Der metallische Sound erklingt und die beiden U-Bahn-Türen in nächster Nähe schließen mit einem dumpfen Knall. Der Blick einer jungen Frau, die mir gegenüber sitzt, trifft mich. An dem gesamten Gesichtsausdruck stört mich etwas. Vielleicht ist es der schwache Glanz in ihren grünen Augen oder die zusammengekniffenen Lippen, die in runterhängenden Mundwinkeln enden. Glücklich zu sein, scheint sie jedenfalls nicht. Mit einem kurzen Rundumblick mache ich mir einen Überblick über die anderen Fahrgäste. Mein Fazit: morgens um halb neun scheint nicht jene Uhrzeit zu sein, die die Zufriedenheit der Deutschen zum Vorschein bringt.
Nach Maslows Bedürfnispyramide kann nach innerer Zufriedenheit erst dann gestrebt werden, wenn die physiologischen Grundbedürfnisse, die Bedürfnisse nach Schutz und Sicherheit und das Bedürfnis zu einer Gruppe zu gehören, abgedeckt wurden. All dies ist hier in Deutschland der Fall, beziehungsweise die Voraussetzungen, um diese Bedürfnisse möglichst vollkommen und schnell zu befriedigen, sind gegeben. Daran kann es also nicht liegen. Möglicherweise aber haben wir uns auf der Suche nach unserem eigenen Wohlgefühl im AppleStore verlaufen und befinden uns somit immer noch auf den unteren drei Stufen. Wir beißen uns an jenen materiellen Gütern fest, die uns von der Werbung durch das perfekte Licht und den perfekten Spruch so präsentiert werden, als ob ihr Erwerb alleine schon Zufriedenheit bringen kann.
Wir leben auf zu großem Fuß
Da wir aber nach relativ kurzer Zeit den Fadenzieher hinter unserem Kaufrausch zwar erkennen, aber nicht daran denken, die Fäden auch zu kappen, befinden wir uns um einige Moneten beraubt an der gleichen psychologischen Stelle wieder. Als Wohlstandsgesellschaft müssten wir auch am Gefühl der Zufriedenheit keinen Mangel haben. Dass das gute Gefühl in der Magengrube nicht grundlegend auch mit den schwarzen Zahlen auf dem Bankkonto zusammenhängt, zeigt uns auch die aktuelle Rangordnung des Happy Planet Index. Dieser versucht ein Maß für die ökologische Zufriedenheit zu bilden. Während sich in den Top Ten bis auf Vietnam nur Staaten aus Süd- oder Mittelamerika finden lassen, muss sich Deutschland mit Platz 46 begnügen. Ist der ökologische Fußabdruck also schuld daran, dass wir uns an der „happy nation“ Costa Rica eine Scheibe Zufriedenheit abschneiden müssen?
Glücklich sein – das will ich auch
Menschen, die ihr Glücksgefühl nicht aus materiellen Habseligkeiten ziehen, beäugen wir mit sehr kritischem Blick. Oft sind es jene, die die Suche nach dem inneren Glück nicht in großen Kaufhäusern beginnen, sondern bei sich selbst. Meistens sind es Menschen, die metaphysischen Fragestellungen auf den Grund gehen, die bei sozialen Aktivitäten in ihrer Gebermentalität aufgehen oder einfach nur durch das Betrachten einer arbeitsamen Ameise die Dinge des Alltags zu schätzen lernen. Zum einen lässt es unser Mangel an Toleranz nicht zu, dass andere statt dem breit belaufenen Weg zum Glück zu folgen, einen vermeintlich verlassenen und verwucherten Pfad einschlagen. Zum anderen beschleicht uns ein Gefühl des Neides, wenn wir einsehen müssen, dass andere genau jene Zufriedenheit haben, auf die wir hinarbeiten.
Freundlich nicken und sich freuen
Ist es also unserem Denken verschuldet, dass wir immer wieder davon abkommen glücklich zu sein? Dass Zufriedenheit bei uns kein Dauerzustand sein kann, weil es als ein schnelllebiges Gefühl ein Motiv für unsere schnelllebige Gesellschaft ist? Da wir durch technische Geräte Smileys zwar verschicken können, ohne sie gleichzeitig fühlen zu müssen und uns unterhalten können, ohne mit anderen Menschen zusammen zu sein, sind wir innerlich abgestumpft. In unserem inneren Konflikt der Gefühlsregungen, bedenken wir nicht, dass wir für unser eigenes Glücksgefühl andere Menschen miteinbeziehen müssen. Ein kurzes freundliches Kopfnicken für die Bäckerfrau ist möglicherweise genau jener Schritt, der für ein breites Lachen am Abend, jeden Morgen danach und irgendwann auch für die Fahrt in der U-Bahn sorgen kann.
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