In Israel ist der meistgehörte Radiosender ein Armeeradiosender. Er ist beliebt, auch weil er regierungskritisch ist. Aber auch, weil er sich dem Mainstream anpasst. Ein Bericht von Jonathan Ponchon.

Eine junge Frau mit Sonnenbrille und hellblauer Handtasche schlendert durch die Straßen von Jaffa, dem alten arabischen Viertel von Tel Aviv. Sie trägt eine dunkelgrüne Militäruniform und braune Stiefel. In einer muslimischen Wohnsiedlung schreitet sie in einen der Hauseingänge. Sie geht zu ihrem Arbeitsplatz, dem größten Radiosender Israels, einem Armeesender. Über den Türen steht in gelben Buchstaben auf violettem Hintergrund: Galei Zahal: Wellen der Armee. „Die meisten Soldaten, die für unseren Sender arbeiten, sind Frauen. Wenn Männer die Fähigkeiten haben, als Fallschirmjäger dem Land zu dienen, dann ist es der Armee lieber, dass sie das Land verteidigen, als On-Air zu sein“, sagt Yaron Dekel. der Chefredakteur des Senders oder wie er in Israel genannt wird: Oberbefehlshaber.
Am Eingang geht es vorbei an einem Drehkreuz, dahinter sitzt ein junger Rekrut zurückgelehnt an einem Schreibtisch. An seiner Hüfte baumelt ein Sturmgewehr. Er ist der Pförtner. Dekels Einheit besteht aus 170 Soldaten und 150 Zivilisten. „Jedes Jahr rekrutieren wir knapp 30 Soldaten und trainieren sie“, sagt Dekel. Es bewerben sich jährlich über 1000 junge Israelis ab dem Alter von 18 Jahren: „Das Auswahlverfahren ist hart. Wir erwarten, dass die Bewerber journalistisches Feuer mitbringen.“
Die Journalisten des Senders gelangen leichter zur Front als andere Medienvertreter
Über dem Schreibtischstuhl hängt ein großes Bild. Darauf zu sehen ist eine junge Frau, die auf dem Wüstenboden liegend Soldaten an der Front interviewt, während im Hintergrund zwei Panzer vorbeirollen. „Dadurch, dass unsere Journalisten Soldaten sind, können sie bis nach vorne an die Front vorstoßen und somit besser über den Krieg berichten“, erklärt der Oberbefehlshaber. Seit 1950 gibt es den Sender. Die israelischen Soldaten nutzten ihn zunächst dazu, um Grußbotschaften nach Hause zu schicken. Doch nach dem Jom-Kippur-Krieg 1974, der von Ägypten und Syrien gegen Israel geführt wurde, berichtete der Sender auch über die Kriege seiner Soldaten. So entstand ein Vollzeitnachrichtensender.
„Falls wir einseitig berichten, nehmen uns die Hörer nicht ernst!“
Der Chefredakteur wird vom Verteidigungsminister ernannt. „Ich genieße absolute journalistische Freiheit“, sagt er. „Klar, kann der Verteidigungsminister sich über das beschweren, was wir senden. Aber wenn er Unrecht hat, werde ich ihn das wissen lassen.“ Eine politische Agenda gebe es nicht, betont er: „Wenn der Minister einen kritischen Journalisten nominiert, dann ist das auch gut für seine eigene Reputation. Falls wir einseitig berichten, nehmen uns die Hörer nicht mehr ernst!“ Manche Israelis beschweren sich, dass der Sender gelegentlich zu sehr auf der Seite der Palästinenser sei.
„Keine Armee im Radio!“ ist auf einer Häuserfassade in der Nachbarschaft gesprüht. Ein stiller Protest gegen den Hörfunksender der Besatzungsmacht Israel. „Jaffa ist unser Ort. Es gäbe viele Orte, wo sie hinkönnen. Wir können einen arabischen Sender stattdessen haben“, sagt eine 19-jährige palästinensische Bewohnerin des Viertels. In der Nachrichtenredaktion sind fast alle Mitarbeiter Rekruten. Eine Wehrdienstleistende schreibt die Moderationstexte und der Nachrichtensprecher korrigiert sie. Er zeigt einen Zettel, auf welchem mehr rot als schwarz ist: „Nachher sehen die Zettel bei mir immer so aus“, schmunzelt er. Eine andere Rekrutin nimmt Höreranrufe an und telefoniert mit den Korrespondenten des Senders. Nur der Nachrichtensprecher ist ein Zivilist. Er ist auch der einzige, der die Regierung kritisieren darf. Für die Wehrdienstleistenden ist das On-Air als Staatsdiener tabu.
Mit Sturmgewehren durch Redaktionsräume
Abgesehen der Uniformen und Waffen können auch die Räumlichkeiten verunsichern. In der Nachrichtenredaktion ist die Decke mit Schimmel übersäht, die Luftabfuhrschächte halten nicht richtig und drohen auf die Köpfe der Mitarbeiter zu fallen. Gefährlicher als jeder mögliche feindliche Eindringling erscheinen die offenen Starkstromleitungen, die sich in den Ecken verstecken. Oder der junge Rekrut, der auf dem Flur beinahe über sein Sturmgewehr gestolpert wäre.
Die Mitarbeiter haben sich das Funkhaus, das eigentlich ein Mehrfamilienhaus ist, zu Recht gemacht. An Wänden hängen Poster von Musikern, an einer Tür hängt ein Zeichentrickplakat mit einer Frau, die ihren Bizeps präsentiert: Darauf steht geschrieben: „We can do it!“ Mit einem schelmischen Grinsen lassen sich drei Soldatinnen vor diesem Poster fotografieren. In einem weiteren Redaktionsraum hängt ein Plakat mit der Aufschrift: „Mauer der Schande“. Die Wehrdienstleistenden haben dort die peinlichsten Ausweisbilder von sich aufgeklebt. Doch auch ernste Botschaften finden auf den Postern ihren Platz: „Spiel niemals mit Waffen, sonst spielst du mit dem Leben.“
Arabische Musik wird nicht gespielt
Die Galei Zahal betreibt noch einen weiteren Sender. „Galgalaz“ spielt hauptsächlich Musik und Verkehrsnachrichten. Er ist der meistgehörte des Landes. Die Hälfte der Songs ist von hebräischen Musikern. Das ist kein Gesetz, diese Quote hat sich der Sender selbst auferlegt. Ob der Sender denn auch arabische Musik spielt? „Nein, das gehört nicht zum Mainstream“, sagt der Oberbefehlshaber.
Hallo Jonathan,
ich hab die Mail bei f1rstlife gelesen über die Bewerbung zur Recherchereise nach Israel und dass man dir als Kommentar unter dem Artikel gerne auch Fragen stellen darf. Genau das möchte ich nun nutzen. Habe gerade auch gelsen, dass du beim Pressenetzwerk für Jugendthemen Vorstandsmitglied bist.
Ich habe sehr sehr großes Interesse an der Reise nach Israel. Insbesondere nachdem ich vor 2 Jahren auf einer politischen Reise in Jordanien dabei war und ein Jahr lang als Erasmus-Studentin in Italien studiert habe.
Meine Frage wäre zunächst einmal eine etwas persönlichere. Ich habe eine Körperbehinderung (Bin kleinwüchsig und nutze ein Fahrrad wie einen Rollstuhl. Also Treppen sind für mich nicht ohne Hilfe zu überwinden, da ich das Rad dann nicht alleine tragen kann. Aber ich brauche keine speziellen Hilfsmittel im Bad oder so. Nur als Kurzbeschreibung. Ich würde auch selbstständig nach Wegen für die Altstadt Jerusalems schauen. Ich bin sicher nicht die Erste mit Gehbehinderung, die sich die Stadt gerne anschauen möchte). Ich bin sehr sehr selbstständig und schon mit 18 Jahren ausgezogen und habe eben auch ein Jahr in Italien gelebt.
Ist meine Behinderung ein Hinderungsgrund? Während der Reise würde mich der Berufseinstieg für Menschen mit Behinderung in Israel nämlich zum Beispiel besonders interessieren und ich bin dort auch bei der Jugendorganisation der Aktion Mensch aktiv.
Über eine Auskunft würde ich mich sehr freuen. Und ich entschuldige mich, dass meine Frage so kurzfristig kommt. Die letzten Tage waren für mich aus familiären Gründen nicht einfach.