Zwei ältere Herren ziehen in einem Straßenbahnabteil über Flüchtlinge her und fordern, dass diese sich dahin zurück scheren sollen, wo sie hergekommen sind. Ein Gegenargument ließ sie schnell verstummen.
Neulich in der Würzburger Straßenbahn unterhielten sich zwei Männer, beide so um die 85 Jahre alt, über die Flüchtlinge, die nun “mit den ganzen Kindern hier herkommen und auf unsere Kosten es sich gut gehen lassen”. Die ganze Bandbreite von “faulen Ausländern” und “Leuten, die sich dahin zurück scheren sollen, wo sie herkommen” lieferten die beiden Herren dem stillen Abteil der Straßenbahn.
Als dann noch eine Schulklasse zustieg, konnte ich nicht anders; ich bin aufgestanden, zu den beiden Herren getreten und habe sie freundlich auf ihr Gespräch angesprochen. Sie hatten zuvor bereits erwähnt, was sie von “Gutmenschen” halten, die das Flüchtlingsthema anders sehen. Zudem näherte sich meine Haltestelle, sodass ohnehin keine Zeit für große Argumente und Fakten blieb.
Daher sagte ich zu den beiden: “Entschuldigen Sie mich bitte, ich habe ihr Gespräch über die Flüchtlinge verfolgt und muss Sie etwas fragen: Sollte es nicht gerade Ihre Generation besser wissen? Ich vermute, Sie haben den Krieg noch miterlebt. Sie müssten es doch besser wissen, oder?”
Eine Antwort erhielt ich nicht, stattdessen blickte ich in leere Augen. Am Ende kam nur ein unbeholfenes Lachen, aber das reichte völlig aus, um zu verstehen.
Von der Geschichte lernen
Für das Auftreten der Herren gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wobei eine schrecklicher ist als die andere. Entweder sie haben im Laufe ihres Lebens die Erlebnisse im Krieg vergessen, oder sie haben nichts aus der schreckenbehafteten Vergangenheit gelernt.
Vielleicht waren sie auch auf der Flucht. Auf der Flucht vor ihren eigenen Erinnerungen oder auf der Flucht vor Fakten. Denn auch Deutschland war einst Schauplatz von Gräueltaten und Kriegen. Viele Menschen (ca. 60 Millionen) haben allein durch den Zweiten Weltkrieg in Europa ihre Heimat verloren. 14 Millionen Menschen mussten nach 1945 Ost- und Mitteleuropa verlassen.
Noch vor wenigen Monaten zitterte man in Deutschland aufgrund der Ukraine-Krise, welche die Kriegsangst fast 25 Jahre nach dem Kalten Krieg in Europa wieder weckte. Doch offensichtlich vergessen die Menschen schneller als sie die Nachrichten über die schrecklichen Kriege der Welt verfolgen.
Hilfe für Hilfsbedürftige
Sicherlich ist die derzeitige Lage eine Herausforderung. Selbstverständlich läuft im Bereich der Asylpolitik nicht alles perfekt und reibungslos. Zu lange Asylverfahren und der Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen sollen an dieser Stelle nur stellvertretend genannt werden. Aber all diese Schwierigkeiten dürfen niemals darüber hinwegtäuschen, dass wir dazu verpflichtet sind, Menschen zu helfen, die tatsächlich in Not sind und unsere Hilfe benötigen. Und diese Hilfe muss den Menschen unabhängig von deren Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht oder Religion bzw. Weltanschauung zuteil werden. Wir können und dürfen nicht anders als Flüchtlinge willkommen heißen.
Ob ich die beiden Herren in der Straßenbahn wachrütteln oder ihnen einen zumindest einen Denkanstoß geben konnte, weiß ich nicht. Aber den Menschen im Abteil zu zeigen, dass nicht alle Leute so denken, das war mir möglich. Der Grundsatz muss lauten: refugees welcome!
Das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg hat uns dabei geholfen, diesen Artikel zu finanzieren. Werft gerne einen Blick auf ihre Homepage: http://institut-walberberg.de/
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