Waren es bis vor einigen Jahren nur Umweltschützer, denen es schon beim Hören des Wortes „Frackings“ kalt den Rücken runterlief, erschaudern nun auch immer mehr Öl-Konzerne und Wirtschaftswissenschaftler angesichts des englischen Wörtchens. Und auch der Otto Normalverbraucher, der die sinkenden Preise an den Zapfsäulen der Tankstellen beobachten kann, hat wohl schon einmal davon gehört. „Fracking-Boom“ da, „Öl-Krise“ hier… Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff, der fast wöchentlich für Schlagzeilen sorgt?
Erschließung bisher unerreichbarer Ressourcen
Fracking ist eine unkonventionelle Art der Erdöl- und Erdgasförderung. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Chemikalien und Stützstoffen, das sogenannte Fracfluid unter hohem Druck in unterirdische Schiefergesteinsschichten gepresst. Durch die kleinen Risse die dadurch im Stein entstehen wird Schieferöl und -gas freigesetzt und an die Oberfläche geleitet. Das Besondere an dieser Technik ist, dass die ca. einen Hektar großen Bohrstationen nicht nur horizontal, sondern auch vertikal Wasser in die Erde pressen. So können große Erdöl- und Erdgasvorkommen gefördert werden, die von Förderunternehmen bislang unangetastet blieben. Laut einer 2012 von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) veröffentlichten Studie verfügt Deutschland über 0,7 bis 2,3 Billionen Kubikmeter förderbare Schiefergasvorkommen – ca. zwei bis sieben Mal mehr als konventionelle Erdgasreserven.
Gefährdung für die Umwelt
Wenn auch wirtschaftlich durchaus rentabel, ist die Methode aus ökologischer Sicht nicht unbedenklich. Beispielsweise kann nicht garantiert werden, dass die durch Zement abgedichteten Bohrrohre auf Dauer tatsächlich undurchlässig sind. Das Fracfluid könnte somit in das Grundwasser geraten und Flüsse, Seen und Trinkwasservorkommen verseuchen. Außerdem könnten sich die Risse unkontrolliert ausbreiten oder mit schon vorhandenen Rissen im Gestein verbinden und ungewollt Gase freisetzen, die nicht immer erfolgreich aufgesaugt werden können. Zu diesen Gasen zählt zum Beispiel das Treibhausgas Methan, ein starker Vorantreiber des Klimawandels. Hinzu kommt die Gefährdung durch potentielle Erdbeben. Durch den Pressdruck entstehen in der Erde automatisch Vibrationen. Auch wenn diese in der Regel die 1,0 auf der Richterskala nicht überschreiten, können diese bereits bestehende Spannungen im Gestein lösen und zu stärkeren Erschütterungen führen. Umweltschützer beklagen außerdem, dass die Ausbreitung der Frackingtechnologie nicht gerade ein Schritt in Richtung erneuerbare Energien ist.
Ein Segen für das BIP
Vorreiter im Fracking sind zweifelslos die USA. Schon seit Anfang der 2000er wird hier gefrackt, was die USA zum größten Energielieferanten weltweit gemacht hat. Zwischen 2009 und 2014 ist die Förderung um mehr als 60 Prozent auf rund 8,7 Millionen Fass am Tag gestiegen. Dies hatte massive Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft, neue Arbeitsplätze konnten geschaffen und die Steuereinnahmen erhöht werden. Die Schiefergasförderung ist derart angestiegen, dass die USA ihren Energiebedarf fast vollständig decken konnte und die Importe bedeutend gesunken sind.
Durch die Erschließung neuer Ressourcen und dem damit verbundenen Anstieg der Öl- und Gasproduktion sind die Preise im freien Fall. Das Überangebot treibt viele Fracking-Unternehmen in die Insolvenz. Um weiterhin tragfähig zu sein, müssten die Ölpreise immer noch 50 bis 60 Dollar je Fass betragen, tatsächlich sind sie jedoch auf 30 Dollar je Fass gesunken. Die Unternehmen sind auf Sparkurs. Branchenveteran Mark Papa glaubt, dass die Ölförderung der Vereinigten Staaten 2016 um rund 700.000 Fass am Tag sinken wird. 250.000 bis 300.000 Beschäftigte in der Branche sollen laut Bernard Duroc-Danner, dem Chef des Öldienstleisters Weatherford, im vergangenen Jahr ihren Job verloren haben.
Konjunkturprogramm für Deutschland
Auf die deutsche Wirtschaft haben die sinkenden Ölpreise eine ankurbelnde Wirkung. Da Deutschland fast komplett von Importen abhängig ist, um den Ölbedarf zu decken, könnten durch die sinkenden Preise viele Kosten gespart und neue Investitionen getätigt werden. Gleichzeitig gibt auch der Verbraucher weniger für Benzin und Heizöl aus und hat mehr Geld für andere Konsumgüter in der Tasche, ein Vorteil für die deutsche Wirtschaft. Die sinkenden Ölpreise bergen jedoch auch für den Verbraucher nicht nur Vorteile. Werden jetzt auf Grund der sinkenden Ölpreise Investitionen in die Erschließung neuer Quellen gekürzt, drohen in den kommenden Jahren Energieengpässe und damit wiederum rasch ansteigende Preise.
Die andere Seite der Medaille
Während Importeure also nachweislich vom Energieboom profitieren, macht er Exporteuren wie Russland, Saudi-Arabien oder Venezuela zu schaffen. Der russische Rubel hängt stark vom Ölpreis ab. Somit sinkt mit dem Wert des Öls auch der des Rubels und mit ihm die Kaufkraft der Bevölkerung. Saudi-Arabien musste 2015 ein Staatshaushaltsdefizit von 98 Milliarden Dollar einbüßen und auch Venezuela hat es hart getroffen. Der karibische Staat hat nicht nur mit einer innenpolitischen Krise kämpfen, auch die Wirtschaftsleistung ist alleine 2015 um 9 Prozent geschrumpft.
Auch befürchten Anleger, dass die Ursache für die sinkenden Preise schlichtweg eine geringere Nachfrage sein könnte, was bedeuten würde, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession geraten würde. Die Meinungen bleiben also gespalten und die tatsächliche Lage schwer zu überblicken. Ob Fluch oder Segen – das kann nur die Zeit beantworten.
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