Karmel (1.Kön/HoHe). Welcher Gott ist der wahre Gott? Diese eine Frage, die die Menschheit schon seit Urzeiten beschäftigt, ist endlich geklärt. In einer packenden Versuchsreihe an totem Tiergewebe konnte der Prophet Elija aus Tischbe nachweisen, dass „sein“ Gott „JHWH“ der einzig wahre Gott Israels ist. Damit widerlegte er die insgesamt 450 anderen Wissenschaftler, die die These vertraten, der Gott Baal habe das Götter-Monopol. Nach offiziellen Meldungen reisten diese Wissenschaftler im Anschluss an den auf dem Berg Karmel öffentlich ausgetragenem Wettstreit sofort ab, allerdings ist auch eine von Elija in Auftrag gegebene Massen-Exekution der Baalspriester am Bach Kischon Gegenstand von Gerüchten. Ein Bericht von Holger Herrlich.
Eine insgesamt drei Jahre lang anhaltende Dürreperiode ist dem großen Showdown am Karmel vorausgegangen. Regierungsnahe Kreise hatten den Propheten Elija für die Naturkatastrophe verantwortlich gemacht, nachdem dieser König Ahab eine Rüge des Herrn überbrachte. Ahab habe sich nach Elijas Angaben des Glaubensabfalls und der Vielgötterei schuldig gemacht, seine Immunität als Amtsinhaber des Königsthrons werde aufgehoben und sein Land mit einer längeren Dürrezeit und Hungersnot bestraft (Holger Herrlich hat davon berichtet). Fahndungen nach dem flüchtigen Unheilsboten blieben erfolglos, bis vor wenigen Tagen Elija selbst vor dem König erschien. „Bist du es, Verderber Israels“, soll Ahab bei seinem Anblick ausgerufen haben. Der Prophet konterte: „Nicht ich habe Israel ins Verderben gestürzt, sondern du und das Haus deines Vaters, weil ihr die Gebote des Herrn übertreten habt und den Baalen nachgelaufen seid.“

„Ruft lauter! Er ist doch euer Gott!“
In zähen Verhandlungen verständigte man sich schließlich darauf, dass der theologische Streit bei einem gemeinsamen Gipfeltreffen mit den Vertretern des Baal-Kultes auf dem Berg Karmel öffentlich beigelegt werden solle. Man vereinbarte eine Versuchsreihe an Stierkadavern, die der „wahre“ Gott ohne menschliches Zutun entzünden soll. Die Expertengruppe der Baalspriester begann. Von morgen früh bis in die Mittagsstunden bestürmten sie ihre Gottheit unter lauten Rufen, wilden Tänzen und körperlicher Selbstverstümmelung. Elija wurde von den anwesenden Schiedsrichtern mehrfach verwarnt, da er seine Kontrahenten unter anderem mit spöttischen Zurufen aus dem Konzept gebracht haben soll: „Ruft lauter! Er ist doch euer Gott. Er könnte beschäftigt sein, könnte beiseite gegangen oder verreist sein. Vielleicht schläft er und wacht dann auf.“ Eine nachträgliche Sperre wegen grob unsportlichen Verhaltens hat Elija übrigens nicht zu erwarten – die Schiedsrichter sind ebenso wie die Baalspriester nach dem Wettkampf verschwunden.
Dann kam er selbst an die Reihe. „Herr, Gott Abrahams, Isaaks und Israels“, begann der Prophet mit feierlicher Stimme. „Heute soll man erkennen, dass du Gott bist in Israel, dass ich dein Knecht bin und all das in deinem Auftrag tue.“ Elija hatte nun ebenfalls einen Altar errichtet, den Stier zerteilt und ihn auf den Altar gelegt. Um die Deutlichkeit seines Gottesbeweises zu unterstreichen, hatte er alles mehrfach mit Wasser übergossen. Er fuhr fort: „Erhöre mich, Herr, erhöre mich! Dieses Volk soll erkennen, dass du, Herr, der wahre Gott bist und dass du sein Herz zur Umkehr wendest.“ Kaum hatte er diese Worte beendet, geschah das Unglaubliche. Ein Augenzeuge erinnert sich: „Da kam das Feuer des Herrn herab und verzehrte das Brandopfer, das Holz, die Steine und die Erde. Auch das Wasser im Graben leckte es auf.“ Der unwiderlegbare Gottesbeweis war erbracht: JHWH, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, existiert.
Schlechte Verlierer: Baalspriester nach dem Sieg Elijas plötzlich verschwunden
Einen Manipulationsverdacht wies Elija scharf zurück. Einige Kritiker hatten ihm vorgeworfen, lediglich den Wetterbericht studiert zu haben, wodurch er den Zeitpunkt des Blitzeinschlags voraussagen konnte. Mit dem Hinweis, der Wetterbericht sei in etwa so zuverlässig wie die Ankunftszeiten der Deutschen Bahn war es ihm möglich, diesen Verdacht zu entkräften. Dennoch: Die spektakuläre Vorstellung auf dem Berg Karmel verfehlte seine Wirkung nicht. Ein heilloses Durcheinander brach aus, sodass sich viele Ereignisse hinterher nur schwer rekonstruieren lassen. Die 450 Priester des Baal waren plötzlich unauffindbar, offizielle Stimmen meldeten eine vorzeitige Abreise, andere Quellen berichten unter Berufung auf das „1. Buch der Könige“ von einem Aufruf Elijas, man solle sie auf der Stelle ergreifen und exekutieren.
Der Haftbefehl gegen den Propheten wurde jedenfalls von König Ahab persönlich aufgehoben, als kurz danach ein Sturm aufzog und nach langer Zeit endlich wieder Regen fiel. Analog bezeichnen Regierungsbeobachter den neuen Frieden zwischen dem König und Elija jedoch als trügerisch und sehen dort ebenfalls bereits einen Sturm am Horizont aufziehen. Sie befürchten, dass die Nachricht vom Verschwinden der Baalspriester bei Ahabs Ehefrau Isebel, die nach wie vor eine Anhängerin der heidnischen Gottheit ist, eine neue Stufe der Eskalation hervorrufen könnte. Wir werden weiter davon berichten.
Quelle: 1. Buch der Könige 18.
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