkt haben.
3. Nimm am Freizeitangebot deiner Gast-Universität teil
Seien es Hochschulsport, Theaterproben oder Kochkurse: Die meisten Universitäten bieten neben der Lehre auch ein breites Angebot an freiwilligen Aktivitäten an. Zumeist finden diese wöchentlich statt und können eine wertvolle Plattform darstellen, um Kontakt zu Studenten des Gastlandes zu knüpfen. Zwar ist die Hemmschwelle unter Umständen groß. Sei es aufgrund des mangelnden Vertrauens in die eigenen sprachlichen Fertigkeiten oder „lediglich“ die Tatsache, in einem völlig ungewohnten Umfeld zu sein; doch kann es eine große Bereicherung für ausländische und nicht-ausländische Studenten sein. Du selbst bringst als Gast eines fremden Landes deinen eigenen kulturellen Background mit, der auf große Neugierde stößt und deine Kommilitonen und dich ins Gespräch bringen kann. Die Muttersprachler deines Gastlandes hingegen zeigen dir authentisch, wie sie ihren Alltag gestalten, und bereichern auf ihre ganz eigene Art und Weise deine Auslandserfahrung.
Beachtest du diese drei Tipps, steht deinem erfolgreichem ERASMUS-Semester nichts mehr im Wege! Mein persönlicher Tipp ist, es wirklich in vollen Zügen zu genießen und keine Scheu zu haben, den Kontakt zu Kommilitonen des Gastlandes aufzunehmen. Es ist absolut normal, in diesem neuen Umfeld anfangs schüchtern zu sein und nicht zu wissen, wie man am besten das Gespräch mit den Kommilitonen des Gastlandes aufnimmt. Jedoch geht es ihnen häufig genauso, weil auch du als „Repräsentant“ einer fremden Kultur für sie etwas Neues darstellst. Nutze diesen Ausgangspunkt, gehe aktiv auf die anderen zu, besuche Sprachkurse und Freizeitangebote der Universität … kurz und knapp: Stürze dich in die Erfahrung!
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